Entrepreneurship Education
Wer gründen will, sollte innovativ, mutig und selbstbewusst sein. Unternehmertum kann man lernen, doch Entrepreneurship Education wird in deutschen Schulen stiefmütterlich behandelt.
Text: Axel Novak
Maren Jasper-Winter ist Mitglied des Vorstandes der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.
Sven Ripsas ist Professor für Entrepreneurship an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin.
Maren Jasper-Winter ist Mitglied des Vorstandes der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. | Sven Ripsas ist Professor für Entrepreneurship an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin.
Entrepreneurship Education
Wer gründen will, sollte innovativ, mutig und selbstbewusst sein. Unternehmertum kann man lernen, doch Entrepreneurship Education wird in deutschen Schulen stiefmütterlich behandelt.
Text: Axel Novak
Warum ist für Sie das Thema Entrepreneurship Education so wichtig?
Jasper-Winter: Mich haben zwei Erlebnisse geprägt: Zum einen habe ich als Berliner Abgeordnete Gründerinnen befragt, welche Hindernisse sie auf ihrem Weg zur Selbstständigkeit überwinden mussten. Immer wieder fiel dabei die Antwort: „Hätte ich in der Schule mehr darüber erfahren, wäre es mir leichter gefallen.“ Ein weiteres Erlebnis war ein Austausch mit Lehrerinnen und Lehrern zu Entrepreneurship-Projekten. Sie betonten, wie selbstbewusst Kinder dadurch wurden – vor allem die aus schwierigen Familienverhältnissen. Für mich ist Entrepreneurship Education also die Frage nach dem Empowerment in der Gesellschaft, vor allem für die, die es im Leben nicht so leicht haben.
Ripsas: Bei mir ist das Thema während meines BWL-Studiums aufgekommen. Vor über 25 Jahren gab es diesen Ansatz noch nicht, und ich habe ihn damals vermisst – als einen Weg zu einer anderen, besseren Ökonomie, einer ökologischeren in den Händen derer, die die Kreativität und die Ideen haben. Natürlich ist die Gründung von Hightech-Start-ups wichtig oder die Umsetzung von Forschungsergebnissen in wachsende Unternehmen, um Zukunftstechnologien voranzutreiben. Aber es geht um eine andere Facette: Menschen zu zeigen, welche Mitgestaltungsmöglichkeiten die soziale Marktwirtschaft bietet. Das kommt in Schulen leider viel zu kurz.
Halten junge Leute das Thema für wichtig? Und wie sieht das konkret aus?
Ripsas: Die jungen Menschen wollen viel mehr, als die Schulen derzeit bieten. Sie möchten Geld verdienen und eine sichere Zukunft gestalten können – für sich oder ihre Familie. Englische Studien zeigen, dass die Entrepreneurship Education gerade für Jugendliche aus bildungsfernen Verhältnissen den aussichtsreichsten Weg aufzeigt, um zu Wohlstand zu gelangen: die Selbstständigkeit. Konkret gibt es unterschiedliche Formate, die beispielsweise in der Sekundarstufe I oder II stattfinden. Da geht es um die Entwicklung von Geschäftsmodellen oder unternehmerischen Projekten mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht.
Wie wirkt sich das als „Empowerment“ aus?
Jasper-Winter: Empowerment bedeutet vor allem, sich selbst etwas zuzutrauen und eigene Ideen zu entwickeln. Doch in Schulen zählen meist nur klassische Fächer. Ich wäre zum Beispiel für eine Neuauflage des Werkunterrichts, aber modern, mit 3D-Druckern und digitalen Tools. So würden Kinder für eigene Ideen Wertschätzung erfahren. Im Übrigen geht es generell um das, was uns Liberalen ja am Herzen liegt: Dass jeder an sich und seine eigenen Kräfte glauben kann. Das sollten Schulen näherbringen, finde ich.
Wie bereit sind denn die Lehrkräfte, sich mit dem Thema zu befassen?
Jasper-Winter: Ich weiß, dass viele Berliner Lehrerinnen und Lehrer sich gern engagieren. Aber es mangelt an geeigneten Räumlichkeiten. Außerdem braucht es mehr Lehrkräfte, mehr Kooperation für einen Ganztagsbetrieb und die Nachmittagsbetreuung.
