Die Stadt der Zukunft
in der Vorstellung
vieler Architekten

Städtebau

Die entfesselte Stadt

 In Deutschland leben mehr als drei Viertel der Bevölkerung in Städten. Dennoch entstehen seit Jahrzehnten keine bezahlbaren ästhetischen Stadtquartiere mehr. Können Architektinnen und Stadtplaner mit liberalen Ideen die Stadt wieder zum Erfolgsmodell machen? Fünf Thesen.

Text: Justus Enninga

Die Stadt der Zukunft in der Vorstellung vieler Architekten
Die Stadt der Zukunft in der Vorstellung vieler Architekten

Städtebau

Die entfesselte Stadt

 In Deutschland leben mehr als drei Viertel der Bevölkerung in Städten. Dennoch entstehen seit Jahrzehnten keine bezahlbaren ästhetischen Stadtquartiere mehr. Können Architektinnen und Stadtplaner mit liberalen Ideen die Stadt wieder zum Erfolgsmodell machen? Fünf Thesen.

Text: Justus Enninga

Lokalpolitiker glauben häufig, ihre Stadt mithilfe zentraler Planung verbessern zu können. Dabei scheitern sie jedoch häufig an der Komplexität der gesellschaftlichen Aufgabe. Denn das Wissen darüber, was eine Stadt attraktiv und erfolgreich macht, ist heute in den Köpfen der Bürgerinnen und Bürger sowie vieler Organisationen verstreut. Eine moderne, liberale Städtebaupolitik könnte dieses Wissen gewinnbringend nutzen. Dazu müsste sie eine Vielfalt von Eigentumsrechten, Gestaltungen und Funktionen zulassen.

Deutschland ist eine Mieterrepublik. Weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung wohnt zur Miete. Dabei ist die Eigentumsstruktur sehr vielfältig. Zwei Drittel der Mietwohnungen gehören Wohnungseigentümergemeinschaften oder Privatpersonen. Nur ein gutes Drittel wird von professionellen Vermietern angeboten und nur 13 Prozent von privatwirtschaftlichen Unternehmen. Der Rest wird von der öffentlichen Hand oder von Wohnungsbaugenossenschaften vermietet.

Umso erstaunlicher ist die Homogenität neu entwickelter Quartiersprojekte. In der Europacity in Berlin beispielsweise gehörte die gesamte Projektfläche nur drei Eigentümern: einer Immobiliengesellschaft, der Deutschen Bahn und dem Land Berlin. 

Das Argument für eine großflächige Parzellierung ist oft das der Effizienz. Die Aufteilung städtischer Flächen auf wenige kommunale oder private Bauträger führt jedoch häufig zu teuren, starren und hässlichen Stadtquartieren. Fünf liberale Thesen können helfen, lebenswertere Städte zu schaffen:

1. Vielfalt für Eigentum und Funktionen!

Eine Vielfalt von Eigentums- und Verfügungsrechten für kleinere Parzellen ermöglicht eine Vielzahl unterschiedlicher Eigentümer und Nutzungen: Wohnungen, Büros und Gemüsehändler. Das war schon im historischen Berlin so: Der Bebauungsplan von 1862 war ein reiner Fluchtlinienplan, der dichte, lebendige, durchmischte und beliebte Quartiere förderte.

Diese Quartiere sind übrigens erstaunlich wandlungsfähig: von den einstmals verhassten Mietskasernen über Werkstätten für Handwerker, Wohnungen für die Mittel- und Oberschicht bis hin zu Büros und Geschäften. 

Dieses liberale Prinzip der urbanen Vielfalt stößt immer noch auf viel Kritik, die Idee der funktional vielfältigen und durchmischten Stadt zum Glück nicht mehr. Das Ideal ist die 15-Minuten-Stadt, in der alles Notwendige innerhalb von 15 Minuten zu erreichen ist: der Arbeitsplatz, das Geschäft, die Kita und die Kneipe. Eine funktional durchmischte Stadt der kurzen Wege wird nicht geplant – sie entsteht, wenn man ihr Raum gibt. Bäckereien, Restaurants und Kindergärten entstehen dort, wo viele Menschen auf kleinem Raum die unterschiedlichsten Güter und Dienstleistungen nachfragen. Erst die hohe Nachfrage auf engem Raum zieht das Angebot an: Dichte ist der Schlüssel.

