Gesellschaft
Frauenbewegung und Liberalismus - geht das zusammen? Sehr gut sogar, wie die Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland zeigt. Denn viele ihrer früheren Persönlichkeiten waren mit verschiedenen liberalen Strömungn eng verbunden. Drei von ihnen stellen wir hier vor.
Text: Karen Horn
Illustration: Sasan Saidi
Gertrud Bäumer und der Völkerbund
Die 1873 in Hohenlimburg geborene Pfarrerstochter wurde Lehrerin und zog 1898 nach Berlin, wo sie mit dem Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenverein (ADLV) unter Leitung von Helene Lange in Kontakt kam. Sie wurde deren Assistentin und Lebensgefährtin. Per Ausnahmegenehmigung konnte sie in Berlin Theologie, Germanistik, Philologie und Nationalökonomie studieren und wurde 1904 promoviert. Rasch entwickelte sie sich zu einer zentralen Figur der Frauenbewegung; 1910 bis 1919 war sie Vorsitzende des Bundes Deutscher Frauenvereine (BDF). Sie gehörte 1918 zu den ersten Mitgliedern der DDP und zog in die Verfassungsgebende Nationalversammlung ein. 1920 wurde sie als Ministerialrätin für Jugendwohlfahrt und Schulwesen ins Reichsinnenministerium berufen. Von 1920 bis 1930 war sie DDP-Vizevorsitzende und von 1926 bis 1933 Delegierte der Reichsregierung in der Kommission für soziale und humanitäre Fragen beim Völkerbund. Aus dem Staatsdienst wurde die Pädagogin 1933 wegen „politischer Unzuverlässigkeit“ entlassen. Daraufhin zog sie sich auf ein schlesisches Gut zurück und schrieb historische Romane. Gertrud Bäumer starb 1954 in Bethel.
Marie-Elisabeth Lüders und die Gleichstellung
Die 1878 in Berlin geborene Beamtentochter kam früh mit der Frauenbewegung in Berührung und schloss sich dem Bund Deutscher Frauenvereine (BDF) an. Sie erkämpfte sich als eine der ersten Frauen den Zugang zur Berliner Universität. Dort studierte sie Nationalökonomie und Staatswissenschaft und wurde 1912 promoviert – als erste Frau in Deutschland. Nach Tätigkeiten in Wohnungsverwaltung und Frauenfürsorge leitete sie 1916 das neue Frauenreferat im Preußischen Kriegsministerium. Sie gehörte zu den ersten Mitgliedern der DDP und rückte nach Friedrich Naumanns Tod als Abgeordnete in die Verfassungsgebende Nationalversammlung nach. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg gelangte sie – für die FDP – für zwei Legislaturperioden ins Parlament. Für sie waren Frauenrechte einfach Menschenrechte. Zeit ihres Lebens kämpfte Lüders für eine reale Gleichstellung nicht nur in allgemeinen Verfassungsprinzipien, sondern in rechtlichen Details – beispielsweise im Familienrecht der Bundesrepublik, wo sie eine Verfassungsbeschwerde gegen das väterliche Letztentscheidungsrecht über die Kinder initiierte. Sie starb 1966 in Berlin.
Elly Heuss-Knapp und die „soziale Frage“ der Frauen
Geboren 1881 in Straßburg, wuchs Elly Knapp in großbürgerlichen Verhältnissen auf. Sie wurde Lehrerin. Ehrenamtlich engagierte sie sich im städtischen Armenwesen und erkannte die Bedeutung von Bildung für die Überwindung der „sozialen Frage“. 1905 nahm sie ein Studium der Volkswirtschaftslehre auf, erst in Freiburg, dann in Berlin. Dort suchte sie die Nähe Friedrich Naumanns und arbeitete an dessen Zeitschrift und Sozialprojekten mit. Bei ihm lernte sie den Kulturredakteur Theodor Heuss kennen, den sie drei Jahre später heiratete. Nach dem Ersten Weltkrieg trat Elly Heuss-Knapp, die inzwischen eine „Bürgerkunde und Volkswirtschaftslehre für Frauen“ veröffentlicht hatte, der DDP bei. Sie kandidierte zweimal als Abgeordnete. In der Zeit des Nationalsozialismus hielt sie als Pionierin neuer Formen audiovisueller Werbung ihre Familie über Wasser. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde sie für die DVP in den Landtag Baden-Württembergs gewählt. Als ihr Mann deutsches Staatsoberhaupt wurde, knüpfte sie als „First Lady“ an ihre früheren sozialpolitischen Aktivitäten für Frauen an und schuf das Müttergenesungswerk. Sie starb 1952 in Bonn.