Gesellschaft
Unser Autor beobachtet unter den Jüngeren eine zunehmende Angst vor dem Telefonieren. Die müssten sie überwinden.
Text: Felix Langrock
Was tun, wenn man vor etwas Angst hat? Sinnvollerweise stellt man sich ihr und überwindet sie. Wenn freilich viele Menschen, zumal im selben Alter, von derselben Angst geplagt sind, dann wird es nicht einfacher, sie zu überwinden – zum Beispiel die Angst vor dem Telefonieren. Kollektive Angst davor breitet sich gerade unter uns Jugendlichen aus.
Älteren mag das merkwürdig erscheinen: Wie kann es sein, dass Jugendliche wie wir große gesellschaftliche Probleme im Internet und auf der Straße mühelos ansprechen, aber nicht selbstbewusst mit anderen Leuten telefonieren? Die Antwort ist nicht kompliziert: Wir sind es einfach nicht mehr gewohnt. Studien zeigen, dass 95 Prozent der 12- bis 19-Jährigen lieber WhatsApp-Nachrichten oder Onlineformulare nutzen, als zu telefonieren. Das Telefon erscheint uns überflüssig. Doch wenn man etwas nicht braucht, benutzt man es kaum. Wenn man etwas kaum benutzt, entsteht Unsicherheit im Umgang damit. Und Unsicherheit kann sich zur Angst auswachsen – hier eben zur Telephobie.
Aber das ist schade. Auch wenn WhatsApp-Nachrichten einfacher und unkomplizierter sind, sollten wir dem Telefon nicht vollständig den Rücken kehren. Denn jemanden „an der Strippe“ zu haben, wie man früher zum Telefonieren sagte, als es noch keine Handys gab, hat seine guten Seiten. Wir können uns am Telefon direkt mitteilen – also genau das tun, was wir Jugendliche in Diskussionsrunden im Internet oder bei Protesten auf der Straße schon seit Monaten erfolgreich praktizieren. Wir können anderen Menschen unsere Meinung, unsere Argumente näherbringen. Das Telefonieren bietet eine Chance, ins Gespräch zu kommen. Und dabei können wir gleichzeitig lernen, konzentriert zuzuhören und schlagfertig zu antworten. Das sind wichtige Kompetenzen, die in allen Lebensbereichen helfen.
Video: Felix Langrock
https://dl.dropboxusercontent.com/s/j2497i4blu7gbu9/VideoKolumneTrim.mp4?dl=0
„Am Telefon können wir diejenigen Fähigkeiten ausbauen, die wir in Diskussionen und Protesten im Internet und auf der Straße unter Beweis gestellt haben.“
Am Telefon können wir also genau diejenigen Fähigkeiten weiter ausbauen, die wir in Diskussionen und Protesten im Internet und auf der Straße bereits unter Beweis gestellt haben. Wir sind doch eigentlich eine selbstbewusste Generation. Dieses Selbstbewusstsein sollten wir nutzen und uns das Telefonieren als tägliches Mittel des Austausches wieder aneignen.
Natürlich wird es sich für uns Jugendliche auch dann nicht zur angenehmsten Art entwickeln, uns mit anderen Leuten auszutauschen. Aber wenn wir es schaffen, die Hemmschwelle zu überwinden, können wir zu Vorbildern für den Umgang mit Ängsten sein und vielleicht auch Mitglieder der älteren Generation ermutigen, sich ihren Ängsten oder Vorbehalten zu stellen – und sie abzulegen.
Aber erst einmal müssen wir Jugendliche selbst unsere Angst überwinden. Daher also lieber mal quatschen statt tippen!
Felix Langrock besucht die gymnasiale Oberstufe und bloggt in seiner Freizeit über Wirtschaft und Politik.