So geht Aufschwung
„DONE IS BETTER
THAN PERFECT“
Perfektionismus bremst Kreativität und Motivation aus. Aber was braucht es jetzt für den wirtschaftlichen Aufschwung? Liberal hat Verena Pausder, seit Anfang des Jahres Vorsitzende des Startup-Verbands, gefragt. Die Unternehmerin und Investorin spricht über Deutschlands Zukunftspotenzial, wie mehr Frauen zu Gründerinnen werden könnten und warum uns allen ein bisschen mehr Start-up-Mentalität guttun würde.
Interview: Kira Brück | Illustrationen: DAQ
So geht Aufschwung
„DONE IS
BETTER
THAN
PERFECT“
Perfektionismus bremst Kreativität und Motivation aus. Aber was braucht es jetzt für den wirtschaftlichen Aufschwung? Liberal hat Verena Pausder, seit Anfang des Jahres Vorsitzende des Startup-Verbands, gefragt. Die Unternehmerin und Investorin spricht über Deutschlands Zukunftspotenzial, wie mehr Frauen zu Gründerinnen werden könnten und warum uns allen ein bisschen mehr Start-up-Mentalität guttun würde.
Interview: Kira Brück | Illustrationen: DAQ
Frau Pausder, in der deutschen Wirtschaft war die Stimmung schon mal besser. Wie ist Ihr Blick auf die Lage?
Ich sehe natürlich auch, was gerade los ist. Dabei haben wir in Deutschland alles, was wir brauchen, um die Kurve zu kriegen und auch in Zukunft eine führende Wirtschaftsnation zu sein. Nämlich ein großes Potenzial an innovativen Ideen, talentierten Unternehmerinnen und Unternehmern, eine international herausragende Forschungslandschaft sowie eine starke industrielle Basis.
Gut. Und was müsste jetzt passieren, um die Stimmung zu heben?
Um unsere Rolle als Vorreiter in Sachen Innovation wiederzubeleben, müssen wir attraktiver für internationale Talente werden, mehr Kapital für Start-ups bereitstellen und unsere Forschungsstärke besser nutzen. Und: Wir sollten uns unbedingt auf unsere Stärken konzentrieren, anstatt die ganze Zeit über Schwächen zu lamentieren. Denn das bringt uns keinen Schritt weiter, nichts wird dadurch besser. Kurzum: Wir brauchen einen echten Kulturwandel.
Wie genau meinen Sie das?
Deutschland muss stärker wie ein Start-up denken: Done is better than perfect – wer etwas erledigt, riskiert Fehler. Wir brauchen den Mut, auch mal etwas auszuprobieren. Mit unserem Drang zum Perfektionismus stehen wir uns viel zu oft selbst im Weg.
Wie denkt man denn wie ein Start-up?
Es ist dieser Blick nach vorne, mit ihm lassen sich die Dinge besser lösen, als mit gesenktem Kopf und schlechter Laune durch die Gegend zu laufen. Ein Start-up-Mindset bedeutet, nicht in den Abgesang auf Deutschland einzustimmen, sondern selbst zu gestalten. Machen, nicht meckern.
Gerade meckern aber alle, vor allem die Wirtschaft über die Politik. Wer trägt die Verantwortung dafür, dass eine Wirtschaftswende gelingen kann?
Beide natürlich! Die Politik ist in der Pflicht, für wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen zu sorgen. Unternehmerinnen und Unternehmer füllen den Rahmen. Wir sollten auch auf andere Länder schauen, beispielsweise nach Frankreich: Dort wurden 2023 pro Kopf 107 Euro in Start-ups investiert – in Deutschland sind es nur rund 85 Euro. Hintergrund ist, dass Emmanuel Macron mit dem „Plan Tibi“ erfolgreich Versicherungen und andere Kapitalsammelstellen mobilisiert hat, um in Venture-Capital-Fonds zu investieren. Das war eine politische Initiative.
Die vom Bundesfinanzminister gestartete WIN-Initiative zielt genau darauf ab.
Richtig. Es muss uns in Deutschland gelingen, mehr Kapital privater und institutioneller Investoren für die Start-up-Finanzierung zu mobilisieren. Das bringt uns als Wirtschaftsstandort nach vorne.
Frauen stoßen oft auf Hürden, wenn sie gründen wollen. Beispielsweise haben sie es schwerer, an Geld für ihre Ideen zu kommen und gute Kontakte zu knüpfen. So geht Aufschwung.
Können Sie nachvollziehen, dass potenzielle Gründerinnen und Gründer zögern, ihre Idee auf den Weg zu bringen?
Na klar. Man fragt sich ja ständig: Wenn ich auf diese Idee komme, kann sich das nicht jeder ausdenken? Ist mein Produkt wirklich gut genug, um erfolgreich zu werden? Ich verstehe diese Sorgen total. Aber man darf das nicht zu sehr vom Ende her denken.
