CLUB OF ROME

50 Jahre Weltuntergang

Der Bericht des Club of Rome entfachte eine Debatte über die Zukunft der Erde. Die Apokalypse blieb aus – aber die Furcht davor fesselt uns weiter.

TEXT: CONSTANTIN ECKNER

Sitzung des Club of Rome 1974 in Berlin. Im Vordergrund der niederländische Entwicklungsökonom Hans Linnemann.
Sitzung des Club of Rome 1974 in Berlin. Im Vordergrund der niederländische Entwicklungsökonom Hans Linnemann.

CLUB OF ROME

50 Jahre Weltuntergang

Der Bericht des Club of Rome entfachte eine Debatte über die Zukunft der Erde. Die Apokalypse blieb aus – aber die Furcht davor fesselt uns weiter.

TEXT: CONSTANTIN ECKNER

New York City 2022. „Nothing runs anymore. No-thing works. But the people are the same and the people will do everything to get what they need“, heißt es im Trailer des Science-Fiction-Films „Soylent Green“ von 1973. Der Streifen gilt als erste filmische Ökodystopie und traf den Zeitgeist wie kaum eine andere Hollywood-Produktion. Die erste Hälfte der 70er-Jahre stand insbesondere in den USA im Zeichen eines wachsenden Umweltbewusstseins, dem die Nixon-Regierung mit ersten weitreichenden regulatorischen Eingriffen Rechnung trug. Dieses Bewusstsein war nicht ganz zufällig entstanden, sondern es ergab sich gleichsam als Konsequenz der ökonomisch erfolgreichen Nachkriegsjahre. Die Generation der Babyboomer war im Wohlstand aufgewachsen und pflegte postmaterielle Werte, zu denen auch eine intakte Umwelt gehörte, wie der Münchner Nordamerika-Historiker Uwe Lübken erklärt. Hinzu kam neugewonnene Freizeit, sodass viele amerikanische Familien die Natur außerhalb der urbanen Metropolen für sich entdeckten. So entstand Empathie und zugleich Sorge um ebendiese Natur. 

Auch im internationalen Maßstab tat sich einiges während der ausgehenden 60er- und der beginnenden 70er-Jahre: Greenpeace gründete sich, und die Ölkrise machte den Menschen die Endlichkeit der fossilen Energieträger bewusst. Die Entstehung des Club of Rome auf Initiative des Fiat-Managers Aurelio Peccei verdeutlicht, wie auch in der Industrie Sorge um die Zukunft des Planeten aufkam. Fünf Jahre nach dem ersten Treffen des Club of Rome erschien öffentlichkeitswirksam seine Publikation „The Limits to Growth“.

Grenzen des Wachstums

Dabei handelte sich um eine kybernetische Simulation zur Zukunft der Erde auf Basis des Weltmodells von Jay Wright Forrester, eines amerikanischen Informatikers. Heute rufen die Schlussfolgerungen der Forschung oft nur ein Schmunzeln hervor, aber damals erregten sie Aufsehen. Im Bericht heißt es: „Sollten sich die aktuellen Trends in Sachen Weltbevölkerung, Industrialisierung, Verschmutzung, Nahrungsproduktion und Ressourcenausbeutung unverändert fortsetzen, sind die Grenzen des Wachstums auf dem Planeten innerhalb der nächsten 100 Jahre erreicht. Das wahrscheinlichste Resultat wird ein recht schneller und unkontrollierter Rückgang der Bevölkerung und der Industriekapazitäten sein.“

