Umgang mit der AfD
Dresdens Ruf leidet unter rechten Aufmärschen und Parolen.
Doch die Bürger wehren sich mit einem eigenen Magazin. In der „Stadtluft Dresden“
gibt es jede Menge Diskussionen über Kultur und Politik.
Text: Michael Hirz
Hässliche Flecken können das schönste Bild verderben. Das gilt für Kunstwerke ebenso wie für das Image von Städten. Beispiel gefällig? Dresden etwa ist so eines. Die gerne als Elbflorenz verklärte sächsische Landeshauptstadt – mit ihrem charakteristischen Panorama unbestritten eine der prachtvollsten Metropolen Deutschlands – hat spätestens seit den Pegida-Demonstrationen, den regelmäßigen neonazistischen Aufmärschen am Jahrestag der Bombardierung und ihrer rechtsintellektuellen Szene rund um das Buchhaus Loschwitz ein paar äußerst unschöne Kratzer im Lack. Abgesehen von den Folgen für den stärksten und dynamischsten Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort in den neuen Bundesländern, denn das ist Dresden auch: Als Epizentrum von Fremdenfeindlichkeit und Ewiggestrigen zu gelten, muss mehr als beunruhigen.
Stadt mit liberalen Wurzeln
Das hat es auch getan und tut es noch. Denn Dresden hat eine erstaunlich vielschichtige und facettenreiche Stadtgesellschaft und eine lange liberal-bürgerschaftliche Tradition, die weit vor der DDR ihre Wurzeln hat und die auch in den Jahren der deutschen Teilung nie ganz verschwunden ist. So kann es nicht verwundern, dass sich spätestens beim Aufkommen von Pegida viele Dresdnerinnen und Dresdner fragten, wie man mit diesem bedrückenden Phänomen umgehen soll. Eine der treibenden Kräfte war dabei Peter Ufer. Frei nach dem Motto des prominenten Dresdners Erich Kästner „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“ beließ er es nicht bei Worten.
Jeder macht, was er am besten kann. Der Fotograf foto-
grafiert, der Grafiker gestaltet, ich schreibe und netzwerke.
Magazingründer Peter Ufer
„Es war eine turbulente Zeit“, erinnert sich der promovierte Medienwissenschaftler, „es gab zahllose Diskussio-nen in den verschiedensten Runden. Es wurde aber auch heftig kritisiert, dass die bürgerliche Gesellschaft den rechtspopulistischen und reaktionären Tendenzen zu wenig entgegensetzt.“ Aus der Überlegung, wichtige Wortbeiträge aus der Debatte um den Zustand und die Entwicklung der Gesellschaft zu dokumentieren, entstand eine weiterführende Idee: Gemeinsam mit Gleichgesinnten gründete Peter Ufer mit „Stadtluft Dresden“ ein sogenanntes Bookzin, ein Buchmagazin als Plattform für einen breit angelegten Gedankenaustausch, der dem Leitgedanken „Freiheit und wie wir Freiheit erhalten können“ folgen soll.
Dieses 2016 erstmals erschienene Bookzin – mit knapp über 150 Seiten und im DIN-A4-Format eine ungewöhnliche Mischung aus Buch und Magazin – bezeichnen die Macher als „unabhängige publizistische Notwehr“. Die Liste der Autorinnen und Autoren dieser Debatten-Plattform spiegelt Vielfalt, die Namen sind beeindruckend: Von den Schriftstellern Durs Grünbein und Thomas Brussig bis zu Ingo Schulze finden sich hier lauter Schwergewichte des Geisteslebens und des öffentlichen Diskurses. Der gebürtige Dresdner Gerhart Baum ist als Politiker eine Ausnahme.
„Es war eine turbulente Zeit“, erinnert sich der promovierte Medienwissenschaftler, „es gab zahllose Diskussio-nen in den verschiedensten Runden. Es wurde aber auch heftig kritisiert, dass die bürgerliche Gesellschaft den rechtspopulistischen und reaktionären Tendenzen zu wenig entgegensetzt.“ Aus der Überlegung, wichtige Wortbeiträge aus der Debatte um den Zustand und die Entwicklung der Gesellschaft zu dokumentieren, entstand eine weiterführende Idee: Gemeinsam mit Gleichgesinnten gründete Peter Ufer mit „Stadtluft Dresden“ ein sogenanntes Bookzin, ein Buchmagazin als Plattform für einen breit angelegten Gedankenaustausch, der dem Leitgedanken „Freiheit und wie wir Freiheit erhalten können“ folgen soll.
