Präsident William Lai von der DPP steht vor einer schwierigen Regierungsbildung.

Bei der größten Wahl der Welt in Indien hat die Partei von Premierminister Narendra Modi Verluste hinnehmen müssen.

Politisches Beben in Südafrika: Der ANC unter Cyril Ramaphosa muss eine Koalition eingehen.

Vor Ort

Eine neue Welt der Kompromisse und der Koalitionen

Im Superwahljahr 2024 sind hunderte Millionen Menschen an die Urnen gerufen. Erste Ergebnisse in Indien, Südafrika und Taiwan zeigen: Demokratische Prozesse funktionieren, auch wenn sich die Machtverhältnisse ändern.

Text: Sophie Eichhorn und Thomas Volkmann

Taiwan: Präsident William Lai von der DPP steht vor einer schwierigen Regierungsbildung. Bei der größten Wahl der Welt in Indien hat die Partei von Premierminister Narendra Modi Verluste hinnehmen müssen. Politisches Beben in Südafrika: Der ANC unter Cyril Ramaphosa muss eine Koalition eingehen.

Vor Ort

Eine neue Welt der Kompromisse und der Koalitionen

Im Superwahljahr 2024 sind hunderte Millionen Menschen an die Urnen gerufen. Erste Ergebnisse in Indien, Südafrika und Taiwan zeigen: Demokratische Prozesse funktionieren, auch wenn sich die Machtverhältnisse ändern.

Text: Sophie Eichhorn und Thomas Volkmann

Das Jahr 2024 ist für die Demokratien weltweit von entscheidender Bedeutung. Von Taiwan über Indien bis hin zu Südafrika und den USA spiegeln diese und noch weit mehr Wahlen in anderen Ländern mehr als nationale Entwicklungen wider. Sie sind Barometer dafür, ob es gelingt, demokratische Antworten auf wichtige globale Fragen zu finden. Schon die Europawahlen Mitte Juni 2024, die Neuwahlen in Frankreich und im Vereinigten Königreich Anfang Juli, haben gezeigt, unter welchem Druck die Demokratien Europas stehen. Aus deutscher und europäischer Sicht stellt sich die Frage, ob die Trends hin zu stärkeren autokratischen Tendenzen in der Welt zunehmen. Die Wahlergebnisse in Taiwan, Indien und Südafrika bieten einen aufschlussreichen Einblick in die politische Landschaft dieser Länder. Sind sie Richtungsweiser für globale Entwicklungen?

Taiwan unter Pekings Druck

Taiwan erlebte im Januar 2024 eine wichtige Wahl: William Lai von der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) wurde Präsident. Lai setzt sich für den Erhalt der demokratischen Autonomie Taiwans ein und fordert ein Ende der politischen und militärischen Einschüchterung durch China. Die DPP verlor allerdings knapp ihre Mehrheit im Parlament, was die politische Landschaft und die Regierungsbildung komplizierter macht. Lais Regierung steht nun vor der Aufgabe, politische Kompromisse zu finden, um Gesetze und Programme durchzusetzen und gleichzeitig den Status quo der Insel zu verteidigen. Die internationale Position Taiwans, vor allem die Beziehungen zu China und den USA, bleibt ein zentrales Thema. Taiwan kämpft weiterhin gegen zunehmenden Druck aus Peking.

Indien – die größte Wahl der Welt

Indien wählte sechs Wochen lang – die größte Wahl der Welt. Von Mitte April bis Anfang Juni gaben 970 Millionen Menschen ihre Stimme ab. In Indien gewann Premierminister Narendra Modi die Wahl, allerdings musste seine Partei, die Bharatiya Janata Party (BJP), Verluste hinnehmen. Dennoch konnte sich Modi eine historische dritte Amtszeit sichern. Für Modi ist das Wahlergebnis ein Wendepunkt, da er nun eine Koalitionsregierung führen muss. Bislang war seine Regierungsführung von einer starken zentralisierten Macht geprägt. Nun hat die BJP ihre absolute Mehrheit im Parlament verloren und ist auf die Unterstützung von Verbündeten in der National Democratic Alliance (NDA) angewiesen. Die Opposition, insbesondere die Kongresspartei, konnte in mehreren Wahlkreisen überraschend starke Ergebnisse erzielen, was auf eine wachsende Kritik an Modis wirtschaftlicher Politik und seiner Hindu-Nationalismus-Rhetorik hinweist.

