MITTELSTAND

„Schluss mit dem Misstrauen“

Die Bürokratielasten für kleine und mittelständische Unternehmen nehmen immer weiter zu. Sarna Röser vom Verband „Die jungen Unternehmer“ fordert ein Belastungsmoratorium und sagt, was die Bundesregierung jetzt tun muss.

Text: Axel Novak

MITTELSTAND

„Schluss mit dem Misstrauen“

Die Bürokratielasten für kleine und mittelständische Unternehmen nehmen immer weiter zu. Sarna Röser vom Verband „Die jungen Unternehmer“ fordert ein Belastungsmoratorium und sagt, was die Bundesregierung jetzt tun muss.

Text: Axel Novak

Frau Röser, was sind aktuell die drängendsten Sorgen des Mittelstands?

Viele Unternehmen stehen gerade mit dem Rücken zur Wand: Die extrem steigenden Preise, insbesondere für Energie, aber auch für Vorprodukte, setzen die Unternehmen unter enormen Druck. Dazu kommen hohe Steuern, Lohnnebenkosten und überbordende Bürokratie. Fachkräfte fehlen an allen Ecken und Enden, Lieferketten brechen, wichtige Produkte können nicht mehr hergestellt werden.

Das ist eine alarmierende Situation!

Gerade um die energieintensiven Unternehmen und die Produktionsstandorte hier in Deutschland müssen wir uns heute Sorgen machen. Denn mit den derzeit hohen Energiekosten sind sie an ihrem heimischen Standort nicht mehr wettbewerbsfähig, während sie in anderen Ländern bei deutlich geringeren Energiekosten produzieren könnten. Großen Industrieunternehmen wird es dabei sicher deutlich leichter fallen, ihre Produktionsstandorte ins Ausland zu verlagern. Viele kleine und mittlere Unternehmen aber können das nicht, und sie wollen das in den allermeisten Fällen auch gar nicht. Sie sind als Familienunternehmen oft seit vielen Generationen vor Ort heimisch und kämpfen nicht nur um die Zukunft ihres Unternehmens, sondern auch ganz konkret um die Arbeitsplätze: Denn ihnen liegt ihre soziale Verantwortung für ihre Mitarbeiter und deren Familien besonders am Herzen.

Was erhoffen Sie sich von der Bundesregierung in dieser Situation?

Wir sollten auf allen politischen Ebenen in den Krisenmodus schalten. Das heißt, endlich ein Belastungsmoratorium für Unternehmen umzusetzen, das sicherstellt, dass bis Ende 2024 keine weiteren Belastungen wie das deutsche Lieferkettengesetz auf die Unternehmen zukommen. Und wir sollten schon jetzt für den Winter 2023/24 vorsorgen: Dazu gehört zumindest die Option eines Weiterbetriebs unserer Atomkraftwerke. Die drei Anlagen können zehn Millionen Haushalte mit Strom versorgen. Das wird jetzt mit Kohlestrom und mit dem knappen Gas ersetzt! Darum sollte die Politik vorausschauend handeln und jetzt neue Brennstäbe für die verbleibenden Atomkraftwerke bestellen, damit diese im Notfall einsetzbar sind.

Werden die Interessen der kleinen und mittleren Unternehmen in Berlin wahrgenommen?

Die Koalition hangelt sich in ihrer Mittelstandspolitik von einer Ankündigung zur nächsten. Die Umsetzung verzögert die Regierung jedoch immer mehr. Der grüne Mittelstandsbeauftragte Michael Kellner hat Anfang des Jahres zugesichert, Unternehmen künftig nicht im Stich zu lassen. Mit den ersten beiden Entlastungspaketen wurden jedoch nur staatliche Hilfen mit der Gießkanne an die Bevölkerung ausgeschüttet. Der Mittelstand wartet derweil noch immer auf das Gros der ihn betreffenden Entlastungen. Wo bleiben die laut Eigenlob der Bundesregierung „beispiellosen Unterstützungs- und Entlastungsmaßnahmen besonders auch für Unternehmen“? Die angekündigte „Superabschreibung“ jedenfalls ist noch nicht da, sondern soll zu einem „geeigneten Zeitpunkt“ kommen. In Bezug auf einen vollen Inflationsausgleich bei der Gewinnsteuer hat man „sich verständigt“. Das ist gut, aber damit ist die Entlastung noch nicht Realität.

