ENERGIE
Für die Energie- und Mobilitätswende spielt Wasserstoff mit dem chemischen Symbol H2 eine wichtige Rolle. In Bezug auf Herstellung und Transport des Energieträgers sind zwar noch etliche Fragen offen. Experten rechnen aber damit, dass er ab 2050 in vielen Sektoren klimaneutral genutzt werden kann.
Text: Frank Lassak
Illustrationen: Andrea Ucini
ENERGIE
Für die Energie- und Mobilitätswende spielt Wasserstoff mit dem chemischen Symbol H2 eine wichtige Rolle. In Bezug auf Herstellung und Transport des Energieträgers sind zwar noch etliche Fragen offen. Experten rechnen aber damit, dass er ab 2050 in vielen Sektoren klimaneutral genutzt werden kann.
Text: Frank Lassak
Illustrationen: Andrea Ucini
Nur rund 16 Prozent der in Deutschland verbrauchten Primärenergie stammen derzeit aus regenerativen Quellen. Zu wenig, um die Pariser Klimaschutzziele zu erreichen. Ohne den Umstieg auf erneuerbare Ressourcen und die Entwicklung effizienterer Antriebs- und Heizsysteme geraten Energie- und Mobilitätswende ins Stocken. Wie aber lässt sich der Wandel bewerkstelligen, wenn Wind- und Solarenergie wegen der geografischen, sprich meteorologischen, Gegebenheiten des Landes den Bedarf nicht ausreichend und zuverlässig decken können? Das Zauberwort lautet: Wasserstoff. Das im Universum häufigste chemische Element, das auf der Erde in Form von Wasser reichlich vorhanden ist, soll es möglich machen vorausgesetzt, der Stoff wird klimaneutral erzeugt.
Jahrzehntelang haben Energie- und Wärmeversorger sowie Verkehrswirtschaft und chemische Industrie überwiegend auf fossile Brennstoffe gesetzt – trotz der damit verbundenen CO2- und Methan-Emissionen. Nun entwickeln Ingenieure und Wissenschaftlerinnen mit Hochdruck neue Methoden, mit denen nichtfossile Energieträger besser als bisher genutzt werden können und den Ausstieg aus der fossilen Wirtschaft möglich machen. „Der Abschied von petrochemischen Brennstoffen wie Kohle, Erdgas oder Erdöl kann allerdings erst dann stattfinden, respektive von der Gesellschaft umgesetzt werden, wenn ausgereifte Verfahren für die Nutzung nachhaltiger Energiequellen existieren“, sagt André Thess vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Stuttgart. „Für Wasserstoff als klimaneutralen Energieträger wird die passende Infrastruktur wohl vor Mitte des Jahrhunderts nicht überall vorhanden sein.“
Einer der Gründe, weshalb der Umstieg nicht von heute auf morgen geschehen kann: Die für Transport und Lagerung fossiler Brennstoffe genutzte Infrastruktur ist für Wasserstoff weitgehend ungeeignet. Und für die Nutzung in der Wärme- oder Stromproduktion müssen bestehende Kraftwerke erst umgerüstet werden. Wie aufwendig das ist, zeigt ein Vorhaben des Energiekonzerns Vattenfall, der ein altes Kohlekraftwerk in Hamburg für Wasserstoffgewinnung umbauen will und dafür drei Jahre Bauzeit veranschlagt. DLR-Forscher Thess geht dennoch davon aus, dass die Entwicklung – vor allem im Transportsektor – zügig voranschreitet, da teils auf bereits vorhandene Technik zurückgegriffen werden könne, etwa bei Brennstoffzellen. Deren Skalierung für die Luftfahrtbranche oder den Schiffsverkehr sei freilich nicht trivial, so Thess: „Wir brauchen viel neue Technik.“
Hohe Investitionen stehen an
