JUNGE KOLUMNE
Verschwörungstheorien und Hass im Internet sorgen in Großbritannien für tiefe Risse in der Gesellschaft. Soziales Engagement ist wichtiger denn je.
Text: Felix Langrock
JUNGE KOLUMNE
Verschwörungstheorien und Hass im Internet sorgen in Großbritannien für tiefe Risse in der Gesellschaft. Soziales Engagement ist wichtiger denn je.
Text: Felix Langrock
Die nordostenglische Stadt Stoke-on-Trent ist vor allem für ihr Töpferei-Museum bekannt und schafft es eher selten in die Weltpresse. Anders im April 2023: Das englische Innenministerium erkannte der Stadt in den Midlands den Status als „Prevent Priority Area“ ab. Daraufhin verlor die Stadt finanzielle Unterstützung, um den sozialen Zusammenhalt unter den fast eine Viertelmillion Einwohnern zu stärken.
Dabei gibt es in Stoke-on-Trent immer noch viele extremistische Aktivitäten, die das Sozialwesen untergraben: Verschwörungstheorien und sogenannte Freiheitsbeschränkende Belästigungen (Freedom-Restricting Harassment) führen dazu, dass immer mehr Menschen das Vertrauen in die lokalen demokratischen Einrichtungen verlieren.
Desinformationen und bröckelndes Vertrauen gefährden den sozialen Zusammenhalt.
Der soziale Zusammenhalt in englischen Städten ist fragil. Das hat vor allem zwei Gründe: Desinformationen und eine sich verschlechternde Beziehung zwischen Bevölkerung und lokalen Behörden.
Desinformationen gefährden den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft – nicht nur in England. Erst im August 2024 zeigte sich, welchen Einfluss sie auf das gesellschaftliche Klima haben können. Nach der Ermordung von drei jungen Mädchen im englischen Southport kam es in vielen Städten des Landes zu schlimmen Ausschreitungen: Sie wurden befeuert von dem Gerücht, der Täter sei ein muslimischer Asylsuchender gewesen.
Weil falsche Informationen so gefährlich sein können, hat sich einer meiner Kommilitonen in London dieser Problematik angenommen. Zusammen mit einem anderen Studenten hat er eine Plattform gegründet, durch die Asylbewerber anhand automatisierter Fragebögen geführt werden. Ziel ist die Beschleunigung von einfachen, aussichtsreichen Asylanträgen. Künftig soll die Plattform die staatlichen Systeme ergänzen und verifizierbare Informationen über Asylanträge liefern. Nebeneffekt: Falschinformationen sind leichter zu widerlegen.
Doch nicht nur Desinformationen schaden dem sozialen Zusammenhalt in England. Auch die Beziehungen zwischen Bevölkerung und lokalen Behörden verschlechtern sich aus vielen Gründen zusehends. Im Englischen werden diese Beziehungen als „community cohesion“ bezeichnet, was den Zusammenhalt von Menschen unterschiedlicher Ethnien und Schichten in einer Gemeinschaft beschreibt. Für mehr „community cohesion“ gibt es schon viele praktische Tipps, zum Beispiel den, bestehende Kanäle der Kooperation mit Glaubensgemeinschaften oder Arbeitnehmervertretungen aktiv zu nutzen. Gleichzeitig sollen lokale Beratungsstellen alle Mitglieder der Gemeinschaft erreichen. Wie wirksam solch eine Kooperation ist, habe ich bei meiner Arbeit in der studentischen Rechtsberatung, der Legal Clinic meiner Universität direkt erfahren können. Dort habe ich als Team Leader mit einer Gruppe von Studierenden Anfragen für die Rechtsberatung bearbeitet. Sobald Bewerberinnen oder Bewerber durch das Raster der Beratungsstelle fielen, verwiesen wir sie an andere Organisationen in ihrer Nähe. So konnten wir zum einen das Netzwerk mit lokalen Organisationen ausbauen. Zum anderen wurde einem Großteil der Ratsuchenden geholfen, was wiederum die „community cohesion“ gestärkt hat.
Es gibt also durchaus viele unterschiedliche, wirksame Ansätze, den Zusammenhalt zu stärken. Auch Stoke-on-Trent wird sie nutzen müssen, um das Zusammenleben in der Stadt zu verbessern. In die Schlagzeilen geraten solche Ansätze allerdings leider selten.
Felix Langrock studiert Rechtswissenschaften am King’s College in London.
Felix Langrock studiert Rechtswissenschaften am King’s College in London.
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