Wassermanagement
Während der sommerlichen Hitzewellehaben viele Menschen in Europa eine Abkühlung herbeigesehnt. Dank Klimaanlagen, Ventilatoren und vollen Supermärkten kommen wir bei ausbleibenden Regenfällen schon für eine Weile klar. Mutter Natur hat es nicht so leicht, wenn Regen über Jahre ausbleibt.
Text: Constantin Eckner
Wassermanagement
Während der sommerlichen Hitzewellehaben viele Menschen in Europa eine Abkühlung herbeigesehnt. Dank Klimaanlagen, Ventilatoren und vollen Supermärkten kommen wir bei ausbleibenden Regenfällen schon für eine Weile klar. Mutter Natur hat es nicht so leicht, wenn Regen über Jahre ausbleibt.
Text: Constantin Eckner
Europa leidet seit geraumer Zeit unter Wassermangel. Laut der Europäischen Dürrebeobachtungsstelle (EDO) sind 37,3 Prozent Europas in „warning conditions“ und von Dürre bedroht, weil Niederschläge dauerhaft ausbleiben. Für 10,2 Prozent der Flächen gilt bereits der höhere Alarmzustand. Schon 2022 hatte der bis dahin heißeste Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnungen auf dem Kontinent eine Trockenheit ausgelöst, die als die wohl schlimmste seit wenigstens fünf Jahrhunderten galt. Dieses Jahr fällt – Stand jetzt – ähnlich heftig aus.
Das zeigt sich beispielsweise in Südeuropa, wo die landwirtschaftliche Produktion essenziell für den europäischen Kontinent ist. Spanien etwa produziert ein Drittel des Obstes in der EU und verzeichnete bis zum Beginn des Sommers weniger als die Hälfte des durchschnittlichen Niederschlags. Tausende Menschen waren zeitweilig auf Trinkwasserlieferungen per Lastwagen angewiesen. Bereits im April bat die spanische Regierung die EU um 450 Millionen Euro Soforthilfe. In den Pyrenäen wiederum hatten französische Präfekturen die höchste Alarmstufe für Trockenheit ausgerufen und den „nicht-essenziellen Wasserverbrauch“ eingeschränkt, beispielsweise das Bewässern von Feldern und Gärten sowie das Befüllen privater Schwimmbecken.
Wasserspeicherverluste und nicht nachhaltige Praktiken in Land- und Forstwirtschaft sind ein Problem.
Auch Deutschland ist von der Trockenheit erheblich betroffen. Der Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung weist für große Teile von Nord- und Ostdeutschland sowie Bayern und Baden-Württemberg eine „außergewöhnliche Dürre“ aus. Der Hydrologe Dietmar Mehl analysiert, dass „große Teile Brandenburgs, auch Teile von Sachsen-Anhalt, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und von Sachsen heute unter extremen Bedingungen leiden: Sie haben ein Minus in der klimatischen Wasserbilanz, sind streng genommen eigentlich aride Gebiete.“
Zudem ist Deutschland eines der Länder mit dem höchsten Verlust an Wasserressourcen weltweit. Jedes Jahr verliert das Land 2,5 Kubikkilometer an langfristig verfügbaren Mengen, wie aus einer NASA-Studie hervorgeht. Ein Grund dafür ist die Versiegelung des Bodens. „Der Verlust an Speicherkapazität der Landschaft aufgrund der immer noch anhaltenden Trockenlegung von Feuchtgebieten, Versiegelung von Böden, nicht nachhaltigen Praktiken in Land- und Forstwirtschaft sind ein grundlegendes Problem“, sagt Claudia Pahl-Wostl, Leiterin des Instituts für Umweltsystemwissenschaft an der Universität Osnabrück.
Hinzu kommt, dass die Wetterverhältnisse immer mehr zum Extremen neigen. Auf lange Trocken- und Hitzephasen folgen heftige Niederschläge, die der vertrocknete Boden nicht aufnehmen kann.