Die funktional gemischte Stadt der kurzen Wege braucht notwendigerweise einen liberalen Ordnungsrahmen. Deshalb sollten Stadtplaner die Entscheidungen der Bürgerinnen und Bürger beobachten und zum Beispiel die entsprechende Infrastruktur realisieren.

1. Vielfalt für Eigentum und Funktionen!

Eine Vielfalt von Eigentums- und Verfügungsrechten für kleinere Parzellen ermöglicht eine Vielzahl unterschiedlicher Eigentümer und Nutzungen: Wohnungen, Büros und Gemüsehändler. Das war schon im historischen Berlin so: Der Bebauungsplan von 1862 war ein reiner Fluchtlinienplan, der dichte, lebendige, durchmischte und beliebte Quartiere förderte.

Diese Quartiere sind übrigens erstaunlich wandlungsfähig: von den einstmals verhassten Mietskasernen über Werkstätten für Handwerker, Wohnungen für die Mittel- und Oberschicht bis hin zu Büros und Geschäften. 

Dieses liberale Prinzip der urbanen Vielfalt stößt immer noch auf viel Kritik, die Idee der funktional vielfältigen und durchmischten Stadt zum Glück nicht mehr. Das Ideal ist die 15-Minuten-Stadt, in der alles Notwendige innerhalb von 15 Minuten zu erreichen ist: der Arbeitsplatz, das Geschäft, die Kita und die Kneipe. Eine funktional durchmischte Stadt der kurzen Wege wird nicht geplant – sie entsteht, wenn man ihr Raum gibt. Bäckereien, Restaurants und Kindergärten entstehen dort, wo viele Menschen auf kleinem Raum die unterschiedlichsten Güter und Dienstleistungen nachfragen. Erst die hohe Nachfrage auf engem Raum zieht das Angebot an: Dichte ist der Schlüssel.

Die funktional gemischte Stadt der kurzen Wege braucht notwendigerweise einen liberalen Ordnungsrahmen. Deshalb sollten Stadtplaner die Entscheidungen der Bürgerinnen und Bürger beobachten und zum Beispiel die entsprechende Infrastruktur realisieren.

2. Lasst unterschiedliche Designer zu!

Die Vielfalt der Eigenschaften und Funktionen trägt zur spontanen Schönheit der Stadt bei. Die Stadt ist kein geplantes Kunstwerk, aber auch kein ästhetisches Chaos. Sie ist das spontane Ergebnis des ästhetischen Strebens Tausender, ja Millionen von Stadtbewohnern. Auch liberale Stadtplaner und -planerinnen sehen „Straßen und Plätze, Denkmäler, Bahnhöfe, Kulturzentren, Brücken, Schulen, Krankenhäuser und Parks“ oft als Aufgabe des Staates. Eine Monopolisierung der Entscheidungen hingegen führt oft zu unattraktiven Gestaltungen.

Bis heute plädieren viele Stadtplanerinnen und -planer für Eingriffe in den spontanen Stadtprozess und fordern die Festlegung von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen, die Regulierung von Gebäudestrukturen und öffentlichem Raum durch zentrale Regeln, um dem urbanen Anarchismus Einhalt zu gebieten. Dies ignoriert jedoch nicht nur die Vielfalt der Akteure, sondern auch die zeitliche Dimension. Die Funktionalität von Städten lebt davon, dass sie sich ständig verändern.

