SOLIDE FINANZEN
Deutschlands Kommunen geraten finanziell immer weiter in Schieflage. Während der Bund in den vergangenen Jahren lange mit der „Schwarzen Null“ geprahlt hat, haben die Kommunen fleißig Schulden aufgebaut. Das geht nicht nur auf Corona, sondern auch auf versäumte Strukturreformen und verunglückte Sparanstrengungen zurück.
Text: Jacob Wolf
Illustrationen: Emmanuel Polanco
SOLIDE FINANZEN
Deutschlands Kommunen geraten finanziell immer weiter in Schieflage. Während der Bund in den vergangenen Jahren lange mit der „Schwarzen Null“ geprahlt hat, haben die Kommunen fleißig Schulden aufgebaut. Das geht nicht nur auf Corona, sondern auch auf versäumte Strukturreformen und verunglückte Sparanstrengungen zurück.
Text: Jacob Wolf
Illustrationen: Emmanuel Polanco
Deutschlands Kommunen klagen immer wieder über ihre finanzielle Not. Lange hat man die Situation belächelt, doch nun droht sie zu eskalieren. Allein im Jahr 2021 stiegen die kommunalen Schulden bundesweit um 4,1 Prozent. Erschreckend daran ist, dass die Verschuldung der Kern- und Extrahaushalte zwar um 0,1 Prozent zurückging, die Verschuldung der öffentlichen Fonds, Einrichtungen und Betriebe hingegen um 7,8 Prozent anstieg. In den letzten Jahrzehnten wurden überfällige Strukturreformen versäumt, insbesondere im Bereich der Digitalisierung. Unsere Kommunen und ihre Verwaltung waren schon Ende der 1990er-Jahre nicht mehr für ein weiteres Wachstum aufgestellt.
Auch die Sparbemühungen der Vergangenheit kommen die Kommunen heute teuer zu stehen. Die öffentliche Infrastruktur wurde heruntergewirtschaftet, man hat von der Substanz gelebt und am falschen Ende gespart. Durch fehlende Reinvestitionen sind nun Neubauprojekte nötig, bei Straßen, Abwasserkanälen oder im ÖPNV. Nach wie vor können unsere Gemeinden ihre Einnahmen nur schwer zuverlässig prognostizieren. Das liegt vor allem am starken Einfluss der Gewerbesteuer auf den städtischen Haushalt. Schwankungen zwischen fünf und zehn Prozent bei den Einnahmen sind keine Seltenheit. Bei guter Konjunktur führt dies oft zu überraschend positiven Ergebnissen. Ob man sich in Zeiten von Inflation und wirtschaftlicher Stagnation darauf verlassen kann, ist allerdings nicht sicher. Außerdem sind oft ehrenamtliche Kommunalpolitikerinnen und -politiker für die knapp 300 Milliarden Euro an kommunalen Schulden verantwortlich. Sie haben die Haushaltshoheit. Fraglich ist, ob sie der Komplexität eines kommunalen Haushaltes gerecht werden können.
Machtvolle Verwaltung
Deshalb liegt die Kontrolle über die städtischen Finanzen meist bei der Verwaltung. Statt Prozesse grundsätzlich zu überarbeiten, führt sie bestehende Prozesse fort oder baut sie auf. Das Resultat: aufgeblähte Haushalte mit oft unnötig teuren Lösungen. Eine gesunde Revisions- und Controllingkultur? Fehlanzeige. Auch die eher leidige Zusammenarbeit der Kommunen auf Politik- und Verwaltungsebene sorgt für teure Insellösungen statt Orientierung an Best-Practice-Beispielen.
Aber auch Bund und Länder sind für die Schieflage verantwortlich. Sie delegieren immer mehr Aufgaben an die Kommunen oder erweitern bestehende Aufgaben. Der gesetzliche Anspruch auf Ganztagsbetreuung in Schulen etwa führt zu Mehrausgaben. Auch Finanzreformen wie etwa der Abbau der kalten Progression treffen die Kommunen. Allein 2023 und 2024 verlieren sie so 4,2 Milliarden Euro an Einnahmen. Und das Deutschlandticket führt zu Mindereinnahmen der meist kommunalen Verkehrsbetriebe, trotz der von Bund und Ländern als Verlustausgleich zugesagten drei Milliarden Euro.
Der auf den Gemeinden lastende Konsolidierungsdruck ist immens. Man kann nur hoffen, dass er dazu führt, dass überfällige Reformen nun nachgeholt werden. Fest steht aber auch, dass das Sparen auf kommunaler Ebene wesentlich unpopulärer ist als im Land oder im Bund.
Jacob Wolf ist Stellvertretender Geschäftsführer der FDP-Fraktion in Frankfurt am Main.
Jacob Wolf ist Stellvertretender Geschäftsführer der FDP-Fraktion in Frankfurt am Main.
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