KRYPTOWÄHRUNGEN

Bitcoin der Erkenntnis

Die Kryptowährung polarisiert die Menschen: Viele begeistern sich für eine Währung ohne Bank, andere misstrauen dem digitalen Geld. Mit seinem Buch „Die orange Pille“ versucht der Kulturjournalist Ijoma Mangold, Gegner mit Bitcoin-Fans zu versöhnen.

Interview: Christoph Giesa


KRYPTOWÄHRUNGEN

Bitcoin der Erkenntnis

Die Kryptowährung polarisiert die Menschen: Viele begeistern sich für eine Währung ohne Bank, andere misstrauen dem digitalen Geld. Mit seinem Buch „Die orange Pille“ versucht der Kulturjournalist Ijoma Mangold, Gegner mit Bitcoin-Fans zu versöhnen.

Interview: Christoph Giesa


Lieber Herr Mangold, es ist gar nicht so lange her, da haben Sie gesagt, dass der Kern Ihrer politischen Überzeugung ist, dass Sie im Zweifel immer aufseiten der Institutionen stehen. Und zwar, weil Sie stabile Institutionen für etwas ungemein Kostbares halten. Nun sind Sie Autor eines durchaus wohlwollenden Buches über Bitcoin. Wie geht denn das zusammen?

Das zeigt zunächst einmal, dass der Mensch ein lebendiger Organismus ist, der sich wandelt. Aber keine Frage, ich habe mich selbst über die letzten drei Jahre dabei beobachtet, dass ich auf jeden Fall institutionenskeptischer geworden bin. Und die Beschäftigung mit Bitcoin als Konzept hat daran einen großen Anteil. Wenn ich mir anschaue, wie über die Jahre in den Medien über Bitcoin berichtet worden ist, dann weicht das deutlich von dem ab, was ich mir selbst an Wissen erarbeitet habe. Vieles von dem, was da geschrieben wurde, war so bar jeder Kenntnis. Das habe ich mir mit Blick auf meine Branche nicht vorstellen können. Auf diese durchaus unangenehme Erkenntnis folgt dann fast schon automatisch die ebenso unangenehme Frage: Ist das vielleicht auch bei anderen Themen ähnlich und man merkt es nur nicht, weil man sich nicht im Detail auskennt? Vielleicht ist die Energiewende gar nicht so kostenneutral, wie uns lange gesagt wurde mit dem Hinweis, die Sonne schicke keine Rechnung?

Aber eine Gesellschaft kommt auch nicht ganz ohne Institutionen aus.

Natürlich nicht. Aber das Beispiel Bitcoin-Berichterstattung knabbert eben doch an meinem ursprünglichen Institutionenvertrauen. Und vermutlich bin ich nicht der einzige Mensch, dem es so geht. Ich plädiere nun nicht dafür, allen Institutionen blind zu misstrauen. Allerdings sollte man ihnen ebenso wenig blind vertrauen. Von extremen Positionen würde ich sowieso immer abraten.

Ihr Buch hat schon für gehöriges Rauschen im Blätterwald gesorgt. Vermutlich auch, weil man solch ein Werk von Ihnen nicht zuallererst erwartet hätte und weil Sie sich an eine Klientel wenden, an die man nicht sofort denkt, wenn man an Bitcoin denkt.

Vielleicht muss man erst einmal sagen, was „Die orange Pille“ nicht ist, nämlich eine Anlageberatung. Auf keiner Seite findet sich eine Empfehlung, Bitcoin zu kaufen. Darum geht es mir nicht. Mein Buch ist eine Einladung zum Nachdenken. Ich nehme die Leserinnen und Leser auf meine Entdeckungsreise in eine mir zuvor unbekannte Welt mit, an deren Ende zumindest die Botschaft steht, dass es intellektuell interessant ist, sich mit dem Phänomen Bitcoin auseinanderzusetzen. Wer das tut, kann Bitcoin am Ende auch gut informiert ablehnen.

