RENTENREFORM
Die anstehende Rentenreform sorgt für massive Unruhe. Viele Franzosen fühlen sich durch einen übereilten Umbau ihrer Altersvorsorge bedroht. Opposition und Gewerkschaften wollen die Proteste ausweiten.
Text: Cécile Calla
RENTENREFORM
Die anstehende Rentenreform sorgt für massive Unruhe. Viele Franzosen
fühlen sich durch einen übereilten Umbau ihrer Altersvorsorge bedroht. Opposition und Gewerkschaften wollen die Proteste ausweiten.
Text: Cécile Calla
Frankreich wird erneut von einer weitreichenden sozialen Krise erschüttert. Auslöser des Konflikts ist die von der Regierung Emmanuel Macrons durchgesetzte aktuelle Reform der Alters-vorsorge mit einer Anhebung des Renteneintrittsalters und einer Verlängerung der Beitragszeit. Der französische Präsident hatte Ende Dezember 2022 erklärt, er wolle das umlagefinanzierte System „retten“, um „unser Umverteilungsmodell zu bewahren“ und das Budget auszugleichen. Der Widerstand ist groß: Drei Viertel der Franzosen sind gegen diese Reform. Die oft gespaltenen Gewerkschaften lehnen das Vorhaben geschlossen ab. Nachdem die Regierung das Gesetz ohne Votum in der Nationalversammlung durchgedrückt hat, kommt es zu massiven Protesten. Sie erinnern an die Proteste der Gelbwesten, die 2018 das Land in Aufruhr versetzten.
Von den Nachbarn wie Deutschland oder Spanien aus gesehen, mag der massive Widerstand überraschen. Vor allem, weil die über 65-Jährigen in Frankreich im Vergleich zu anderen reichen Ländern den höchsten relativen Lebensstandard aufweisen, wie die Rentenkommission COR in ihrem jüngsten Bericht festhält. In Frankreich beruht die Altersvorsorge auf drei Säulen: Das sogenannte Grundsystem, ist verpflichtend und umlagefinanziert. Die zweite Säule besteht aus einem ebenfalls umlagefinanzierten obligatorischen Zusatzsystem. Dazu kommt ein freiwilliges kapitalgedecktes Zusatzversorgungssystem als dritte Säule. Doch die Alterung der Bevölkerung, der Rückgang der Geburtenrate und die sich Rentenansprüche der Babyboomer setzen die Vorsorge unter Druck. Hinzu kommt, dass die Beschäftigungsquote von Älteren in Frankreich niedrig ist.
Vor allem ein Aspekt bringt die Menschen auf: die Änderung der Beitragsdauer. Neben dem Referenzeinkommen entscheiden Beitragsdauer und Eintrittsalter über die Rentenhöhe. Nach der Reform sollen Franzosen erst nach 43 Jahren Beitragszahlungen statt heute 42 Jahren und frühestens mit 64 Jahren statt 62 ohne Abschläge in Rente gehen. Vor allem Frauen und Menschen, die in anstrengenden Berufen oder früh angefangen haben zu arbeiten, fühlen sich ungerecht behandelt. Frauen, die sich bereits durch einen kinderbedingten Karriereknick und ein niedrigeres Rentenniveau als Männer benachteiligt fühlen, müssten nach der Reform länger arbeiten. Auch wer mit 20 oder 21 Jahren berufstätig wurde, muss länger warten. Und schließlich werden die Härtefälle vergangener Rentenreformen nicht mehr berücksichtigt. Für Präsident Emmanuel Macron ist das Reformprojekt der Hebel zur Finanzierung von anderen Vorhaben. Doch noch ist kein Ende des Streits in Sicht. Die Opposition und die Gewerkschaften drohen damit, die Proteste auszuweiten.
Cécile Calla ist Journalistin und Sachbuchautorin. Sie war Korrespondentin der französischen Tageszeitung „Le Monde“ und Chefredakteurin des deutsch-französischen Magazins „ParisBerlin“.
Cécile Calla ist Journalistin und Sachbuchautorin. Sie war Korrespondentin der französischen Tageszeitung „Le Monde“ und Chefredakteurin des deutsch-französischen Magazins „ParisBerlin“.
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