Paul van Dyk

Die Verantwortung sich einzubringen

Paul van Dyk
PAUL VAN DYK, geboren in Eisenhüttenstadt und aufgewachsen in Berlin-Lichtenberg ist DJ, Musikproduzent und Hörfunkmoderator.

Die Kontaktarmut während der Pandemie habe die gesellschaftlichen Verwerfungen verschärft, sagt der weltweit gefeierte DJ Paul van Dyk. Der Liberalismus biete zeitgemäße Antworten.

INTERVIEW: HELENA VON HARDENBERG

Paul van Dyk

Die Verantwortung sich einzubringen

Paul van Dyk
PAUL VAN DYK, geboren in Eisenhüttenstadt und aufgewachsen in Berlin-Lichtenberg ist DJ, Musikproduzent und Hörfunkmoderator.

Die Kontaktarmut während der Pandemie habe die gesellschaftlichen Verwerfungen verschärft, sagt der weltweit gefeierte DJ Paul van Dyk. Der Liberalismus biete zeitgemäße Antworten.

INTERVIEW: HELENA VON HARDENBERG

Herr van Dyk, wir erleben gerade wegen Corona viele Einschränkungen von Freiheiten. Die Kultur war davon besonders betroffen. Warum aber ist gerade sie jetzt so wichtig?

Eine Gesellschaft braucht Kultur, Unterhaltung, gemeinsame Erlebnisse bei Musik und im Theater. Das schafft ein Miteinander – und genau daran hat es uns in der Pandemie gefehlt. Da wurde die Gesellschaft eher noch weiter auseinanderdividiert.

Hat es nicht viele Ideen gegeben, den Kulturbetrieb wenigstens digital weiterzuführen und auf diese Weise immerhin eine andere Form des Miteinanders zu schaffen?

Schon. Und gerade als Künstler bin ich sehr dankbar für jede Idee, die es gab, und für jede Möglichkeit, wieder in irgendeiner Art und Weise miteinander und mit dem Publikum zu interagieren. Trotzdem bleibt es nur ein Ersatz für den Moment. Es ist nichts, wovon ich sagen würde, es war eine Weiterentwicklung, die wir beibehalten sollten. Das direkte menschliche Miteinander ist einfach durch nichts zu ersetzen. Ob das jetzt vor dem Bildschirm ist oder bei Veranstaltungen mit ganz viel Abstand voneinander und vom Künstler – das sind alles nur Zwischenlösungen, bis es dann hoffentlich mal wieder so ist, wie es sein sollte: dass man gemeinsam Spaß haben kann. Dieses Miteinander ist den Leuten wichtig! Es geht gar nicht darum, die ganze Nacht durchzufeiern. Es geht einfach um ein halbwegs ungezwungenes Miteinander. Einen ganzen Abend durchlabern zum Beispiel.

Wie lange haben Sie das schon nicht mehr gehabt?

Schon lange nicht mehr. Meine Freunde sind auf der ganzen Welt verstreut; ich habe sie alle seit fast zwei Jahren nicht gesehen. Das zehrt schon seelisch an einem, wenn sich der Kontakt darauf reduziert, dass man sich zwar in gewissen Abständen nach dem jeweiligen Befinden erkundigt, man aber lange keinen Abend mehr miteinander verbringen kann. Ich glaube, der Austausch, den der direkte Kontakt ermöglicht, ist sehr viel wert. Das gehört einfach zu uns sozialen Wesen dazu.

Freiheit hat auch etwas mit sozialer Gerechtigkeit und Balance zu tun.

Freiheit hat auch etwas mit sozialer Gerechtigkeit und Balance zu tun.

Was entgeht uns, wenn wir dieses Miteinander nicht haben? Kreativität? Produktivität?

Das ist sicherlich ein Aspekt. Ein größeres Problem sehe ich aber vor allem darin, dass weniger Verständnis füreinander da ist, dass man auch weniger aufeinander eingeht, weil jeder sich nur noch in seiner Blase befindet – gerade in den sozialen Medien. Dann setzt man sich nicht mehr mit konträrer Meinung auseinander. Deswegen sehen wir auch sich verschärfende gesellschaftliche Verwerfungen, auch in Deutschland.

Ist das in der Kultur so oder ganz allgemein?

Ganz allgemein. Ich habe während der Pandemie festgestellt, dass Empathie und das Bemühen, andere zu verstehen, in unserem demokratischen Diskurs in Deutschland immer weniger stattfinden. In den sozialen Medien wird man zunächst beleidigt, dann diskreditiert, und dann wird einem vorgeworfen, dass man in keine offene Diskussion eintreten möchte. Das ist absurd. Man kann doch erst einmal davon ausgehen, dass die anderen auch auf dem demokratischrechtsstaatlichen Boden stehen und danach streben, die Gesellschaft nach vorn zu bringen. Darüber, wie das konkret geht, gibt es nun einmal unterschiedliche Ideen. Darüber muss man miteinander reden. Und das findet zu wenig statt. Mein Eindruck ist, dass das gerade in der Pandemie auch gar nicht gewünscht war.

Wie das?