Sowohl die Bitcoin-Maximalisten als auch die grundsätzlichen Bitcoin-Gegner sind davon überzeugt, dass es eigentlich nur ein Ergebnis geben kann, wenn man sich mit der Kryptowährung beschäftigt. Wenngleich beide natürlich völlig gegensätzliche Ziele verfolgen. Die Zukunft ist ungewiss, zum Glück. Denn sonst wäre das Leben öde. Wir Liberalen leben doch ganz stark aus diesem Bewusstsein heraus, dass die Zukunft eben nicht vorbestimmt ist. Sonst wären wir keine Liberalen, sondern hätten wie Marxisten ein geschichtsphilosophisches Programm, das mit „wissenschaftlicher Notwendigkeit“ den weiteren Verlauf der Geschichte vorhersagen kann, nämlich die Diktatur des Proletariats, weil die Geschichte eine der Klassenkämpfe sei und nichts anderes. Reduktionismus führt zu absoluten Wahrheiten. Man könnte das mit Friedrich von Hayek auch die „Anmaßung des Wissens“ nennen. Liberale gehen von der radikalen Ungewissheit aus, sie arbeiten mit dem Nichtwissen und lassen sich auf Zukunftsoffenheit ein. Das kann man auch auf ein ganz konkretes zeitgenössisches Stichwort beziehen: Technologieoffenheit. Sich dieser Offenheit zu berauben, halte ich für falsch.

Ijoma Mangold ist kulturpolitischer Korrespondent von „DIE ZEIT“, Literatur-kritiker und Autor. In der Zurückgezogenheit des Lockdowns tauchte er in das Bitcoin-Universum ein und sieht seither die Welt anders.

Ijoma Mangold ist kulturpolitischer Korrespondent von „DIE ZEIT“, Literatur-kritiker und Autor. In der Zurückgezogenheit des Lockdowns tauchte er in das Bitcoin-Universum ein und sieht seither die Welt anders.

Das klingt ein wenig wie die allgemeine Beschreibung der Debatten unserer Zeit. Nun wirkt die Szene der Bitcoin-Maximalisten auch nicht unbedingt aufgeschlossen für einen vorurteilsfreien Dialog. 

Diese Beobachtung habe ich natürlich auch zunächst gemacht. So ist das eben, wenn etwas Neues entsteht. Eine Gruppe von Menschen begeistert sich dafür und stößt bei der Mehrheitsgesellschaft auf Widerstand und Ablehnung. Das ist nicht anders als beim Frühchristentum in Rom. Da werden die Reihen der Gruppe eng geschlossen, um die eigene Identität zu verteidigen und unter dem starken Druck von außen nicht aufzugeben. Wie heißt es beim Lukas-Evangelisten über die Gemeinden des Frühchristentums: Sie waren ein Herz und eine Seele. Darin steckt aber immer die Gefahr einer Dogmatisierung, und diese fürchte ich wie der Teufel das Weihwasser.

Würden Sie widersprechen, wenn jemand sagen würde, Ihr Buch ist auch eine Form der ausgestreckten Hand in alle Richtungen?

Ich wehre mich eigentlich immer gegen die Formulierung großer sittlicher Ziele. Aber an dieser Stelle würde ich doch sagen: Ja, ich sehe mich als Brückenbauer. Wenn Bitcoin tief in die bürgerliche Gesellschaft hineinwirken soll, dann muss man den Diskurs öffnen, und Bitcoin-Maximalismus, also die Vorstellung, ganz genau zu wissen, wie diese technologische Neuerung die Gesellschaft umwandeln wird, hilft da wenig. Insofern kämpfe ich gegen die Selbstimmunisierung der Szene, zu der wir alle neigen. Man kann mit der Bitcoin-Brille zum Beispiel sehr gut einen Blick auf die erheblichen Schwächen unserer aktuellen Geldordnung werfen, ohne deshalb auch den nächsten Schritt zu gehen und zu sagen: Bitcoin ist die Lösung. Um nur ein Beispiel zu geben: Vertreter des Vollgeld-Modells teilen mit Bitcoinern die Fehleranalyse, sehen die Lösung aber nicht im Bitcoin, sondern im Vollgeld.

Christoph Giesa ist Publizist und Moderator. Im Rahmen der digitalen Reihe „Lesen. Jetzt!“ hat er für die Friedrich-Naumann-Stiftung ausführlich mit Ijoma Mangold gesprochen.

Christoph Giesa ist Publizist und Moderator. Im Rahmen der digitalen Reihe „Lesen. Jetzt!“ hat er für die Friedrich-Naumann-Stiftung ausführlich mit Ijoma Mangold gesprochen.

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