UPDATE

Weniger Drama

Die Medien spiegeln das Weltgeschehen mit zu viel Alarmismus, und gerade die Jüngeren wenden sich erschöpft ab. Gefragt ist journalistischer Nutzwert. 

TEXT: MICHAEL HIRZ


UPDATE

Weniger Drama

Die Medien spiegeln das Weltgeschehen mit zu viel Alarmismus, und gerade die Jüngeren wenden sich erschöpft ab. Gefragt ist journalistischer Nutzwert. 

TEXT: MICHAEL HIRZ

Eigentlich sind schlechte Zeiten gute Zeiten für Medien. Die Informationsangebote von Radio und Fernsehen, Internet und Zeitungen haben Konjunktur, je mehr Krisen und Katastrophen wieder einmal deutlich werden lassen, dass -die Vertreibung aus dem Paradies erfolgreich war. So gesehen müssten die vergangenen Jahre Boom-Jahre für Medien gewesen sein: Fukushima, Energiewende, Klimawandel, Corona, Putins Angriffskrieg auf die Ukraine und Inflation – es mag an vielem mangeln, an Drama aber ganz offensichtlich nicht.

Gute Zeiten für Medien, zumindest für Informationsangebote, sind es dennoch nicht. Im Gegenteil: Zumindest an einem großen Teil der Bevölkerung rauschen Informationen über das Tagesgeschehen vorbei. Sie interessieren offenbar schlicht nicht mehr. Auffällig ist vor allem die News-Abstinenz der Jüngeren: Die Hälfte der jungen Erwachsenen hält es nach einer Studie des Leibniz-Instituts für Medienforschung nicht für wichtig, sich über aktuelle Ereignisse zu informieren. Bei Älteren, so darf vermutet werden, gibt es noch eine Art gefühlter Verpflichtung, sich über das Weltgeschehen auf dem Laufenden zu halten.

Der Journalismus muss die Frage beantworten, was die aktuellen Ereignisse für das eigene Leben bedeuten. 

Oft umgehen die Menschen Informationsangebote der Medien sogar bewusst, wie aus dem aktuellen repräsentativen „Reuters Institute Digital News Report“ hervorgeht. Diese Form kollektiver Diät muss eine offene, liberale -Gesellschaft beunruhigen. Wenn Informiertheit ein Minderheiten-Phänomen wird, ein Elitenprojekt, dann wird die Meinungsbildung zum Lotteriespiel – allerdings mit vielen Nieten. Zwar sorgen hochdramatische Ereignisse wie der Ukraine-Krieg kurzfristig für eine Auffrischung des Interesses, die Nutzung von „Tagesschau“ und Co. erreicht Spitzenwerte. Doch einen Trend generiert das nicht. Abgesehen von diesen Strohfeuer-Effekten schwindet generelles Interesse kontinuierlich. Was also tun?

Erst einmal wäre demütige Selbstkritik der Medienmacher und -macherinnen gefragt. Klar ist, dass ständiger Alarmismus nervt. Der gelegentlich entfesselte Überbietungswettbewerb mancher Medien in Sachen Dramatik entwertet Journalismus, verunsichert und hinterlässt ein überreiztes Publikum, das sich irgendwann erschöpft abwendet. Am Beispiel der Corona-Berichterstattung lässt sich das geradezu idealtypisch zeigen. Es gab kaum eine Außenseiterposition, die nicht als schrilles Angebot auf den Markt der Meinungen gebracht wurde. Das diente nicht der Aufklärung, sondern der Quote oder der Auflage – der Kollateralschaden war Verunsicherung. Auch der mediale Umgang mit Putins Angriffskrieg ermüdet, wenn statt Hintergründen und Fakten serielle Talkshows mit immergleichen Gästen und immergleichen Debatten kaum Erkenntnisgewinn produzieren. Stattdessen stellt sich Überdruss ein, wenn sich der x-te zu Recht unbekannte Stratege zum weiteren Verlauf des Krieges äußert.

Auch gilt es, in den Redaktionen von Hörfunk und Fernsehen, Online-News und Zeitungen vor allem mit Blick auf ein jüngeres Publikum darüber nachzudenken, wie man Nachrichten so aufbereitet, dass ihr Nutzwert für den Alltag der Menschen deutlicher wird. Was bedeuten die aktuellen Ereignisse für das eigene Leben? Für den Journalismus bedeutet das: Er muss sich anpassen, um auch künftig seinen gesellschaftlichen Auftrag zu erfüllen.

Oft umgehen die Menschen Informationsangebote der Medien sogar bewusst, wie aus dem aktuellen repräsentativen „Reuters Institute Digital News Report“ hervorgeht. Diese Form kollektiver Diät muss eine offene, liberale -Gesellschaft beunruhigen. Wenn Informiertheit ein Minderheiten-Phänomen wird, ein Elitenprojekt, dann wird die Meinungsbildung zum Lotteriespiel – allerdings mit vielen Nieten. Zwar sorgen hochdramatische Ereignisse wie der Ukraine-Krieg kurzfristig für eine Auffrischung des Interesses, die Nutzung von „Tagesschau“ und Co. erreicht Spitzenwerte. Doch einen Trend generiert das nicht. Abgesehen von diesen Strohfeuer-Effekten schwindet generelles Interesse kontinuierlich. Was also tun?

Erst einmal wäre demütige Selbstkritik der Medienmacher und -macherinnen gefragt. Klar ist, dass ständiger Alarmismus nervt. Der gelegentlich entfesselte Überbietungswettbewerb mancher Medien in Sachen Dramatik entwertet Journalismus, verunsichert und hinterlässt ein überreiztes Publikum, das sich irgendwann erschöpft abwendet. Am Beispiel der Corona-Berichterstattung lässt sich das geradezu idealtypisch zeigen. Es gab kaum eine Außenseiterposition, die nicht als schrilles Angebot auf den Markt der Meinungen gebracht wurde. Das diente nicht der Aufklärung, sondern der Quote oder der Auflage – der Kollateralschaden war Verunsicherung. Auch der mediale Umgang mit Putins Angriffskrieg ermüdet, wenn statt Hintergründen und Fakten serielle Talkshows mit immergleichen Gästen und immergleichen Debatten kaum Erkenntnisgewinn produzieren. Stattdessen stellt sich Überdruss ein, wenn sich der x-te zu Recht unbekannte Stratege zum weiteren Verlauf des Krieges äußert.

Auch gilt es, in den Redaktionen von Hörfunk und Fernsehen, Online-News und Zeitungen vor allem mit Blick auf ein jüngeres Publikum darüber nachzudenken, wie man Nachrichten so aufbereitet, dass ihr Nutzwert für den Alltag der Menschen deutlicher wird. Was bedeuten die aktuellen Ereignisse für das eigene Leben? Für den Journalismus bedeutet das: Er muss sich anpassen, um auch künftig seinen gesellschaftlichen Auftrag zu erfüllen.

Michael Hirz...

Michael Hirz...

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