GLEICHBERECHTIGUNG
Veraltete Strukturen gehören aufgebrochen, darin sind sich Maren Jasper-Winter und Catharina Bruns einig. In einer modernen Arbeitswelt kann Frau gleichberechtigt sein – mit den richtigen wirtschaftlichen und politischen Anreizen. Ein Streitgespräch.
Interview: Anders Mertzlufft und Eva Cheung
GLEICHBERECHTIGUNG
Veraltete Strukturen gehören aufgebrochen, darin sind sich Maren Jasper-Winter und Catharina Bruns einig. In einer modernen Arbeitswelt kann Frau gleichberechtigt sein – mit den richtigen wirtschaftlichen und politischen Anreizen. Ein Streitgespräch.
Interview: Anders Mertzlufft und Eva Cheung
Frau Bruns, sagt Ihnen die Doppelhelix etwas?
Bruns: Ja, im Sinne von Biologie …
Die Doppelhelix bezeichnet die molekulare Struktur des DNA-Moleküls. Entdeckt wurde sie von Rosalind Franklin. Aber der Nobelpreis ging an Crick, Wilkins und Watson für ihr räumliches Modell der DNA. Wieso reden wir eigentlich so wenig über die Innovationskraft von Frauen?
Bruns: Für die damalige Zeit kann man das sicher damit erklären, dass die gesellschaftlichen Strukturen noch nicht vorhanden waren. Heute gibt es dafür keine plausible Erklärung mehr. Außer, dass wir Frauen uns selbst noch viel mehr sichtbar machen müssen.
In der Politik ist das nicht so einfach, denn die ist in vielen Bereichen nach wie vor von Männern dominiert. Woran liegt das? Ist die Gesellschaft in Deutschland so rückständig?
Jasper-Winter: Es gibt weiterhin ein sehr traditionelles Bild von der Frau – auch als Mutter. Und dieses Bild besteht in den Köpfen von vielen Frauen und Männern. Es sorgt dafür, dass die Aufgabenverteilung zwischen Männern und Frauen, wenn es um Familienarbeit geht, wie zementiert erscheint. Zum Beispiel bei der sogenannten Care-Arbeit – diese Tätigkeiten in der Familie werden immer noch mehrheitlich von Frauen ausgeübt und oft von außen gar nicht als Arbeit wahrgenommen.
Also müsste man die Strukturen verändern?
Jasper-Winter: Ich bin sehr dafür, Strukturen zu verändern, denn damit ändert sich oft auch das Bewusstsein. Und es geht darum, Anreize dafür zu setzen, dass uns Dinge bewusst werden. Zum Beispiel die ungleiche Bezahlung im Job, die ja immer noch besteht. Unternehmen sollten selber ihren Gender Pay Gap ausrechnen müssen. Das sorgt schon für ein stärkeres Umdenken.
Also ist nicht das Ehegattensplitting das Problem?
Jasper-Winter: Der erste Schritt sollte die Abschaffung der Lohnsteuerklassen drei und fünf sein. Perspektivisch gehört dann das Ehegattensplitting abgeschafft, allerdings mit Übergangsfristen. Entweder geht man dann den Weg über das Familiensplitting, um Familien mit Kindern einen steuerlichen Vorteil zu bieten. Oder es gibt eine Individualbesteuerung. Auch das wäre ein liberaler Weg.
Nun entwickelt sich die Gesellschaft ja langsam weiter. Männer übernehmen mehr und mehr Haushalt und Kinderbetreuung – sicher nicht so viel wie in anderen Ländern wie in Skandinavien, aber immerhin.
Jasper-Winter: Wenn es zu einer Familiengründung kommt, sind es in erster Linie die Frauen, deren berufliche Karriere ins Stocken gerät. Und sie sind auch diejenigen, die später öfter unter Altersarmut wegen einer geringeren Rente leiden. Deswegen muss man sich schon die Frage stellen, -ob es gute Rahmenbedingungen gibt für eine qualitativ gute Kinderbetreuung. Nicht irgendeinen Kitaplatz und oder eine Nachmittagsaufbewahrung an Ganztagsschulen, sondern einen guten Bildungsort, an dem eine gute -Betreuung möglich ist.
Das ist in vielen Städten und sogar in den Großstädten ein großes Problem.
