KRIEG IN EUROPA
In der globalen Ernährung spielt die Ukraine eine Schlüsselrolle. Im Interview erläutert Taras Vysotskyi vom Agrar- und Ernährungsministerium, wie das Land auch im Krieg produzieren und exportieren will.
INTERVIEW: MAXIMILIAN LUZ REINHARDT
KRIEG IN EUROPA
In der globalen Ernährung spielt die Ukraine eine Schlüsselrolle. Im Interview erläutert Taras Vysotskyi vom Agrar- und Ernährungsministerium, wie das Land auch im Krieg produzieren und exportieren will.
INTERVIEW: MAXIMILIAN LUZ REINHARDT
Die ukrainische Krim wurde im Jahr 2014 durch Russland annektiert. Seitdem schwelt der Krieg in der Ostukraine. Am 24. Februar 2022 sind russische Besatzungstruppen in der Ukraine eingefallen – nun herrscht Krieg im ganzen Land. Wie hat sich dieser Krieg bislang auf die landwirtschaftliche Produktion ausgewirkt und welche Folgen hat das für die gesamtwirtschaftliche Situation?
Russlands Krieg hat die ukrainische Landwirtschaft sehr empfindlich getroffen. Gleich zu Beginn des Krieges wurden wichtige logistische Verbindungen zerstört. Der Aggressor bombardierte Getreidespeicher, Felder und landwirtschaftliche Infrastruktur. Landwirte, deren Betriebe sich in den besetzten Gebieten oder an der Front befanden, erlitten Millionenverluste. Berechnungen von Ökonomen der Kyiv School of Economics zufolge sind bereits 15 Prozent der Agrarinfrastruktur zerstört und müssen vollständig wiederhergestellt werden – die Schäden belaufen sich schon nach fünf Monaten auf über vier Milliarden US-Dollar. Zusätzlich behindert der Krieg den Export. Dieser war in der Vergangenheit die Grundlage für fast 50 Prozent des Gesamteinkommens der Landwirte. Aber auch gesamtwirtschaftlich sind die Auswirkungen immens: Der ukrainische Agrarsektor erwirtschaftete in der Vergangenheit fast die Hälfte der Deviseneinnahmen des Landes – rund 28 Milliarden US-Dollar. Im vergangenen Jahr war die Landwirtschaft die am stärksten wachsende Branche in der Ukraine. Die ukrainische Agrarpolitik zielte bislang in erster Linie auf eine Ertragsmaximierung ab. Die Landwirtschaft sollte also weiterhin den Grundpfeiler der wirtschaftlichen Ent-wicklung unseres Landes bilden. Mit Erfolg – allein im vergangenen Jahr wurden im Agrarsektor mehr als 30 000 Arbeitsplätze geschaffen. Dieses Jahr hätte der politische Fokus unter anderem auf der Modernisierung der Tierhaltung und der Veredelung und Weiterverarbeitung landwirt-schaftlicher Rohmaterialien gelegen. Aufgrund des Krieges haben sich die Prioritäten nun aber verschoben – wie Sie sich sicher denken können.
Von der ukrainischen Agrarproduktion ist nicht nur die Lebensmittelversorgung im eigenen Land abhängig – viele Länder, insbesondere in Nordafrika haben in der Vergangenheit stark auf Nahrungsmittel aus der Ukraine gesetzt. Wird das aufrechterhalten werden können?
Der Handel kann und sollte aufrechterhalten werden, und die Ukraine tut alles, um ihrer Rolle auch weiterhin gerecht zu werden. Unser Getreide sitzt aufgrund des russischen Angriffskrieges fest. Vor dem Krieg haben wir über unsere Seehäfen monatlich 5–6 Millionen Tonnen an Agrarproduktion verschifft, insbesondere in die Länder Nordafrikas und des Nahen Ostens. Heute ist das Exportvolumen auf einen Bruchteil eingebrochen, da wir nicht wie gewohnt den Seeweg nutzen können, sondern unsere Ernten auf anderen Wegen versenden müssen. Viel läuft jetzt über europäische Partner, die dann ihrerseits das Getreide weitertransportieren – ein kostspieliger und umständlicher Umweg.
