JUNGE KOLUMNE
London ist brutal teuer, die Armut groß. Wer nicht von der Wohlfahrt leben will, kommt meist nur mit einem Zweit- oder Drittjob über die Runden.
Text: Felix Langrock
JUNGE KOLUMNE
London ist brutal teuer, die Armut groß. Wer nicht von der Wohlfahrt leben will, kommt meist nur mit einem Zweit- oder Drittjob über die Runden.
Text: Felix Langrock
Vor Kurzem habe ich mich wieder mit meinem Stammfriseur unterhalten. Yashar arbeitet in mehreren Jobs gleichzeitig und muss dafür täglich lange Wege mit der Bahn auf sich nehmen, um von seiner Wohnung in die Londoner Innenstadt zu kommen. Weite Strecken legt er jeden Tag zurück, anders könnte er Wohnung und Lebensunterhalt nicht bezahlen.
Damit er ist nicht allein in London. Viele Menschen pendeln, arbeiten hart – und kommen trotzdem kaum über die Runden. Seit nunmehr 20 Jahren weist Englands Hauptstadt die höchste Armutsrate im Vereinigten Königreich auf. Das ist vielen Menschen unbekannt, die wie ich in der Stadt leben. Der in den Medien häufig berichtete Reichtum eines kleinen Teils der Bevölkerung verdeckt die Armut vieler Londoner, sowohl von Briten als auch von Zuwanderern. Vor allem gering qualifizierte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sind betroffen, die meist in schlecht bezahlten, physisch anstrengenden Berufen arbeiten.
Trotz Arbeit verbessert sich die Situation vieler Menschen wenig, weil die Löhne niedrig sind.
Aber woran liegt es, dass Arbeit in London für einen Teil der Bevölkerung kaum zum Überleben reicht? Von den etwa 2,5 Millionen Menschen, die in London in Armut leben, ist rund die Hälfte berufstätig, ihr Anteil hat sich in den vergangenen 25 Jahren stark erhöht. Doch trotz Arbeit verbessert sich die Situation wenig, denn vor allem gering qualifizierte Arbeitnehmer sind prekär beschäftigt, haben 0-Stunden-Verträge oder arbeiten als gering bezahlte Selbstständige.
Die Nachwirkungen der Corona-Pandemie sind vor allem für gering qualifizierte und unterbezahlte Beschäftigte gravierend. Viele Arbeitnehmer, die nach der Pandemie beurlaubt wurden, haben bis heute nicht wieder in den Arbeitsmarkt gefunden. Bei Marktpreisen von rund 750000 Euro für eine Wohnung ist der Erwerb von Eigentum für die meisten Menschen unmöglich. Weil es keine Mietpreisbremse in London gibt, sind die Mieten nach der Pandemie teils um mehr als 25Prozent gestiegen. Wohlhabende Menschen ziehen in die Randbezirke. In armen Haushalten geht mittlerweile mehr als die Hälfte des Einkommens für die Miete drauf. Hinzu kommen hohe Betreuungskosten: Mehr als 200 Euro kostet die Betreuung eines dreijährigen Kindes in einer öffentlichen Einrichtung– in der Woche!
Zwar kommt die britische Wohlfahrt zum Tragen: Täglich arbeiten Hunderte von Menschen in Charity-Projekten in London – von Community Shops, die erschwingliche Lebensmittel für die arme Bevölkerung bereitstellen, bis hin zu Kampagnen zur direkten Leistungserbringung, wie Rechtsberatung für diese Menschen. Außerdem sollte der UK Shared Prosperity Fund das EU-Funding für die Prävention von in Armut lebenden, arbeitenden Menschen nach dem Brexit ersetzen. Diese Mittel werden allerdings von der britischen Regierung und nicht von den Kommunen selbst verteilt, was die Zielgenauigkeit der Vergabe erschwert.
Felix Langrock studiert Rechtswissenschaften am King’s College in London.
Felix Langrock studiert Rechtswissenschaften am King’s College in London.
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