Jasper-Winter: In Berlin gibt es Ganztagsschulen und Kindergartenplätze, aber die Qualität ist manchmal nicht so gut. Hinzu kommt, dass der Ausbau von Kita-Plätzen viel zu schleppend verläuft, weil das Land Berlin zum Beispiel freie Träger beim Kita- oder Schulausbau nicht genauso berücksichtigt wie die staatlichen Träger.
Ich bin sehr dafür, Strukturen zu verändern, denn damit ändert sich oft auch das Bewusstsein.
Aber auch der Ausbau der Infrastruktur führt nicht -alleine dazu, dass sich mehr Väter kümmern …
Jasper-Winter: Väter nehmen im Schnitt zwei Monate Elternzeit, also höchstens die üblichen Vätermonate. Deshalb will die Ampel das Elterngeld auf mindestens drei Monate ausweiten, die der jeweils andere Partner nehmen muss. Das ist im Koalitionsvertrag verankert.
Nun gibt es auch andere Bereiche, in denen Frauen sich schwertun, beispielsweise bei der Gründung von Unternehmen?
Bruns: Das Problem haben wir hauptsächlich im Bereich der Start-up-Gründungen. Glaubt man den Zahlen, sind nur etwa 20 Prozent der Start-up-Gründer Frauen. Insgesamt sind aber etwas mehr als 40 Prozent der Gründer weiblich. Allerdings bleiben Freiberuflerinnen und Frauen, die sich anderweitig selbstständig machen, in der öffentlichen Debatte oft unsichtbar. Wenn ich beispielsweise als Grafikdesignerin selbstständig arbeiten will, ohne direkt den Bau eines Unternehmens zu planen, das den Weltmarkt angreift, dann bin ich genauso Gründerin. Ich finde es schwierig, den Frauen zu sagen: „Frauen, ihr müsst jetzt alle so gründen, wie die Männer das schon immer machen.“
Es gibt ja empirische Daten, die belegen, dass es für Frauen schwerer ist, Kapital für eine Gründung zu erhalten.
Bruns: Ja, die gibt es, aber das reicht nicht aus als Erklärung. Und es ist nur ein Teil der Wahrheit. Ehrlicher wäre es auch zu sagen, Frauen gründen häufiger mit Geschäftskonzepten, die sich nicht so skalieren lassen. Es tragen viele Faktoren dazu bei, ob in eine Idee investiert wird, oder nicht.
Was für ein Potenzial geht da verloren! Denn die ganze Arbeitswelt diskutiert unter „New Work“ mehr Flexibilität und mehr Diversität, sogar große öffentliche Unternehmen.
Jasper-Winter: Etliche Studien zeigen, dass solche vielfältigen und flexiblen Unternehmen erfolgreicher sind, weil unterschiedliche Perspektiven zusammenkommen. Insofern finde ich schon, dass man auch dort diese alte Arbeitswelt verändern muss. Denn wenn sehr viele Männer eines bestimmten Alters und einer bestimmten Herkunft mit einem bestimmten Background in Führungspositionen sind, dann ist es völlig voraussehbar, dass ähnliche Männer nachziehen und aufsteigen. Diesen Automatismus muss man durchbrechen.
Politisch lässt sich bereits viel ändern. Zum Beispiel, indem wir schon in der Schule bei den Lehrplänen ansetzen.
Maren Jasper-Winter ist Abgeordnete für Berlin-Mitte im Berliner Abgeordnetenhaus. Sie ist Sprecherin der FDP-Fraktion für Integration, Arbeit, Frauen und berufliche Bildung.
Wen man sich das anhört, dann klingt das etwas resigniert …
Bruns: Ich würde doch auch nicht den alten Laden der Männer aufräumen wollen. Mein Appell ist daher: Lasst uns eine neue Arbeitswelt bauen, in der es möglich ist, Kinder zu kriegen und die Familie mit dem Beruf zu vereinbaren. Eine Welt, in der wir anders gründen, in der wir selbst investieren können und in der wir uns mehr Freiräume geben. Allerdings bin ich da skeptisch: Diese Diskussion wird kaum geführt.
Werden solch radikalen Rufe nach einer neuen Arbeitswelt gehört?
Bruns: Die Auswirkungen einer unselbstständigen Gesellschaft können wir uns nicht länger leisten. Wir hatten jetzt eine lange Zeit, wo wir alle sozusagen eine Anpassungskarriere durchziehen konnten. Ich finde aber, jetzt ist die Zeit gekommen, dass wir als Einzelne und als Gesellschaft stärker unternehmerisch denken. Wir brauchen eine wirklich neue, realistische Aufstiegserzählung. Und da spielen das Unternehmertum und eigenständiges Arbeiten und New Work eine zentrale Rolle. Selbst wenn wir vieles aus der alten Arbeitswelt hinüberretten können, wird unser Erwerbsleben in Zukunft nicht mehr auf Sicherheit gehen können. Dafür müssten Liberale viel radikaler streiten.