Die Ukraine ist eine der wichtigsten Agrarnationen der Welt. Was ist der Vorteil des ukrainischen Landwirtschaftssektors im Vergleich zu dem anderer Länder?
treide, Körnerhülsenfrüchten und Ölkulturen. Was viele nicht wissen: Wir haben in der Vergangenheit auch zu den zehn größten Fleischexporteuren gehört. Unser Land besitzt 30 Prozent der Schwarzerde der Welt und spielt eine Schlüsselrolle bei der Gewährleistung der globalen Ernährungssicherheit. Während einige Länder sich kaum selbst ernähren können, versorgt die Ukraine fast 400 Millionen Menschen, das heißt beinahe zehn Mal so viele Menschen, wie in der Ukraine leben. Fest steht: Diese Mengen können weder kurz- noch mittelfristig durch Lieferungen aus anderen Ländern ersetzt werden. Wir können aber feststellen, dass die Agrarexporte in jüngster Zeit wieder deutlich angestiegen sind.
Als Reaktion auf die russische Aggression hat die EU alle Einfuhrzölle auf ukrainische Produkte -abgeschafft. Welche weiteren Maßnahmen würden Sie sich von der Europäischen Union wünschen, insbesondere im -Hinblick auf die Agrarpolitik und den Agrarhandel?
Unser dringendster Wunsch ist die dauerhafte Abschaffung aller Einfuhrzölle auf ukrainische Produkte. Denn bisher wurden sie nur für ein Jahr ausgesetzt. Ein weiteres Thema ist die angestrebte Integration der Ukraine in die EU. Hierfür bedarf es einer grundlegenden Umgestaltung unserer -Agrarpolitik. Wir planen derzeit in Jahresintervallen, sind nun aber dabei, eine längerfristige Landwirtschaftsstrategie --
zu entwickeln. Zunächst müssen wir allerdings Optionen für den direkten Wiederaufbau sowie die fünf Jahre nach Kriegsende skizzieren. Darüber hinaus wird nun auch ein stärkeres Augenmerk auf die Entwicklung ländlicher Räu-me und die Einhaltung von Umweltstandards gelegt. Die Saat für die Integration der ukrainischen Agrarpolitik in die -EU-Agrarpolitik ist bereits gelegt.
Fehlende Mengen aus der Ukraine können weder kurz- noch mittelfristig durch Lieferungen aus anderen Ländern ersetzt werden.
Das Getreide aus den Silos von Odessa fehlt auf dem Weltmarkt.
Die Sonnenblume hat sich im Verlauf des Krieges als Sinnbild für die Ukraine – genauer gesagt für die ukrainische Landwirtschaft – entwickelt. Warum hat ausgerechnet diese Pflanze eine so hohe symbolische Bedeutung für Ihr Land?
Wirtschaftlich betrachtet ist die Sonnenblume, wie bereits erwähnt, eines der wichtigsten Exportgüter und spielt eine immense Rolle in unserer Wirtschaft. So spülten die 6,48 Millionen Hektar, auf denen im vergangenen Jahr -Sonnenblumen angebaut wurden, knapp 6,5 Milliarden US-Dollar in die Kassen ukrainischer Landwirte – diese Einnahmen werden dieses Jahr aufgrund des Krieges leider deutlich geringer ausfallen. Davon losgelöst: Die Sonnenblume ist in der Tat traditionell ein sehr wichtiges Symbol für die Ukraine. Wahrscheinlich deswegen, weil die Sonnenblume Fruchtbarkeit symbolisiert, womit wir Ukrainer unser Land assoziieren. Die Sonnenblume ist für uns auch ein Symbol der Sonne und ein Zeichen des Wohlstands. Außerdem werden der Pflanze schützende Eigenschaften nachgesagt, daher ist es üblich, sie in die Nähe des Hauses zu setzen. Hoffen wir, dass dieser Schutz anhält.
Maximilian Luz Reinhardt ist Referent für Wirtschaft und Nachhaltigkeit in der Abteilung Themenmagement und Politikberatung der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.
Maximilian Luz Reinhardt ist Referent für Wirtschaft und Nachhaltigkeit in der Abteilung Themenmagement und Politikberatung der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.
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