UPDATE
Die Welt war schon immer auch ein Ort voller Schrecken. Medien bringen sie nun ungefiltert ins Haus, dauernd und in Echtzeit.
TEXT: MICHAEL HIRZ
REZENSION
Die Welt war schon immer auch ein Ort voller Schrecken. Medien bringen sie nun ungefiltert ins Haus, dauernd und in Echtzeit.
TEXT: MICHAEL HIRZ
Gehört Depression zum Geschäftsmodell der Medien? Zumindest ist sie der vermutlich häufigste Kollateralschaden, Folge eines ununterbrochenen Stakkatos von Nachrichten über Krieg, Klimakatastrophe, Inflation und Hungersnöte. Corona? War gestern. Als Thema liegt es jetzt (zumindest vorläufig) neben den anderen Ladenhütern des Medienangebots in den hinteren Regalen, gleich neben Weltfinanzkrise, Fukushima, Terroranschlägen, Euro-Rettung.
Katastrophen sind das verlässliche Wirtstier der Medien. Fernsehen und Radio, Websites und soziale Medien brauchen sie wie der Süchtige die Droge. Sie schaffen Aufmerksamkeit, Klicks, Quote; sie sichern die schnellen Gewinne. Nie hatten sie es leichter. Nie konnten schneller Ereignisse von den entferntesten Winkeln der Welt in Echtzeit ein Publikum finden, das per Smartphone 24 Stunden am Tag erreichbar ist. Die Welt war zwar schon immer auch ein Ort voller Schrecken. Aber der Horror blieb ganz überwiegend weit auf Distanz, wenn wir überhaupt etwas davon mitbekamen – obendrein mit beruhigendem Zeitverzug. Das ist endgültig vorbei. Heute kommt die Welt direkt ins Haus, dauernd und in Echtzeit.
Die großen Plattformen der sozialen Medien von Facebook bis Twitter programmieren ihre Algorithmen so, dass die Nutzerinnen und Nutzer möglichst lange auf den Seiten bleiben. Das geht mit allem, was aufregt und ängstigt: So funktioniert der Mensch seit der Steinzeit. Nur wer weiß, was an Schrecklichem herannaht, hat eine Überlebenschance. Das ist die evolutionäre Logik. Aber in einer Welt, die nicht mehr hinter den nächsten Hügeln endet, wird sie kontraproduktiv. Beim Bombenanschlag auf den Boston-Marathon reagierten die intensiven Mediennutzer durch die Berichterstattung stärker mit Symptomen als die Menschen, die vor Ort waren, wie eine amerikanische Studie ergeben hat. Eine bittere Pointe.
Das Ergebnis des übermäßigen Nachrichtenkonsums ist Erschöpfung, wie die Stressforschung zeigt. Der Dauerbeschuss mit schlechten Nachrichten weckt in uns ein Gefühl von Hilflosigkeit. Wieder ein Flüchtlingsboot im Mittelmeer gekentert? Die Abholzung des überlebenswichtigen Regenwalds schreitet beschleunigt fort? Das produziert ohnmächtige Angst und macht die Seele krank. Die viel beklagte Abstumpfung wirkt dann fast wie ein Gegenmittel, mit dem sich die überforderten Medienkonsumenten schützen. Aber eine dauerhafte Hilfe ist das natürlich nicht, weder für den Einzelnen noch für die Gesellschaft oder gar für die Lösung von Problemen und Konflikten. Was also tun in einer Zeit, wo auch Kriege medial ausgetragen werden? Man denke nur an die sich gegen den russischen Überfall verzweifelt wehrende Ukraine, deren Präsident es meisterhaft versteht, über Bewegtbilder und Twitter die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit zu fesseln.
Hier setzen Auftrag und Verantwortung des Journalismus ein. Es gilt, nicht atemlos immer neue News-Häppchen zu servieren, sondern mit akribischer Recherche, gründlichen Faktenchecks und stichhaltigen Reportagen Hintergründe auszuleuchten, Einordnungen zu ermöglichen, kurz: einen substanziellen Beitrag zur Mündigkeit zu leisten. Beispiele zeigen, dass sich das auch rechnen kann. Und ein Mittel -wider den kollektiven Blues wäre es auch.
Es gilt, nicht atemlos immer neue News-Häppchen zu servieren, sondern einen substanziellen Beitrag zur Mündigkeit zu leisten.
Es gilt, nicht atemlos immer neue News-Häppchen zu servieren, sondern einen substanziellen Beitrag zur Mündigkeit zu leisten.
Thomas Weber, Professor für internationale Politik, fordert eine Neu-Orientierung des „Westens“: Wir müssen stärker mit den Demokratien in Asien und im globalen Süden kooperieren – etwa mit Freihandel, bei der Energieversorgung und im Kampf gegen Armut.
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