Dieses 2016 erstmals erschienene Bookzin – mit knapp über 150 Seiten und im DIN-A4-Format eine ungewöhnliche Mischung aus Buch und Magazin – bezeichnen die Macher als „unabhängige publizistische Notwehr“. Die Liste der Autorinnen und Autoren dieser Debatten-Plattform spiegelt Vielfalt, die Namen sind beeindruckend: Von den Schriftstellern Durs Grünbein und Thomas Brussig bis zu Ingo Schulze finden sich hier lauter Schwergewichte des Geisteslebens und des öffentlichen Diskurses. Der gebürtige Dresdner Gerhart Baum ist als Politiker eine Ausnahme.
Kaleidoskop von Stadt und Region
Das Redaktionsteam, zu dem neben Peter Ufer der Grafiker Thomas Walther und der Fotograf Amac Garbe gehören, wollen keine auf die Diskussion um Rechtsextremismus und Rechtspopulismus inhaltlich verengte Streitschrift herausgeben. Ihnen geht es vielmehr darum, mit ihren Autorinnen und Autoren den Blick auf die Gesellschaft um möglichst viele Perspektiven zu erweitern, Diskurse anzustoßen und Dialoge zu stiften. Es sind Geschichten und Essays, die – mal im engeren, mal im weiteren Sinne – Dresden sozial, kulturell und politisch spiegeln, ohne provinziell zu sein. Dabei entsteht ein kaleidoskopartiges Bild von Stadt und Region, das anregt, bereichert und inspiriert. Ob es die abenteuerliche Geschichte über die Mullah-Schule in Dresden ist, in der die Nazis islamistische Hassprediger als Einpeitscher für den Fronteinsatz im Zweiten Weltkrieg ausbilden ließen, oder eine Parabel auf die Vergangenheit, die uns die Gegenwart erzählt – es sind erhellende, nachdenklich stimmende Beiträge, die immunisieren wollen gegen aggressive Engstirnigkeit.
Nach bald sieben Jahren scheint sich „Stadtluft Dresden“ nicht nur etabliert zu haben, sondern es hat sich zu einer tragenden Säule einer liberalen, weltoffenen Stadtkultur durchgesetzt. Die Plattform ist eng vernetzt mit den anderen Akteuren des öffentlichen Lebens, zum Beispiel mit dem Internationalen Dresdner Friedenspreis, der jährlich rund um den 13. Februar, dem Jahrestag der Bombardierung Dresdens, in der Semper-Oper verliehen wird und der 2023 an den US-amerikanischen Star-Architekten Daniel Libeskind ging. Den Ehrenpreis erhielt in diesem Jahr der ehemalige Innenminister Gerhart Baum für seinen lebenslangen Einsatz für Freiheit und Menschenrechte.
Geld verdienen die drei umtriebigen Herausgeber nicht mit ihrem Engagement. „Wir arbeiten ehrenamtlich“, betont Peter Ufer. Die namhaften Autorinnen und Autoren werden jedoch bezahlt, und zwar „angemessen gut“. Finanziell getragen wird das Projekt über den Verkaufspreis und von regionalen Unterstützern. „Stadtluft Dresden“ lebt vom Wissen und Können der Initiatoren. „Jeder macht, was er am besten kann. Der Fotograf fotografiert, der Grafiker gestaltet, ich schreibe und netzwerke“, so Ufer.
Knotenpunkt für Liberale
In gewisser Weise ist die „Stadtluft“-Plattform inzwischen ein Knotenpunkt für das liberale Bürgertum geworden, das die Stadt weder als gemütliche Barockkulisse noch als Tummelplatz für neurechte Antidemokraten missverstehen will. „Dresden hat prozentual die meisten Frauen in Führungspositionen“, streicht Ufer heraus, „es hat die einzige ostdeutsche Exzellenz-Universität.“ Hier schlägt, muss man ergänzen, das Herz der europäischen Mikroelektronik-Industrie, hier sind so zukunftsträchtige Bereiche wie Nanotechnologie zu Hause. Eine Flucht ins Restaurative oder gar ins weltabgewandte neurechte Gedankengut könnte alle vorzeigbaren Erfolge konterkarieren.
So gesehen ist ein bisschen Dresden überall in Deutschland, aus dem Spezifischen lässt sich viel Allgemeines ableiten. Die Debatte um den Weg des Landes in die Zukunft wird dort vielleicht schärfer als anderswo geführt, auch klarer. Das scheint dabei auch den Einsatz für bürgerliches Engagement, für beherztes Eintreten für Freiheit, Toleranz und Demokratie zu stimulieren. Zur Nachahmung empfohlen.
Michael Hirz ist Journalist und Moderator. Von 2008 bis 2018 leitete er den Politiksender Phoenix. Heute schreibt er als Autor für verschiedene Zeitungen und Magazine.
Michael Hirz ist Journalist und Moderator. Von 2008 bis 2018 leitete er den Politiksender Phoenix. Heute schreibt er als Autor für verschiedene Zeitungen und Magazine.
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Es gibt viele Erklärungen für den Aufstieg der Rechtspopulisten. Fest steht: Mit guter Politik lässt er sich bremsen.