Diese Aussage wurde zu einem Fundament der zunehmenden Wachstumskritik, wie sie von nun an aus der gesellschaftlichen Mitte erklang. Die Kritik richtete sich gegen exponentielles wirtschaftliches Wachstum; die Forderungen umfassten eine stärkere Regulierung von Industrie und industrienahen Wirtschaftszweigen, deren Vertretern man unterstellte, nahezu ungezügelt nach mehr Wachstum und damit auch immer höheren Umsätzen zu streben. Neben der wissenschaftlichen Diskussion, die der Bericht des Club of Rome angefacht hatte, und einer politischen Diskussion in Washington breitete sich auch in der amerikanischen Popkultur ein neuer Trend aus. „Soylent Green“ war da nur der Anfang. Es folgten Filme, Songs und Bücher – ein ganzes Genre namens „Climate Fiction“ entstand. Das Muster war immer ähnlich: Die Welt steht am Abgrund und wird unweigerlich untergehen, wenn die Menschen ihr Handeln nicht schleunigst überdenken und vor allem ändern. In vielen apokalyptisch geprägten Werken waren zudem meist größere Strippenzieher am Werk, beispielsweise einflussreiche Konzerne und ihre Eigentümer, die sich nicht um die Umwelt oder das Wohlergehen der Menschen insgesamt scherten, sondern nur auf die Vermehrung von Geld- und Macht aus waren.

Das Apokalyptische erwies sich als ein Verkaufsschlager – und das ist kein Wunder, denn mit Untergangsszenarien sind alle vertraut. Mit mythischen oder religiösen Erzählungen kommen die meisten Menschen in der Regel während ihres Heranwachsens in Berührung. In der Bibel zum Beispiel findet sich die Sintflut, und in anderen religiösen Schriften ist von vergleichbar vernichtenden Szenarien zu lesen. Diese unterbewusste Vertrautheit verstärkt die Faszination. Und obwohl Hollywood-Blockbuster oft unrealistische Darstellungen präsentieren, haben auch sie zur Furcht vor tiefen Verwerfungen auf dem Planeten und damit auch zur Wachstumsskepsis beigetragen. Geändert hat sich im Filmischen und Literarischen seit „Soylent Green“ wenig – lediglich der Maßstab, der sich vom Regionalen zum Globalen erweitert hat.

Das Apokalyptische erwies sich für Hollywood, Verlage und Plattenfirmen als Verkaufsschlager.

Das Apokalyptische erwies sich für Hollywood, Verlage und Plattenfirmen als Verkaufsschlager.

Ruf nach staatlicher Regulierung

Sowohl popkulturell als auch politisch waren die Vereinigten Staaten den Europäern anfangs voraus. Aber bald setzten sich die Menschen auch auf dem hiesigen Kontinent verstärkt mit schweren Umweltschäden auseinander, was auf der westlichen Seite des Eisernen Vorhangs partiell mit recht hohem Wohlstand einherging. In der Folge nahm die Wachstumsskepsis in der gesellschaftlichen Mitte zu. Sie ist heute fester Bestandteil des politischen Diskurses. Auch in Europa folgte daraus der politische Ruf nach mehr staatlicher Regulierung und nach einer Verengung des Handlungsspielraums für die Industrie. Ebenso waren auf einmal Untergangsszenarien en vogue, als Prognosen in Dossiers, als Anker in der politischen Rhetorik oder auch als Plot in Filmen und Büchern.

Ob sich die Untergangsprognosen als richtig oder falsch erweisen, spielt in der öffentlichen Wahrnehmung keine entscheidende Rolle. Das 50 Jahre alte Szenario aus „Soylent Green“ für New York City im Jahr 2022 ist nicht ansatzweise eingetreten. Auch ein „recht schneller und unkontrollierter Rückgang der Bevölkerung und der Industriekapazitäten“, wie ihn der Club of Rome kommen sah, ist ausgeblieben. Doch Furcht und Faszination der Apokalypse sind so stark wie immer: Sie sind in der Mitte der Gesellschaft verankert und gehören wohl zu uns.

Siehe auch die Buchbesprechung auf folgender Seite:

Siehe auch die Buchbesprechung auf folgender Seite:

Constantin Eckner ist Journalist sowie Radio- und Fernsehmoderator. Er arbeitet unter anderem für den Deutschlandfunk und für die BBC.

Constantin Eckner ist Journalist sowie Radio- und Fernsehmoderator. Er arbeitet unter anderem für den Deutschlandfunk und für die BBC.

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