Diese Entwicklung stellt die Wasserbetriebe hierzulande vor immer größere Herausforderungen. Laut einer Umfrage des Branchenverbandes DVGW gab fast ein Fünftel von 360 befragten Wasserbetrieben an, im Jahr 2022 Engpässe bei der Versorgung der Haushalte und Unternehmen erlebt zu haben, weil beispielsweise Brunnen trockengefallen sind. Und ein Drittel der Unternehmen kam bei der Wasseraufbereitung ans Limit: An Spitzentagen verzeichneten sie einen Auslastungsgrad von mehr als 90 Prozent.
Wie geht effektives Wassermanagement?
Wie aber könnte ein effektives Wassermanagement angesichts wiederkehrender Dürreperioden aussehen? Grundsätzlich könnte in Ausnahmesituationen der nicht-essenzielle Verbrauch von Wasser eingeschränkt werden, auch im landwirtschaftlichen Bereich. Alternativ könnte der marktwirtschaftliche Hebel dafür sorgen, dass Landwirte und Versorger zukünftig wenigstens einen annähernd angemessenen Preis für Wasser zahlen. In den allermeisten Fällen müssen Landwirte bislang keine Gebühren zahlen. Im besten Fall würde eine solche Bepreisung zu effizienterer Bewässerung führen, allerdings würden Landwirte vermutlich steigende Kosten an Handel und Verbraucher weitergeben.
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Wir brauchen ein umfassendes, bundesweites System des Wassermanagements.
Die Situation ist allein deswegen so kompliziert, weil sich das Wassermanagement von der nationalen bis in die kommunale Ebene erstreckt, wo häufig neben der eigentlichen Gebietskörperschaft auch Zweckverbände für die Wasser- und Abwasserwirtschaft verantwortlich sind.
Langfristig braucht es daher ein integriertes Wassermanagement auf nationaler Ebene und sogar staatenübergreifend. Die Bundesregierung entwickelt seit Oktober 2018 eine Nationale Wasserstrategie, um „wasserbezogene Maßnahmen“ in Landwirtschaft und Naturschutz, Verwaltung und Verkehr, Stadtentwicklung und Industrie zu bündeln und alle Akteure an einen Tisch zu bringen. So soll ein naturnaher Wasserhaushalt und eine klimaresiliente Wasserwirtschaft entstehen. Wichtige Elemente dabei sind staatliche Förderung, rechtliche Neuregelungen sowie Wissens- und -Erfahrungsaustausch.
EU-Richtlinie zum Trinkwasser
Und vor allem an Letzterem mangelt es häufig: Kritiker verweisen darauf, dass Akteure oft nicht miteinander kommunizieren. „Wir brauchen ein umfassendes, bundesweites System des Wassermanagements“, fordert beispielsweise Martin Weyand vom Versorgerverband BDEW. „Dazu gehören Wasserbewirtschaftung ebenso wie bauliche Maßnahmen. Da muss es auch darum gehen, Überschwemmungsgebiete festzulegen und Naturkatastrophen möglichst zu verhindern.“
Auch die Europäische Kommission ist seit Langem aktiv. Mit gutem Grund, denn derzeit geht durchschnittlich fast ein Viertel des Trinkwassers in der EU während der Verteilung verloren. Mit der „Verordnung über Mindestanforderungen für die Wasserwiederverwendung“ oder der Trinkwasserrichtlinie nimmt die Union Einfluss. Dass es trotz dieser „Wasserstrategien“ weiterhin zusätzlichen politischen Druck benötigt, zeigte sich in diesem Jahr daran, dass die EU-Trinkwasserrichtlinie durch Deutschland und 19 andere EU-Staaten nur schleppend umgesetzt wurde. Brüssel startete zwischenzeitlich Vertragsverletzungsverfahren.
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Constantin Eckner ist Journalist und Moderator. Er arbeitet unter anderem für den Deutschlandfunk. Bei seinen Ausflügen in die Natur ist er oft besorgt angesichts der zuweilen niedrigen Wasserstände von Flüssen und Stauseen.
Constantin Eckner ist Journalist und Moderator. Er arbeitet unter anderem für den Deutschlandfunk. Bei seinen Ausflügen in die Natur ist er oft besorgt angesichts der zuweilen niedrigen Wasserstände von Flüssen und Stauseen.
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