Politisches Beben in Südafrika

Politisches Beben
in Südafrika

Das Wahlergebnis vom 29. Mai 2024 hat in Südafrika ein politisches Beben ausgelöst: Erstmals in der Geschichte des demokratischen Landes und 30 Jahre nach dem Ende der Apartheid hat die Regierungspartei African National Congress (ANC) bei landesweiten Wahlen die absolute Mehrheit verloren. Korruption und Misswirtschaft hatten das Vertrauen der Bevölkerung in die einstige Freiheitspartei Nelson Mandelas untergraben. Die Wahlbeteiligung war mit 58,6 Prozent rückläufig, was als Zeichen wachsender Politikverdrossenheit in der Bevölkerung gilt. Erstmals gibt es nun auf nationaler Ebene eine Koalitionsregierung. Mittendrin: die liberale Democratic Alliance (DA), die bisher größte Oppositionspartei des Landes. Die politischen Aufgaben, die vor dem neuen Regierungsbündnis liegen, sind enorm. Wenn es den zehn Koalitionsparteien mit ihren stark divergierenden Interessen gelingt, einen Ausgleich zu finden und transparent zu regieren, könnte sich das Land positiv entwickeln. Die liberale Democratic Alliance hat mit Regierungsverantwortung schon Erfahrung: Sie regiert seit Jahren wirtschaftlich erfolgreich die Provinz Westkap.

Demokratische Prozesse funktionieren

Was verbindet alle drei Wahlen in so unterschiedlichen Ländern und was bedeuten sie für uns? Zwei Dinge sind ihnen gemein: Zum einen ging den Wahlen jeweils ein intensiv geführter Wahlkampf voraus. Die Ergebnisse zeigen die politische Fragmentierung und den Wunsch nach Veränderung.

Zum anderen sind die Ergebnisse von den Parteien anerkannt worden, auch wenn sie zu einem Machtwechsel oder einer Machtverschiebung geführt haben. Das ist nicht selbstverständlich und ein positives Zeichen für einen lebendigen, demokratischen Prozess in wichtigen Ländern.

Auch für die deutsche Außenpolitik sind die Wahlergebnisse von großer Bedeutung. Deutschland nimmt eine aktive Rolle in der Förderung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten weltweit ein. Das geht mehr denn je nur in Allianzen, in denen Deutschland seine Werte und Interessen vertritt. Angesichts der Tatsache, dass politische Herausforderungen zunehmend global sind, angesichts autoritärer Tendenzen und wirtschaftlicher Unsicherheiten, muss die deutsche Außenpolitik weiter auf multilaterale Institutionen setzen und mit internationalen Partnern wie auch Konkurrenten konstruktiv zusammenarbeiten.

Wichtige Handelspartner

Die Ergebnisse der Wahlen in Südafrika und Indien wirken sich außerdem direkt auf die deutsche Wirtschaft aus. Südafrika etwa ist der größte Handelspartner Deutschlands in Afrika und spielt selbst eine zentrale Rolle im afrikanischen Markt. Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung in Südafrika sind daher für deutsche Unternehmen wichtig, die in verschiedenen Branchen – vom Maschinenbau über die Automobilindustrie bis hin zu erneuerbaren Energien – aktiv sind.

Indien wiederum ist ein bedeutender Markt für deutsche Exporte, insbesondere im Maschinen- und Fahrzeugbau und in der Chemie. Deutsche Unternehmen haben ein starkes Interesse an einem stabilen politischen Umfeld, das langfristige Investitionen und Geschäftsentwicklungen ermöglicht.

Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit ist in allen drei Regionen mit Büros vertreten. Ausführliche Schilderungen der jeweiligen Wahlen und ihrer Bedeutung aus deutscher Sicht finden Sie auf freiheit.org. Das Büro in Johannesburg leitet Inge Herbert. Das Büro in Delhi leitet Carsten Klein. Das Büro in Taipei leitet Anna Marti, derzeit vertreten von Rainer Adam.

Sophie Eichhorn ist Pressereferentin der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.
Thomas Volkmann ist Stellvertretender Leiter des Liberalen Instituts der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

Sophie Eichhorn ist Pressereferentin der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.
Thomas Volkmann ist Stellvertretender Leiter des Liberalen Instituts der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

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