Ripsas: Ich begegne immer wieder engagierten Schulleitungen und Lehrkräften, die sich für das Potenzial der Entrepreneurship Education begeistern. Überhaupt gibt es viele inspirierende Initiativen in dem Bereich. Aber das bleibt ein Tropfen auf den heißen Stein. Solche Ansätze müssen noch viel stärker in die öffentlichen Schulen getragen werden.
Gerade dort begegnen wir jedoch häufig einer Skepsis der Wirtschaft gegenüber. Entrepreneurship Education bedeutet aber nicht, den Kapitalismus zu vermitteln, sondern Schülerinnen und Schüler darauf vorzubereiten, später als Unternehmer, Familienbetrieb oder Selbstständige aktiv und erfolgreich am Markt teilzunehmen.
Was sind denn die größten Hindernisse für mehr Entrepreneurship Education?
Jasper-Winter: Ein klares Commitment der Bundesländer, mehr Kooperation und finanzielle Ressourcen fehlen. Zudem muss es auf Bundesebene eine Integration dieses Themas in die Ausbildung der Lehrkräfte geben.
Wie wichtig sind Vorbilder, Role Models?
Ripsas: Sie sind entscheidend für den Erfolg der Entrepreneurship Education, aber die Umsetzung ist leider nicht ganz einfach. Das Network for Teaching Entrepreneurship hat zum Beispiel Vorbilder mit den Klarnamen der Unternehmen in die Lehrmaterialien eingebaut, doch in einem Bundesland führt das zu Problemen.
Jasper-Winter: Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Ansehen von Unternehmerinnen und Unternehmern. Die Friedrich-Naumann-Stiftung hat in einer Studie dieses Image in Schulbüchern untersucht. Das Ergebnis ist ernüchternd: Unternehmer werden fast immer als Männer dargestellt, oft negativ oder unsympathisch. Auch hier besteht Handlungsbedarf.
Frau Jasper-Winter, wer inspiriert Sie in dem Bereich?
Jasper-Winter: Mich inspiriert eine außergewöhnliche Gründerin, Vivien Wysocki, die ihr Ladenlokal neben meinem Wahlkreisbüro hatte. Sie gründete ein Start-up, das sehr coole, mit inspirierenden Sprüchen bedruckte Strumpfhosen und Socken produzierte. Ihre Eltern kamen aus Polen nach Deutschland, mussten sich den Aufstieg hart erarbeiten. Sie selbst wurde von einem Lehrer gefragt, ob sie nicht in einer Schülerfirma mitmachen wolle. Das war der Moment, in dem sie auf die Idee kam, sich selbstständig zu machen. Vivien ist für mich ein echtes Role Model – eine Person, die sich ihren Weg bahnt – ohne Unternehmerhintergrund oder finanzielle Sicherheit. Den Glauben, in schwierigen Zeiten etwas zu erreichen, bewundere ich sehr.
Ripsas: Für mich ist es Anita Roddick, die Gründerin von „The Body Shop“. Sie verband gesellschaftspolitisches Engagement, vor allem den Kampf gegen Tierversuche, mit einer klugen Unternehmensstrategie. Diesen Ansatz vermisse ich heute bei vielen Gründungen.
Was erhoffen Sie sich von der kommenden Bundesregierung?
Jasper-Winter: Zum einen die Fortführung der finanziellen Bildung, die Bettina Stark-Watzinger angestoßen hat. Zum anderen brauchen wir eine Bundesregierung mit dem richtigen Mindset. Und schließlich einen Berliner Senat, der finanzielle Bildung und Unternehmergeist gezielt fördert.
Ripsas: Ich wünsche mir echte Aufbruchsstimmung. Wer versteht, dass er oder sie aktiv mitwirken kann, kann die eigene berufliche Orientierung und die gesellschaftliche Teilhabe erfolgreich gestalten. Und das stärkt unsere Demokratie.
Jasper-Winter: Auf alle Fälle! Wer optimistisch in die Zukunft blickt und an seine eigenen Potenziale glaubt, der bewegt sich auch politisch eher in der demokratischen Mitte der Gesellschaft. Davon bin ich fest überzeugt.
Axel Novak ist Journalist in Berlin und Brandenburg. Den Mauerfall erlebte er in Paris. Nach sieben Jahren im Ausland schreibt er heute für viele Zeitschriften und Zeitungen.
Axel Novak ist Journalist in Berlin und Brandenburg. Den Mauerfall erlebte er in Paris. Nach sieben Jahren im Ausland schreibt er heute für viele Zeitschriften und Zeitungen.
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