Gerade mit Blick aufs Kanzleramt hat man ja den Eindruck gehabt, wir sollten einfach die Klappe halten, und die machen das dann irgendwie. Man hat da sehr wenig erklärt und kaum versucht, die Leute mit Empathie mitzunehmen. Man hat bei unseren Grundrechten einfach den Stecker gezogen. Ich fand es sehr bedenklich, wie viele Leute das einfach so akzeptiert haben und immer noch hinnehmen. Wir müssen doch über so etwas erst einmal diskutieren. Und es ist doch klar, dass wir die gesundheitliche und wirtschaftliche Problematik nur in den Griff bekommen können, wenn die gesellschaftliche Dynamik stimmt und wir gemeinsam das Gefühl haben, dass der Weg für uns alle gangbar ist. Die FDP hat als die einzige politische Kraft bei allen Maßnahmen immerhin auf Rechtsstaatlichkeit gepocht.

Hat die Politik den Kulturschaffenden genug geholfen? Was soll der Staat tun?

Man hat schon viel zu helfen versucht, aber die Bürokratie hat auch wieder manches verpuffen lassen. Weil die Probleme so vielfältig sind, kann ich jetzt auch keine genaue Punkteliste anbieten. Aber meine Erwartung an ie Regierenden ist schon, dass sie die Problematik ganzheitlich betrachten und dann Lösungsmöglichkeiten anbieten, die der Komplexität der Situation gerecht werden. Da ist ein purer Lockdown-Dogmatismus einfach falsch. Da fällt ganz, ganz viel hinten runter. Die Clubs haben beispielsweise finanzielle Unterstützung bekommen, aber die Menschen, die dafür sorgen, dass sie sich mit Leben füllen, eben nicht: die Toilettenfrau, die normalerweise die ganze Nacht lang im Club dafür sorgt, dass alles sauber ist; die Sicherheitsleute; die DJs; die Lichtleute; die Techniker und so weiter. Die sind oft einfach auf Hartz IV verwiesen worden. Die letzten anderthalb Jahre waren schlimm für die Menschen in der Kulturbranche – wirtschaftlich, aber auch seelisch. Viele hatten permanente Zukunftsangst und konnten gar nicht mehr abschalten, weil sie überhaupt nicht wussten und immer noch nicht wissen, wie es weitergeht.

Sie selbst sind während des Lockdowns im April 2021 in die FDP eingetreten, obwohl Sie bis dahin immer SPD gewählt hatten. Wieso?

Still zu Hause zu sitzen ist das eine, aber man hat auch eine Verantwortung, sich gesellschaftlich einzubringen. Wenn ich das Gefühl habe, es läuft etwas schief, dann muss ich mich einbringen. Und das macht man am besten parteipolitisch organisiert, denn sonst läuft man ins Leere. Ich war schon 2017 FDP-Wähler, aber meiner Entscheidung zum Eintritt ging ein Entwicklungsprozess voraus. Das hat nicht direkt etwas mit der Pandemie zu tun. Ich habe in der FDP, wie sie heute ist, sehr viele Leute kennengelernt, die einen gemeinschaftlichen Geist aus der Mitte verbreiten, sodass man die Menschen mitnimmt auf dem Weg nach vorne. Diese Partei hat das einzige Programm, das progressiv nach vorn wirkt. Das gibt mir Hoffnung und positive Energie, mich weiter zu engagieren und positiv nach vorn zu schauen.

Warum ist Ihnen freiheitliches Denken wichtig?

Ich glaube, dass eine vom freiheitlichen Denken getriebene Dynamik in unserer politischen Landschaft sehr wichtig ist. Freiheit hat auch etwas mit sozialer Gerechtigkeit und Balance zu tun; und das weiß man in der FDP. Wenn ich die Möglichkeit bekomme, mich von wo auch immer her hochzuarbeiten, mich zu engagieren und etwas in meinem Leben zu erreichen, vielleicht sogar einen Traum zu verwirklichen, dann bewege ich mich in einer fairen Gesellschaft. Natürlich muss ich dabei immer auch Respekt und Toleranz für mein Gegenüber aufbringen und die Grenzen respektieren, die mir dessen Freiheit setzt.

Ist das für Sie schon Freiheit? Oder was gehört noch zur Freiheit dazu?

Freiheit ist natürlich etwas Ganzheitliches. Schon dass wir dieses Gespräch offen führen können, hat etwas mit Freiheit zu tun. Wir sehen gerade, was passiert, wenn die Freiheit in einer Gesellschaft massiv eingeschränkt wird. In Afghanistan zum Beispiel, wo die Taliban gerade versuchen, Frauen davon abzuhalten, zur Schule und zur Arbeit zu gehen. Wir hingegen haben das Glück, in einem freiheitlichen Land zu leben. Das ist gar keine Frage. Wir sind eine große demokratische Gemeinschaft. Bei uns besteht die politische Aufgabe darin, die Anliegen aller Bürgerinnen und Bürger in den Prozess der Entscheidungsfindung einfließen zu lassen und diesen dann auch transparent darzustellen. Nur so nimmt man die Leute mit, nur so kann man dann auch Veränderungen herbeiführen.

Helena von Hardenberg leitet das Referat Presse und Digitale Kommunikation bei der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

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