Und die fällt nicht vom Himmel. Im Lauf der kommenden drei Jahrzehnte stehen in Deutschland, so das Ergebnis einer PWC-Studie, Investitionen in dreistelliger Milliardenhöhe für Infrastruktur und Produktionsanlagen an, damit Wasserstoff fossile Brennstoffe ersetzen kann. Hinzu kommt: Die Herstellung von CO2-neutralem grünen Wasserstoff verbraucht viel Energie entsprechend hoch sind die Herstellungskosten. Die US-Regierung hat das unlängst erkannt und ein Förderprogramm über 50 Milliarden US-Dollar für die Wasserstoffindustrie aufgelegt. Die Bundesregierung setzt noch auf die Einfuhr von Wasserstoff: Kanada etwa will erstmals 2025 Gas liefern. Auch afrikanische Staaten wie Namibia, Mauretanien oder Marokko, wo eigens und eiligst Elektrolyse-Anlagen für grünen Wasserstoff entstehen, kommen als Lieferanten infrage. Die dafür vorgesehenen Fördermittel wirken im Vergleich mit den USA allerdings mickrig: Weniger als vier Milliarden Euro will die Bundesregierung anfangs in die Branche stecken. „Wenn Deutschland nicht rasch handelt, geht die gesamte Technologie in die USA“, kritisierte Werner Diwald vom Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verband in der „Berliner Zeitung“. Sowohl die Produktionsverfahren als auch der Transport großer Mengen des Gases per Pipeline oder Schiff stecken noch in der Entwicklungs- oder Genehmigungsphase.
Wenn Deutschland nicht rasch handelt, geht die gesamte Technologie in die USA.
Zudem sind nicht alle Pipelines für den Transport von Wasserstoff geeignet, da das hochreaktive Element anders als das chemisch eher träge Erdgas den Pipeline-Stahl porös machen kann. Bei den in Deutschland verlegten Pipelines könne man zwar davon ausgehen, dass der verbaute Stahl widerstandsfähig genug ist, meint Bastian Gillessen vom Institut für techno-ökonomische Systemanalyse des Forschungszentrums Jülich. Gasleitungen in anderen Ländern seien aber nicht grundsätzlich wasserstofftauglich, weil dort minderwertige Stahlsorten verbaut sein könnten. Und auch beim Elektrolyse-Verfahren gibt es Optimierungsbedarf: „Die Methode wird zwar seit Jahrzehnten industriell genutzt; der Wirkungsgrad muss aber entschieden verbessert werden, damit Wasserstoff als alternativer Brennstoff wirtschaftlich sinnvoll ist“, sagt Professor Volker Quaschning von der HTW Berlin.
Zudem sind nicht alle Pipelines für den Transport von Wasserstoff geeignet, da das hochreaktive Element anders als das chemisch eher träge Erdgas den Pipeline-Stahl porös machen kann. Bei den in Deutschland verlegten Pipelines könne man zwar davon ausgehen, dass der verbaute Stahl widerstandsfähig genug ist, meint Bastian Gillessen vom Institut für techno-ökonomische Systemanalyse des Forschungszentrums Jülich. Gasleitungen in anderen Ländern seien aber nicht grundsätzlich wasserstofftauglich, weil dort minderwertige Stahlsorten verbaut sein könnten. Und auch beim Elektrolyse-Verfahren gibt es Optimierungsbedarf: „Die Methode wird zwar seit Jahrzehnten industriell genutzt; der Wirkungsgrad muss aber entschieden verbessert werden, damit Wasserstoff als alternativer Brennstoff wirtschaftlich sinnvoll ist“, sagt Professor Volker Quaschning von der HTW Berlin.
Grüner Wasserstoff bleibt teuer
Der Weg zur Wirtschaftlichkeit ist in der Tat weit: Derzeit kosten Produktion und Transport einer Megawattstunde (MWh) importierten grünen Wasserstoffs laut Statistischem Bundesamt 165 Euro, im Jahr 2030 könnte der Preis bei rund 90 Euro liegen. Zum Vergleich: Produktion und Transport der gleichen Energiemenge schlagen bei Erdgas zurzeit mit 145 Euro zu Buche – vor dem Ukraine-Krieg waren es rund 35 Euro pro MWh. Mittelfristig, so die Gasmarktexperten beim Energie-Consulter First Energy, werde sich der Erdgaspreis wohl bei 50 Euro einpendeln. Grüner Wasserstoff dürfte dann etwa doppelt so viel kosten wie der fossile Konkurrent.
