Desinformation

Kann man
Desinformation
verbieten?

Text: Benjamin Läpple

Der enorme Erfolg radikaler, hetzerischer und hasserfüllter Aussagen auf TikTok hat die populäre Videoplattform des chinesischen Konzerns ByteDance mitten in die öffentliche Debatte gerückt. Mit weltweit einer Milliarde Userinnen und Usern – allein 21 Millionen in Deutschland – ist TikTok aus dem Alltag vieler kaum wegzudenken. Weil der audiovisuelle Content die Möglichkeit zum spontanen Selbstausdruck bietet, entstehen eine hohe Authentizität und ein Gefühl von Nähe und Vertrautheit. Das personalisierte Empfehlungssystem der App spielt außerdem weitere Inhalte aus, die Videos ähneln, welche von den Userinnen und Usern zuvor bis zum Ende geschaut wurden. TikTok gelingt es so, ein digitales Gemeinschaftsgefühl zu schaffen, in dem Gemeinschaften durch gemeinsame Interessen, Emotionen und Werte entstehen.

Allerdings ist TikTok in der Vergangenheit aus Sicherheitsgründen mit einer Reihe von Verboten konfrontiert worden. Datenmissbrauch und Spionage werfen viele Länder der Plattform vor, die Informationen über die Userinnen und User mutmaßlich nach China weiterleitet. So gab es in den USA eine Debatte über die Plattform, die möglicherweise bald in ein Verbot mündet. Indien hat die App bereits 2020 aus Gründen der nationalen Sicherheit verboten. In der EU und vielen Ländern, auch in Deutschland, darf die App nicht auf Smartphones von öffentlich Bediensteten hochgeladen werden.

Nun hat die Diskussion über eine Einschränkung der Nutzung in Europa erneut an Fahrt gewonnen – im Jahr 2023 hat die EU-Kommission ein förmliches Verfahren gegen TikTok eröffnet. Mögliche Regelverstöße durch jugendgefährdende Inhalte, Intransparenz, fehlende Datenzugänge für Forschende sowie ein potenziell suchtgefährdendes Design wirft die Kommission der Plattform vor. Neben einem Verbot stehen auch andere Möglichkeiten zur Debatte, zum Beispiel der Verkauf der App, eine Loslösung von der chinesischen Regierung oder mehr Transparenz bei der Funktionsweise.

Gleichzeitig ist die Plattform ein ausgezeichnetes Instrument für Desinformation und Manipulation. Deshalb wird ein TikTok-Verbot in Deutschland auch mit Blick auf die Beeinflussung von Wahlen diskutiert. Ein besonderes Phänomen auf TikTok ist der Erfolg radikaler politischer Akteure wie der AfD. Obwohl der typische Content auf Leichtigkeit und Entertainment ausgelegt ist, gelingt es der AfD, falsche Inhalte zu verbreiten, die von vielen Userinnen und Usern gesehen werden.

So wird die Plattform zur doppelten Herausforderung für die Demokratie: Sie verändert die Art der politischen Kommunikation und schwächt die faktenbasierte Debatte. Das erfordert eine ausgewogene Regulierung, um die Demokratie zu schützen, ohne die Meinungsfreiheit einzuschränken.

Benjamin Läpple ist Volkswirt und Political Data Scientist. Er berät Institutionen und Unternehmen in Fragen von Politik und Öffentlichkeit.

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