Rezension

Heute fühlt sich alles an wie Krieg

Seit Jahren schickt die Bundesrepublik Soldatinnen und Soldaten für eine demokratische Grundordnung in Auslandseinsätze. Doch welchen Preis zahlen die Menschen, die für uns im Krieg sind? André Hassan Khan hat darüber ein Buch geschrieben.

Text: Theresa Caroline Winter

André Hassan Khan und Gideon Böss:
„Heute fühlt sich alles an wie Krieg. Ein Drohneneinsatz, ein Trauma und seine Folgen“

Rowohlt, Hamburg (2024),
192 Seiten, 18 Euro


Rezension

Heute fühlt
sich alles
an wie Krieg

Seit Jahren schickt die Bundesrepublik Soldatinnen und Soldaten für eine demokratische Grundordnung in Auslandseinsätze. Doch welchen Preis zahlen die Menschen, die für uns im Krieg sind? André Hassan Khan hat darüber ein Buch geschrieben.

Text: Theresa Caroline Winter

André Hassan Khan und Gideon Böss:
„Heute fühlt sich alles an wie Krieg. Ein Drohneneinsatz, ein Trauma und seine Folgen“

Rowohlt, Hamburg (2024),
192 Seiten, 18 Euro


Die Wende in Zeiten von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat unsere gesamte Gesellschaft verändert. Dazu gehört, dass mit einem Mal Soldaten und Soldatinnen anders wahrgenommen werden als zuvor. Sicher, der Soldatenberuf ist kein Job wie jeder andere. Doch lange Zeit fühlten sich diejenigen, die im Ausland für Freiheit und den liberalen Westen eintraten, wenig wahrgenommen und wertgeschätzt. Was aber das Engagement im Ausland mit den Soldatinnen und Soldaten abseits der öffentlichen Wahrnehmung macht, das spiegelt das Buch „Heute fühlt sich alles an wie Krieg“ wider. Die autobiografische Erzählung von André Hassan Kahn (der Journalist Gideon Böss steht ihm als Co-Autor zur Seite) nimmt die Leserinnen und Leser mit durch die Zeit bei der Bundeswehr. Hassan Khan beschreibt seine militärische Laufbahn – von den ersten Schritten im Grundwehrdienst über seine Erfahrungen im Ausland bis hin zu seiner Erkrankung nach einer Posttraumatischen Belastungsstörung durch den Krieg.

Wir waren dazu verdammt, stumme Zeugen eines Massakers zu werden. Zwei Stunden lang.

Seine Erzählung beginnt mit Rückblenden in seine Kindheit. Als Soldat musste er zum ersten Mal in seinem Leben Verantwortung übernehmen. Die Erfahrung, für andere da zu sein und sich in ein Team einzufügen, prägt ihn dauerhaft. Bei der Bundeswehr arbeitet er sich hoch: Von der Logistik wechselt er zur Luftwaffe und wird schließlich zu einem Pionier bei der Bedienung der unbewaffneten Heron-Drohnen. Später wird er ins Ausland geschickt: Insgesamt 1500 Einsatztage absolviert er bei 27 Auslandseinsätzen in Afghanistan, Bosnien-Herzegowina, Mali und Usbekistan. Die Einsätze sind anstrengend und lehrreich zugleich. Doch nicht alles verläuft wie geplant: Als die Taliban 2017 eine Militärbasis der afghanischen Armee angreifen und mindestens 140 Menschen niedermetzeln, kann Hassan Khan das Geschehen nur tatenlos aus der Höhe der Heron-Drohne beobachten. Das traumatische Erlebnis bringt ihn an seine psychischen und physischen Grenzen, er erkrankt.

Hassan Khan gelingt ein Buch mit besonderer Nähe und Authentizität. Indem er zwischen persönlichen Reflexionen und detaillierten Beschreibungen seines Dienstalltags wechselt, dabei gleichzeitig seine Rückblicke mit Zitaten aus seinen Social-Media-Beiträgen während der Einsätze untermauert, entsteht ein Buch, in dem sich politischer Hintergrund, persönliche Erfahrung, hohe Emotionalität und gesellschaftliche Kritik zu einem intensiven und kurzweiligen Text verbinden. Das Buch ist eine bewegende Erzählung über Kameradschaft, Verantwortung und den Umgang mit den extremen physischen und psychischen Belastungen des Soldatenberufs. Auch wird klar, wie groß die Schwierigkeiten der Bundeswehr sind, mit psychisch Verwundeten umzugehen. Auch diese Erkenntnis gehört zur Zeitenwende: Der Beruf als Soldat oder Soldatin ist kein Job wie jeder andere.

Theresa Caroline Winter

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