Wohnungsnot

Sie wollen
einfach nicht
wachsen

Häuser hochzuziehen ist kompliziert geworden. Und sehr teuer. Deshalb entstehen hierzulande zu wenig neue Wohnungen. Dabei sind andere Lösungen möglich: Deutschland könnte sich in vielerlei Hinsicht ein Beispiel an seinen europäischen Nachbarn nehmen: Dort gibt es eine niedrigere Staatsquote, weniger Bürokratie und abgespeckte Ansprüche.

Text: Julia Thiem

Hoch hinaus? Leider nur in der Simulation. In Deutschland sprießen kaum noch neue Hochhäuser in den Himmel.

Hoch hinaus? Leider nur in der Simulation. In Deutschland sprießen kaum noch neue Hochhäuser in den Himmel.
Hoch hinaus? Leider nur in der Simulation. In Deutschland sprießen kaum noch neue Hochhäuser in den Himmel.

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Häuser hochzuziehen ist kompliziert geworden. Und sehr teuer. Deshalb entstehen hierzulande zu wenig neue Wohnungen. Dabei sind andere Lösungen möglich: Deutschland könnte sich in vielerlei Hinsicht ein Beispiel an seinen europäischen Nachbarn nehmen: Dort gibt es eine niedrigere Staatsquote, weniger Bürokratie und abgespeckte Ansprüche.

Text: Julia Thiem


Nicht im vorletzten, nicht im letzten, aber hoffentlich endlich in diesem Jahr: Anfang 2024 war Bundesbauministerin Klara Geywitz noch voller Hoffnung, dass das selbst gesetzte Ziel der Bundesregierung von 400000 neuen Wohnungen im Jahr erreicht werden kann. Und nachdem es weder 2022 noch 2023 geklappt hat, würden es Vorfertigung und Digitalisierung in 2024 und 2025 schon richten, konstatierte die Ministerin damals.

Die ernüchternde Realität sieht heute allerdings ganz anders aus, wie der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) in seinem Frühjahrsgutachten aufgezeigt hat. Dem „Rat der Immobilienweisen“ zufolge gibt es nicht nur einen dramatischen Einbruch im Wohnungsbau; Deutschland drohe, sehenden Auges auf ein soziales Debakel zuzusteuern. Das Gutachten zeigte auch: Statt der angestrebten 400000 neuen Wohnungen pro Jahr werden es 2024 voraussichtlich gerade einmal 150000 sein. Und auch 2023 habe man das Ziel Schätzungen zufolge bereits um 130000 Wohnungen verfehlt. Dadurch werden allein in diesem Jahr schon 600000 Wohnungen fehlen, 2025 dann 720000 und bis 2027 weitere 830000 Wohnungen. Das liegt laut ZIA vor allem daran, dass Bauen „faktisch unmöglich“ geworden ist. Um die Baubranche, die 19 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beisteuere, stehe es so schlecht wie nie zuvor in der Nachkriegsgeschichte, betonte ZIA-Präsident Andreas Mattner bei der Präsentation des Gutachtens und rechnete vor, dass Neubauprojekte erst bei einer Durchschnittsmiete von 21 Euro auf eine schwarze Null kämen. „Wer heute baut, geht bankrott“, sagte er. Sollen die Immobilienentwickler also noch etwas verdienen, läge die Durchschnittsmiete für eine 60-Quadratmeter-Wohnung bei 1320Euro – kalt. In dem Fall aber fänden deutsche Durchschnittsverdiener nirgendwo mehr bezahlbaren Wohnraum im Neubau. Ein Dilemma.

Föderalismus macht Bauen komplizierter

Als Auslöser für diese Bau- und Wohnungskrise werden vor allem die gestiegenen Baukosten sowie das aktuell hohe Zinsniveau genannt. Auch Dirk Assmann spricht von einer echten Multikrise in Bezug auf die Bauwirtschaft. Der Themenmanager Innovationsräume und Urbanisierung beim Liberalen Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung betont, dass alles, was den Bau von Wohnungen in den vergangenen Jahren günstig und damit attraktiv gemacht habe, nun nicht mehr gegeben sei. Gleichzeitig gibt Assmann zu bedenken: „In Deutschland ist die Staatsquote im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sehr hoch, wobei der zentrale Faktor die Grunderwerbssteuer ist.“