Sie meinen, man soll sich am Anfang nicht zu sehr unter Druck setzen?
Ja, denn wenn man glaubt, die Gründung müsse jetzt richtig groß werden, am besten ein Einhorn, dann kann dieses Zukunftsbild auch bremsen. Also: Schritt für Schritt, die Idee vielleicht berufsbegleitend verfolgen. Und wenn sich das Gefühl breit macht, dass da etwas entsteht, dann die richtigen Mitstreiterinnen und Kollegen suchen und loslegen. Ein gutes Netzwerk und Menschen, die die eigenen Schwächen ausgleichen, sind superwichtig.
Mit 21 Prozent ist der Anteil der Frauen, die hierzulande gründen, ziemlich niedrig.
Keine Frage, das ist viel zu wenig und in den vergangenen Jahren auch nur langsam gestiegen. Frauen stoßen oft auf Hürden, wenn sie gründen wollen. Beispielsweise haben sie es schwerer, an Geld für ihre Ideen zu kommen und gute Kontakte zu knüpfen. Ein weiteres großes Thema ist, wie sie Familie und ihre Unternehmenspläne unter einen Hut bekommen. Das ist besonders wichtig, weil viele Frauen in ihren Dreißigern gründen. Also genau dann, wenn auch die Familienplanung angegangen wird.
Mit 21 Prozent ist der Anteil der Frauen, die hierzulande gründen, ziemlich niedrig.
Keine Frage, das ist viel zu wenig und in den vergangenen Jahren auch nur langsam gestiegen. Frauen stoßen oft auf Hürden, wenn sie gründen wollen. Beispielsweise haben sie es schwerer, an Geld für ihre Ideen zu kommen und gute Kontakte zu knüpfen. Ein weiteres großes Thema ist, wie sie Familie und ihre Unternehmenspläne unter einen Hut bekommen. Das ist besonders wichtig, weil viele Frauen in ihren Dreißigern gründen. Also genau dann, wenn auch die Familienplanung angegangen wird.
Wie können sich die Bedingungen für Gründerinnen verbessern?
Es braucht zum Beispiel einen echten Mutterschutz für Selbständige und Unternehmerinnen, mehr Flexibilität beim Elterngeld und die Möglichkeit, Betreuungskosten stärker von der Steuer abzusetzen. Außerdem ist ein flächendeckender Ausbau von qualitativ guten Betreuungsangeboten wichtig, damit Frauen und Männer gleichberechtigt ihre beruflichen und familiären Pläne verwirklichen können. Das Familienministerium hat schon vor einem Jahr angekündigt, dass die Vereinbarkeit von Unternehmertum und Familie verbessert werden soll. Bisher ist leider nichts passiert.
Sie haben sich ganz konkret eingesetzt, als das Elterngeld für gutverdienende Eltern gedeckelt werden sollte, eine eigene Kampagne entwickelt – und hatten vor dem Bundestag dazu auch eine Anhörung. Dabei betrifft Sie persönlich das Thema gar nicht mehr.
Ich habe mich reingeworfen, weil ich es falsch fand, dass Frauen in dieser sensiblen Lebenslage keine Unterstützung bekommen sollen. Da den Rotstift anzusetzen, sendet doch ein fatales Signal an junge Familien. In dieser Zeit gab es viel Gegenwind, das war nicht immer leicht. Aber am Ende hat sich der Einsatz gelohnt. Für mich war das auch ein demokratischer Lernprozess. Petitionen können etwas bewirken! Darauf bin ich stolz.
Wie schaffen Sie es, mit Gegenwind, mit skeptischen und zweifelnden Menschen umzugehen?
Gute Kommunikation ist alles. Ich versuche, klare Visionen und Begeisterung für das Ziel zu verströmen. So kann man die Leute mitnehmen.
Hat Ihr kommunikativer Ansatz auch mal nicht funktioniert?
Na klar, das passiert uns doch allen. Da hilft nur: Fehler analysieren – weitermachen. Das darf man nicht an sich selbst kleben lassen. Es ist auch eine Chance, zu wachsen und beim nächsten Mal die Dinge besser zu machen.
Welche Gedanken würden uns Deutschen gerade guttun?
Ich möchte die bestehenden Herausforderungen nicht kleinreden. Aber: Die positive Kraft des Gründens sollte uns leiten, Risiko sollte mehr honoriert werden. Bei den Menschen muss endlich ankommen, dass Scheitern kein Stigma ist.
Kira Brück ist freie Journalistin. Sie schreibt über Wirtschafts-, Kultur- und Gesellschaftsthemen, unter anderem für „Spiegel Online“ und „Die Welt“. Sie lebt in Berlin.
Kira Brück ist freie Journalistin. Sie schreibt über Wirtschafts-, Kultur- und Gesellschaftsthemen, unter anderem für „Spiegel Online“ und „Die Welt“. Sie lebt in Berlin.
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