Politische Gewalt

Extremismus in Deutschland: Fünf Jahre nach dem Mord an Walter Lübcke

Warum die rechte Gewaltbereitschaft die größte Gefahr für unsere Demokratie ist

Text: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

Politische Gewalt

Extremismus in Deutschland: Fünf Jahre nach dem Mord an Walter Lübcke

Warum die rechte Gewaltbereitschaft die größte Gefahr für unsere Demokratie ist

Text: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

Ein Bild des ermordeten Walter Lübcke
Ein Bild des ermordeten Walter Lübcke
Ein Bild des ermordeten Walter Lübcke
Ein Bild des ermordeten Walter Lübcke

Mit dem Mord an Walter Lübcke begann eine Serie rechtsextremer Anschläge, während der dreizehn Menschen innerhalb weniger Monate ermordet wurden. Am 2. Juni 2019 erschoss Stephan E. den Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke. Vier Monate später versuchte Stephan B., in eine Synagoge in Halle einzudringen, und erschoss anschließend zwei Menschen. Weitere vier Monate später ermordete Tobias R. in Hanau neun Menschen mit Migrationshintergrund sowie seine Mutter.

Obwohl die Mörder keinen persönlichen Kontakt hatten, gab es einen Zusammenhang. Den Taten ging eine Phase starker Verrohung im politischen und gesellschaftlichen Diskurs voraus. Die AfD, der parlamentarische Arm der Rechtsextremen, schürte jahrelang Hass gegen Flüchtlinge, Minderheiten und ausgewählte demokratische Politiker. Rechtsextreme Netzwerke wie der NSU 2.0, Nordkreuz und Combat 18 führten Todeslisten mit bis zu 25000 Menschen. Bombendrohungen gegen religiöse und politische Einrichtungen, Kitas unter Polizeischutz und Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte beherrschten regelmäßig die Schlagzeilen. Soziale Medien sind Resonanzräume rechtsradikaler Hetze geworden.

Nicht mehr mehrheitsfähig

In dieser Phase zeigte die Bundesrepublik ihre hässlichste Seite. Viele Menschen wurden sich bewusst, dass Hass gegen die vermeintlich Anderen immer noch tief verwurzelt ist. Der Mord an Walter Lübcke war ein Kulminationspunkt, an dem die Hetze in offenen Terror umschlug. Der Kasseler Regierungspräsident war ein Feindbild für Rechtsextreme, nachdem er im Oktober 2015 auf einer Veranstaltung zur Unterbringung von Flüchtlingen für eine werteorientierte Politik plädierte. Rechtsradikalen Störern hielt er entgegen: „Ich würde sagen, es lohnt sich, in unserem Land zu leben. Da muss man für Werte eintreten. (…) Und wer diese Werte nicht vertritt, der kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist.“

Lübcke stand fest auf dem Boden der Verfassung, radikale Ansichten waren ihm fremd. Er warb für Toleranz und Menschlichkeit. Dafür wurde er ermordet. Der Täter Stephan E. glaubte, das deutsche Volk solle durch Ausländer ersetzt werden. Er war einer der 24000 Rechtsextremisten, die das Bundesamt für Verfassungsschutz damals zählte.

Seither ist die Gefahr durch den Rechtsextremismus weiter gestiegen. In seinem letzten Bericht stufte der Verfassungsschutz rund 38800 Personen in Deutschland als rechtsextrem ein, 14000 davon als gewaltbereit. Die AfD ist fest im Parteienspektrum verankert, obwohl sie ihre Rhetorik noch verschärft hat.

Doch die Erfahrung zeigt: Extremismus wird nicht durch härtere Strafen oder ihre Androhung bekämpft, sondern durch starke Strafverfolgungsbehörden, viel Präventionsarbeit und wirkungsvolle Deradikalisierungsprogramme. Zwar haben staatliche Institutionen mittlerweile Veränderungen im Kampf gegen den Rechtsextremismus vorgenommen, doch immer noch arbeiten 17 Verfassungsschutzämter, das Bundeskriminalamt und der Militärische Abschirmdienst nur ineffizient zusammen.

Im vergangenen Jahr gab es 2790 Angriffe auf Politikerinnen und Politiker– doppelt so viele wie 2019, als Lübcke ermordet wurde. Wir sind es den Opfern von Halle und Hanau, aber auch Walter Lübcke schuldig, alles dafür zu tun, dass solche Morde nie wieder geschehen.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist Bundesjustizministerin a.D. sowie stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist Bundesjustizministerin a.D. sowie stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

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