Jasper-Winter: Hinzu kommt, dass wir uns in Zeiten des Fachkräftemangels kein „weiter so“ erlauben können. Ich komme aus einem Energieversorgungsunternehmen, da weiß ich, wie händeringend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Energietechnik gesucht werden.
Lasst uns eine neue Arbeitswelt bauen, in der es möglich ist, Kinder zu kriegen und die Familie mit dem Beruf zu vereinbaren.
Catharina Bruns ist Kreative, Unternehmerin, Autori und gilt als wichtige Stimme für die Selbstständigkeit.
Was müsste da getan werden?
Jasper-Winter: Politisch lässt sich da bereits viel ändern. Zum Beispiel, in dem wir schon in der Schule ansetzen und Kindern selbstständiges Arbeiten, sogenannte Entrepreneurship Education, näherbringen. Gerade für Kinder und Jugendliche aus prekären Verhältnissen könnten solche Projekte viel Positives bringen, und sie könnten sich noch einmal von einer ganz anderen Seite zeigen. Ich fände es gut, wenn wir in jeder Schule eine richtige Werkstatt einrichten mit Werkunterricht. Dazu kommen Botschafterinnen und Botschafter an die Schulen, die für eine duale Ausbildung werben oder für einen Studiengang in einem MINT-Fach. Das könnten auch Unternehmerinnen oder Gründerinnen sein.
Bruns: Wir brauchen vor allem unternehmerisches Denken in der Schule. Das Gute an solch einer „Entrepreneurship Education“ ist ja, dass man unternehmerische Denkweisen und Handlungsprinzipien vermittelt. Jede Schülerin und jeder Schüler kann sich als Gestalter wahrnehmen – und zwar abseits der schulischen Fähigkeiten, die sie sonst erlernen müssen.
Jasper-Winter: Ziel ist doch, dass die Schülerinnen und Schüler anschließend mit einem guten Selbstbewusstsein in die Welt gehen und sagen: „Ich gestalte den Arbeitsmarkt mit. Ich bin hier nicht passiv und warte, bis mir jemand Arbeit zuteilt. Sondern ich gestalte mit. Ich kann unternehmerisch tätig werden oder mich für ein Unternehmen entscheiden.
Nun hat sich die Ampel die Erneuerung des Landes auf die Fahnen geschrieben …
Bruns: Wir brauchen Rahmenbedingungen, die uns unabhängig sein lassen und dafür sorgen, dass Menschen sich entfalten können. Aufstieg und Leistungslust müssen wieder positive Kategorien werden. Und diesen Aspekt sehe ich im Augenblick nicht mehr. Es geht nur noch um Umverteilung und höhere Steuern für vermeintlich Reiche. Dabei hat der Staat gar kein Problem mit seinen Einnahmen. Auf der anderen Seite haben wir eine Bevölkerung, die keine sehr umfassende ökonomische Bildung hat, was natürlich in Abhängigkeiten führt und keine großen Träume, für die sich der Einsatz lohnt. Wir sollten uns mehr um Befähigung kümmern, als immer wieder zu versprechen, dass der Staat alle Probleme löst.
Jasper-Winter: Ich finde, eine solche Pauschalkritik geht an der Lebensrealität vorbei. Wenn ich als alleinerziehende Mutter in Berlin lebe und meine Kinder noch in die Schule gehen, dann treffen mich die Inflation und die hohen Energiepreise besonders stark. Deshalb ist es bei aller Kritik an einzelnen Maßnahmen gut, dass die Bundesregierung die Menschen so unterstützt, wie sie es jetzt tut. Und den Bürgerinnen und Bürgern traue ich durchaus zu, dass sie für sich eigenverantwortlich und vernünftig wirtschaften.
Eva Cheung ist Marketing-Referentin bei der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Berlin.
Anders Mertzlufft ist Chefredakteur des Magazins „Liberal“, Leiter Kommunikation und Pressesprecher der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Berlin.
Eva Cheung ist Marketing-Referentin bei der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Berlin.
Anders Mertzlufft ist Chefredakteur des Magazins „Liberal“, Leiter Kommunikation und Pressesprecher der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Berlin.
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