HTW-Forscher Quaschning hat für den Straßenverkehr jüngst eine Beispielrechnung aufgemacht: Sobald großtechnische H2-Anlagen flächendeckend verfügbar seien, schreibt der Energieexperte in seinem Buch „Erneuerbare Energien und Klimaschutz“, „wäre beim Tanken von grünem Wasserstoff ein Preis von rund zwei Euro pro äquivalentem Benzin-Liter erreichbar“.
Die Farben des
Wasserstoffs
Die Bezeichnungen reflektieren die unterschiedlichen Methoden, die für die Produktion von Wasserstoff genutzt werden. Klimaneutral ist nur die grüne Variante.
Die Farben des Wasserstoffs
Die Bezeichnungen reflektieren die unterschiedlichen Methoden, die für die Produktion von Wasserstoff genutzt werden. Klimaneutral ist nur die grüne Variante.
Grüner Wasserstoff:
wird mittels Elektrolyse aus Wasser gewonnen und ist klimaneutral, wenn der verwendete Strom aus erneuerbaren Quellen stammt.
Türkiser Wasserstoff:
entsteht bei der thermischen Spaltung von Methan. Die Klimaneutralität hängt von der Energiequelle und der Förderung des Methans ab.
Blauer Wasserstoff:
wird ebenfalls aus Methan erzeugt; das Nebenprodukt CO2 wird dabei im Boden gespeichert.
Grauer Wasserstoff:
entsteht bei der Spaltung fossiler Brennstoffe mit Strom aus fossilen Energien.
Weißer Wasserstoff:
fällt als Abfallprodukt industrieller chemischer Verfahren an, die meist den Einsatz fossiler Brennstoffe erfordern. Nicht klimaneutral.
Roter Wasserstoff:
wird mittels Elektrolyse mit Strom aus Kernkraftwerken gewonnen. Über die Klimafreundlichkeit des Verfahrens gibt es Streit.
Gelber Wasserstoff:
bezeichnet die Produktion des Gases aus einem Mix regenerativer Stromquellen und fossiler Brennstoffe.
Brauner Wasserstoff:
wird unter Verwendung von Kohlestrom hergestellt und ist entsprechend klimaschädlich.
Grüner Wasserstoff:
wird mittels Elektrolyse aus Wasser gewonnen und ist klimaneutral, wenn der verwendete Strom aus erneuerbaren Quellen stammt.
Türkiser Wasserstoff:
entsteht bei der thermischen Spaltung von Methan. Die Klimaneutralität hängt von der Energiequelle und der Förderung des Methans ab.
Blauer Wasserstoff:
wird ebenfalls aus Methan erzeugt; das Nebenprodukt CO2 wird dabei im Boden gespeichert.
Grauer Wasserstoff:
entsteht bei der Spaltung fossiler Brennstoffe mit Strom aus fossilen Energien.
Weißer Wasserstoff:
fällt als Abfallprodukt industrieller chemischer Verfahren an, die meist den Einsatz fossiler Brennstoffe erfordern. Nicht klimaneutral.
Roter Wasserstoff:
wird mittels Elektrolyse mit Strom aus Kernkraftwerken gewonnen. Über die Klimafreundlichkeit des Verfahrens gibt es Streit.
Gelber Wasserstoff:
bezeichnet die Produktion des Gases aus einem Mix regenerativer Stromquellen und fossiler Brennstoffe.
Brauner Wasserstoff:
wird unter Verwendung von Kohlestrom hergestellt und ist entsprechend klimaschädlich.
Frank Lassak arbeitet als Wirtschaftsjournalist in Berlin. Themen aus dem Energie- und Transportsektor interessieren den gebürtigen Hamburger besonders.
Frank Lassak arbeitet als Wirtschaftsjournalist in Berlin. Themen aus dem Energie- und Transportsektor interessieren den gebürtigen Hamburger besonders.
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