UPDATE

Clickbaiting statt Dialog

Eine freie Gesellschaft braucht ein gutes Feuilleton. Doch unbarmherzig schneiden Print, Radio und TV die Kulturetats zurück. 

Text: Michael Hirz

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Clickbaiting statt Dialog

Eine freie Gesellschaft braucht ein gutes Feuilleton. Doch unbarmherzig schneiden Print, Radio und TV die Kulturetats zurück. 

Text: Michael Hirz

Mit einer Frage, die angeblich auf den unsachgemäßen Umgang zweier Putzfrauen mit einer Installation von Joseph Beuys vor rund 50 Jahren zurückgeht, wird gerne spöttisch das Fremdeln mit moderner abstrakter Kunst ausgedrückt: „Ist das Kunst oder kann das weg?“ Inzwischen ist das Klima etwas rauer geworden, die abnehmende Wertschätzung für Kunst und Kultur – durch Pandemie, Energiekrise und Inflation zusätzlich angeheizt – hat auch diejenigen erreicht, die sich professionell mit Theater und Museen, mit Literatur und Oper beschäftigen: die Journalistinnen und Journalisten in den Feuilletons. Das aktuelle Elend der Kulturwirtschaft hat aus dem schleichenden Siechtum des Kulturjournalismus ein galoppierendes gemacht.

Ein zentrales Problem ist dabei hausgemacht. In vielen Redaktionen – vor allem von Regional- und Lokalzeitungen – landen die Kulturressorts besonders schnell auf dem Opferaltar. Wie Sandsäcke bei sinkenden Heißluftballons gingen (und gehen weiterhin) Stellen und Etats über Bord, gelegentlich gleich das gesamte Ressort. Das folgt der schlichten Logik der betriebswirtschaftlichen Kostenjäger, die unter dem Druck stehen, schnelle Beute machen zu müssen. Dass damit auch das Produkt Substanz einbüßt, eine Zeitung, ein Sender an Erheblichkeit verliert und an Beliebigkeit gewinnt, ist keine Kategorie. Langfristiges Denken passt eben nicht zum Versuch panikgetriebener Krisenbewältigung.

Kulturberichterstattung gerät zur Programm-Homöopathie. Klicks und Abrufzahlen sind zur harten Droge geworden.

Der Prozess des brancheninternen Klimawandels scheint inzwischen vielfach den Kipppunkt erreicht zu haben, vor allem in den Printmedien. Immer weniger festangestellte Redaktionsmitglieder mit immer dürftigeren Etats beschäftigen prekär arbeitende Freie. Mindestlohn ist für viele dieser Medienschaffenden ein Fremdwort. Während die Festangestellten unter Arbeitsverdichtung leiden (neben der gedruckten Zeitung noch schnell Podcasts und Newsletter bedienen), fliehen viele Freie aus einem Beruf, der die Existenz nicht mehr sichert. Wer kann es sich schon leisten, auf eigene Kosten zu reisen, zu recherchieren, Gespräche zu führen, um dann auf Zeilenbasis mager honoriert zu werden? Das geht nur, wenn man das Gelübde der Armut abgelegt hat.

Auch in den öffentlich-rechtlichen Sendern, die besser bezahlen und auch freien Mitarbeitern ein Mindestmaß an sozialer Absicherung bieten, gerät Kulturberichterstattung zur Programm-Homöopathie. Klicks und Abrufzahlen sind zur harten Droge geworden. Da segelt dann eine flache Berichterstattung über Musicals oder das unkritische Promi-Interview unter falscher Flagge in die Sendestatistik, etikettiert als Kultur. Engagierte Rundfunkräte wie der kämpferische Gerhart Baum, Vorsitzender des Kulturrats NRW, halten dagegen, aber der Erfolg ist überschaubar.

Dabei ist der Anteil derjenigen, die in fundierter Kultur- und Zeitkritik ein Stück Orientierung suchen, gar nicht so gering. Die sich jenseits des rein Materiellen Gedanken machen über grundsätzliche Fragen, über die Bedingungen des Zusammenlebens in wildgewordenen Zeiten. Denen ein öffentlicher Diskurs in 280 Zeichen ebenso wenig reicht wie ein paar Likes bei Google oder Selbstanpreisungen auf Veranstalter-Websites. Kultur ist Dialog, und dazu braucht es ein qualitätsorientiertes Feuilleton. Das aber benötigt eine gesicherte Grundlage. Eine freie Gesellschaft darf auf ein solches Reifemerkmal nicht verzichten.

Der Prozess des brancheninternen Klimawandels scheint inzwischen vielfach den Kipppunkt erreicht zu haben, vor allem in den Printmedien. Immer weniger festangestellte Redaktionsmitglieder mit immer dürftigeren Etats beschäftigen prekär arbeitende Freie. Mindestlohn ist für viele dieser Medienschaffenden ein Fremdwort. Während die Festangestellten unter Arbeitsverdichtung leiden (neben der gedruckten Zeitung noch schnell Podcasts und Newsletter bedienen), fliehen viele Freie aus einem Beruf, der die Existenz nicht mehr sichert. Wer kann es sich schon leisten, auf eigene Kosten zu reisen, zu recherchieren, Gespräche zu führen, um dann auf Zeilenbasis mager honoriert zu werden? Das geht nur, wenn man das Gelübde der Armut abgelegt hat.

Auch in den öffentlich-rechtlichen Sendern, die besser bezahlen und auch freien Mitarbeitern ein Mindestmaß an sozialer Absicherung bieten, gerät Kulturberichterstattung zur Programm-Homöopathie. Klicks und Abrufzahlen sind zur harten Droge geworden. Da segelt dann eine flache Berichterstattung über Musicals oder das unkritische Promi-Interview unter falscher Flagge in die Sendestatistik, etikettiert als Kultur. Engagierte Rundfunkräte wie der kämpferische Gerhart Baum, Vorsitzender des Kulturrats NRW, halten dagegen, aber der Erfolg ist überschaubar.

Dabei ist der Anteil derjenigen, die in fundierter Kultur- und Zeitkritik ein Stück Orientierung suchen, gar nicht so gering. Die sich jenseits des rein Materiellen Gedanken machen über grundsätzliche Fragen, über die Bedingungen des Zusammenlebens in wildgewordenen Zeiten. Denen ein öffentlicher Diskurs in 280 Zeichen ebenso wenig reicht wie ein paar Likes bei Google oder Selbstanpreisungen auf Veranstalter-Websites. Kultur ist Dialog, und dazu braucht es ein qualitätsorientiertes Feuilleton. Das aber benötigt eine gesicherte Grundlage. Eine freie Gesellschaft darf auf ein solches Reifemerkmal nicht verzichten.

Michael Hirz ist als Journalist und Moderator seit vielen Jahren intensiver Beobachter politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Prozesse

Michael Hirz ist als Journalist und Moderator seit vielen Jahren intensiver Beobachter politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Prozesse

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