Aufruf zum Perspektivwechsel

Vor dem Hintergrund des Krieges und der Pandemie fordern Unternehmensvertreter eine neue Wirtschaftspolitik in Deutschland. So hat der Wissenschaftliche Beirat des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) kürzlich ein Positionspapier für eine solche neue Angebotspolitik vorgelegt. Darin verlangt er eine Wirtschaftspolitik, die die Perspektive des Mittelstands weitaus stärker als bisher berücksichtigt – mit mehr unternehmerischen Freiräumen und weniger Bürokratie. In seinem Papier stellt der Verband dar, wie die neue Angebotspolitik die Grundlagen unseres Wohlstands stabilisiert. Sechs Handlungsfelder thematisiert das Papier, die von Bildung und Entrepreneurship über technologische Innovation, Klima- und Geopolitik bis zu Bürokratie und Wettbewerb reichen. Grundsätzlich fordert der Beirat mehr regulatorische Freiräume und steuerliche Anreize für unternehmerische Aktivität, mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie attraktivere Bedingungen für internationale Talente und Gründer. Mehr dazu unter www.bvmw.de

Nun schreibt sich gerade das Bundeswirtschaftsministerium auf die Fahne, sich besonders um
den Mittelstand zu kümmern.

Es hilft nicht, wenn aus dem grün geführten Wirtschaftsministerium Gesetzentwürfe kommen, die geprägt sind von Misstrauen gegenüber der Wirtschaft. Der erste Gesetzentwurf aus dem Wirtschaftsministerium zur Strompreisbremse macht es nicht besser. Besonders den energieintensiven Unternehmen sollte schnell und unbürokratisch geholfen werden. Doch wenn es nach Wirtschaftsminister Habeck geht, können die Hilfen nur unter enormem bürokratischen Aufwand beantragt werden. Bei Fehlern drohen gefährliche Haftungsfragen. Viele Mittelständler werden bei diesen Hilfsprogrammen erst gar nicht einsteigen. Wer aber die Hilfen nicht bekommt, wird seine Produktion drosseln, verlagern oder einstellen. Da ist es gut, dass sich der Mittelstand zumindest auf die FDP als Brandmauer gegen jede Steuer-erhöhung verlassen kann, während SPD und Grüne mit einer Vermögensabgabe fröhlich die Substanz des Mittelstands liquidieren wollen.

Die Unterstützung für Unternehmen und Privatleute muss irgendwann bezahlt werden. Ihr Verband aber spricht davon, dass der Staat vor allem ein Ausgabenproblem hat.

Natürlich verlangen außergewöhnliche Situationen außergewöhnliche Maßnahmen. Klar ist aber auch: Jede staatliche Hilfsmaßnahme muss möglichst zielgerichtet wirken. Nicht bei allen Schritten der Entlastungspakete hatte ich den Eindruck, dass dies Priorität hatte. Zum Beispiel beim 9-Euro-Ticket, dessen wirklicher Nutzen nicht geprüft wurde. Auch bei den Mitteln des Wirtschaftsstabilisierungsfonds – immerhin 200 Milliarden Euro – stehen Parlament und Regierung in der besonderen Verantwortung, das Geld effizient einzusetzen und so sparsam wie nötig zu sein. Oft ist nicht Geld das Problem – viele Fördermittel werden gar nicht abgerufen , sondern ineffiziente Strukturen. Kurz: Die Regierung sollte sich am Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit orientieren, also Hilfs- und Ausgabenprogramme aufs Nötigste begrenzen und die Schuldenbremse erhalten. Denn die Schulden von heute sind die Steuern von morgen.

Axel Novak ist freier Journalist und lebt und arbeitet in Berlin und Brandenburg.

Axel Novak ist freier Journalist und lebt und arbeitet in Berlin und Brandenburg.

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