Filmkritik
Der Film „Die Ermittlung“ schildert den ersten Auschwitz-Prozess,
der 1963 bis 1965 in Frankfurt am Main stattfand. Ein Gespräch darüber
mit dem Produzenten Alexander van Dülmen.
Interview: Sophie Eichhorn
Filmkritik
Der Film „Die Ermittlung“ schildert den ersten Auschwitz-Prozess,
der 1963 bis 1965 in Frankfurt am Main stattfand. Ein Gespräch darüber
mit dem Produzenten Alexander van Dülmen.
Interview: Sophie Eichhorn
Der Film basiert auf einem Theaterstück von Peter Weiss von 1965. Welche Rolle spielt das Stück?
Für unseren Film ist das Jahr der Entstehung des Theaterstückes, das als Grundlage für unser Drehbuch und den Film diente, gar nicht so wichtig. „Die Ermittlung“ bezieht sich auf den sogenannten Ersten Auschwitz-Prozess in Frankfurt am Main von 1963 bis 1965. Dieser verhandelte die verbrecherischen Taten im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau in den Jahren 1940 bis 1945. Die Berichte vor Gericht über die Ereignisse im Lager sind das Zentrum des Films und machen die Taten, die Hintergründe und die Zusammenhänge sichtbar.
Warum ist dieser Film aus Ihrer Sicht gerade heute wichtig?
Die Befreiung von Auschwitz wird im Januar 2025 achtzig Jahre her sein. Die Zeuginnen und Zeugen dieser Verbrechen werden in Kürze alle verstorben sein und nicht mehr aus erster Hand berichten und damit Mahner sein können. Damit geht eine große Verantwortung für uns einher, diesen Teil der Geschichte in unserem Bewusstsein zu halten. Auch verändert sich Gesellschaft ständig. Daher braucht es adäquate und aktuelle Umsetzungen dieser Erinnerungsarbeit, die neue Impulse setzt und auf veränderte Gewohnheiten der Rezeption der Zuschauer reagiert. Eine freiheitlich-demokratische Gesellschaft braucht eine klare Haltung zur Geschichte. Demokratie, Freiheit, Humanismus muss immer wieder erstritten, erkämpft und gewollt sein. Im Film „Die Ermittlung“ sehen wir das komplette Gegenteil: Ein totalitäres Terrorsystem mit verblendeter Ideologie, das keine Menschlichkeit mehr zulässt.
von links oben nach rechts unten: Axel Pape (Zeuge), Christiane Paul (Zeugin), Thomas Wlaschiha (Zeuge), Clemens Schick (Ankläger) und Bernhard Schütz (Verteiger)
von oben nach unten: Axel Pape (Zeuge),
Christiane Paul (Zeugin), Thomas Wlaschiha (Zeuge), Clemens Schick (Ankläger) und Bernhard Schütz (Verteiger)
Der Film ist bewusst sehr schlicht inszeniert. Haben Sie eine Szene, die Sie persönlich am meisten bewegt?
Da gibt es viele Szenen, die ich beschreiben könnte. Das ist auch immer wieder anders: Ob ich nur den Text lese, bei einer Probe die Schauspielerin oder den Schauspieler erlebe, das Ganze beim Dreh sehe oder im Schneideraum. Bei den Proben im Studio Adlershof, als wir zum ersten Mal von der Probebühne in die große Bühne des Studios wechselten und zum ersten Mal mit Licht, Kameras und auch in den Kostümen probten, da merkte ich bei dieser Szene, dass sie mir sehr nahe geht: Der großartige tschechische Schauspieler Jií Mádl, der mit seiner Figur als Häftlings-Zeuge im Gesang 9 Folgendes beschreibt: „Am 3. September 1941 wurden im Bunkerblock die ersten Versuche von Massentötungen durch das Gas Zyklon B vorgenommen. Sanitätsdienstgrade und Wachmannschaften führten etwa 850 sowjetische Kriegsgefangene, sowie 220 kranke Häftlinge in den Block Elf...“ Dem folgt die sehr konkrete Beschreibung, wie dieser Funktionshäftling die Leichen aus dem Bunker nach der Vergasung herausholen musste. Das war der Beginn der Massenvernichtung mittels Gas.
Wie werden die Zuschauer auf diesen Film reagieren?
Bestimmt wird es starke emotionale Reaktionen geben. Das verwehrt aber nicht die Möglichkeit des Denkens. So kann man das systemische Versagen von Gesellschaft, das strukturelle Problem von Machtsituationen ohne Kontrolle, die negative Kraft des Opportunismus, aber auch die persönliche Schuld von Einzelnen begreifen. Mein Wunsch ist, dass mit dem Zuschauer etwas passiert, dass er vielleicht schlucken muss, nachdenken, schweigen, sich aber auch erst zum Thema verhalten muss und vielleicht erst einmal keine schnellen Antworten hat. Aber langfristig, nach dem Schrecken über das, was geschehen ist, auch ein Wille und eine Zuversicht entstehen, dafür einzustehen, was eine demokratische Gesellschaft auszeichnen sollte: Freiheit und Humanismus.
Der Film ist ab Juli 2024 im Kino zu sehen– die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit hat seine Produktion unterstützt.
Sophie Eichhorn ist Pressereferentin der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.
Sophie Eichhorn ist Pressereferentin der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.
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