Tatsächlich liegt die Grunderwerbssteuer in Dänemark beispielsweise bei nur 0,6 Prozent, während sie hierzulande bis zu 6,5 Prozent betragen kann. In den Niederlanden oder Belgien zahlen „Immobilienneulinge“ gar keine Grunderwerbssteuer, um den Einstieg in den Immobilienmarkt zu erleichtern. In Deutschland ist die Grunderwerbssteuer seit 2006 Ländersache. Man habe gehofft, dass dadurch eine Art Unterbietungswettbewerb entsteht, mit dem die Grunderwerbssteuer sinkt, sagt Assmann. Eingetreten sei das Gegenteil.

Überhaupt erschwere der Föderalismus das Bauen an weiteren Stellen, glaubt der Experte: „Wir haben in Deutschland 16 Bundesländer und damit auch 16 verschiedene Bauordnungen. Ein Bauunternehmer, der in Mannheim, Heppenheim und Worms identische Mehrfamilienhäuser errichten will, muss sich an drei verschiedene Bauordnungen halten.“ Auch diese Art von administrativem Aufwand treibt die Baukosten in die Höhe, und auch hier sind unsere europäischen Nachbarn deutlich schlanker aufgestellt.

Bauen anders denken

Was durch die vielen verschiedenen Bauvorschriften außerdem erschwert werde, sei das serielle Bauen, glaubt Assmann. Wer bei seriellem Bauen an den Plattenbau in den ehemaligen Ostblockländern denkt, liegt gar nicht so falsch– allerdings heute als Upgrade, quasi die Platte 2.0. Denn die Idee ist gleich geblieben: Vorgefertigte Materialien oder ganze Module werden zentral hergestellt und auf der eigentlichen Baustelle „nur noch“ zusammengefügt. Damit könnten seriell gefertigte Wohnbauten als eine Teillösung für das Wohnungsproblem in deutschen Großstädten dienen, glaubt auch ein Zusammenschluss aus Bundesbauministerium, dem Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW und dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie. Sie haben nun gemeinsam ein neues europaweites Ausschreibungsverfahren für zukunftsweisende Konzepte des seriellen und modularen Wohnungsbaus gestartet. Dabei sollen auch Nachhaltigkeitsaspekte sowie ein möglichst geringer CO2-Fußabdruck berücksichtigt werden.

Serielles Bauen senkt die Kosten

Serielles Bauen nach dem Lego-Prinzip bringt zudem eine deutliche Zeit- und Kostenersparnis mit sich, wie eine aktuelle Studie der BayWa AG und der Unternehmensberatung EY zeigt. „Beim elementbasierten Bau lassen sich beispielsweise bei einem Mehrfamilienhaus mit etwa 25 Wohneinheiten bis zu 15 Prozent der Kosten einsparen“, erläutert Björn Reineke, Partner bei EY-Parthenon. Zudem seien viele Prozesse unabhängig von Witterungsbedingungen, auch die hoch fragmentierte Arbeitsteilung werde zum Teil aufgehoben. Und ein hoher Grad an Vorfertigung mindere die Fehlerquote, verhindere Verzögerungen und mache den Betrieb auf der Baustelle effizienter und sicherer. Zeitlich könne die Verlagerung eines Teils der Wertschöpfung in die Werkshalle den Bauprozess sogar um bis zu 30 Prozent verkürzen, heißt es in der Studie.

Und wenn man dann bei der Bauplanung noch Abstriche macht, etwa auf Keller oder Tiefgarage verzichtet, was ebenfalls in vielen anderen europäischen Ländern Standard ist, könnte es vielleicht doch noch klappen mit dem hoffnungsvollen Ausblick der Bundesbauministerin. Vielleicht nicht dieses, aber nächstes oder spätestens übernächstes Jahr.

Julia Thiem ist freie Journalistin und Autorin. Sie ist auf Finanz-, Wirtschafts- und Digitalisierungsthemen spezialisiert und schreibt unter anderem für Wirtschaftsmagazine und Tageszeitungen.

Julia Thiem ist freie Journalistin und Autorin. Sie ist auf Finanz-, Wirtschafts- und Digitalisierungsthemen spezialisiert und schreibt unter anderem für Wirtschaftsmagazine und Tageszeitungen.

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