2. Lasst unterschiedliche Designer zu!

Die Vielfalt der Eigenschaften und Funktionen trägt zur spontanen Schönheit der Stadt bei. Die Stadt ist kein geplantes Kunstwerk, aber auch kein ästhetisches Chaos. Sie ist das spontane Ergebnis des ästhetischen Strebens Tausender, ja Millionen von Stadtbewohnern. Auch liberale Stadtplaner und -planerinnen sehen „Straßen und Plätze, Denkmäler, Bahnhöfe, Kulturzentren, Brücken, Schulen, Krankenhäuser und Parks“ oft als Aufgabe des Staates. Eine Monopolisierung der Entscheidungen hingegen führt oft zu unattraktiven Gestaltungen.

Bis heute plädieren viele Stadtplanerinnen und -planer für Eingriffe in den spontanen Stadtprozess und fordern die Festlegung von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen, die Regulierung von Gebäudestrukturen und öffentlichem Raum durch zentrale Regeln, um dem urbanen Anarchismus Einhalt zu gebieten. Dies ignoriert jedoch nicht nur die Vielfalt der Akteure, sondern auch die zeitliche Dimension. Die Funktionalität von Städten lebt davon, dass sie sich ständig verändern.

Es ist leicht, eine Traumstadt zu entwerfen. Aber es erfordert Fantasie, eine lebendige Stadt zu bauen.
Jane Jacobs, Urbanistin

3. Die Stadt lernt von selbst dazu!

Stadtplanung schafft Probleme: Wenn große Gebäudekomplexe gleichzeitig fertiggestellt werden, verschlechtert sich gleichzeitig die Bausubstanz. Nach einigen Jahren ist nicht nur das einzelne Gebäude, sondern der gesamte Komplex sanierungsbedürftig. Ein funktionierendes Wohnumfeld sollte auch einen langsamen Veränderungsprozess zulassen, der sich an den Bedürfnissen der Bewohner orientiert. Im Gegensatz zu heutigen Stadtquartieren sind gründerzeitliche Stadtquartiere „adaptiv“ für bauliche und funktionale Veränderungen geblieben.

3. Die Stadt lernt von selbst dazu!

Stadtplanung schafft Probleme: Wenn große Gebäudekomplexe gleichzeitig fertiggestellt werden, verschlechtert sich gleichzeitig die Bausubstanz. Nach einigen Jahren ist nicht nur das einzelne Gebäude, sondern der gesamte Komplex sanierungsbedürftig. Ein funktionierendes Wohnumfeld sollte auch einen langsamen Veränderungsprozess zulassen, der sich an den Bedürfnissen der Bewohner orientiert. Im Gegensatz zu heutigen Stadtquartieren sind gründerzeitliche Stadtquartiere „adaptiv“ für bauliche und funktionale Veränderungen geblieben.

4. Simple Regeln brechen komplexe Systeme!

Vielfalt von Eigentum, Funktionen und Design sowie eine dauerhafte prozesshafte Anpassung brauchen Regeln. Die europäische Stadt war lange durch Verbote und „Du sollst nicht“-Normen geprägt. Berlin schrieb einst nur eine Traufhöhe von 22 Metern und einen bestimmte Fläche der Innenhöfe vor. Heute beherrschen Gebote die Stadt: Mehr als 20 000 Bauvorschriften sind in Deutschland zu beachten.

Dies führt zu einer eklatanten Unübersichtlichkeit und setzt kontraproduktive Anreize. Das Bauen auf der „grünen Wiese“ wird attraktiver als das Bauen in den Ballungsräumen, wo die Nachfrage größer ist. Zudem zerstören viele präskriptive Regeln die Einzigartigkeit von Orten. Ein liberaler Ansatz wäre hingegen: Je komplexer das System, desto mehr einfache Regeln sind nötig, um Ordnung zu schaffen.

4. Simple Regeln brechen komplexe Systeme!

Vielfalt von Eigentum, Funktionen und Design sowie eine dauerhafte prozesshafte Anpassung brauchen Regeln. Die europäische Stadt war lange durch Verbote und „Du sollst nicht“-Normen geprägt. Berlin schrieb einst nur eine Traufhöhe von 22 Metern und einen bestimmte Fläche der Innenhöfe vor. Heute beherrschen Gebote die Stadt: Mehr als 20 000 Bauvorschriften sind in Deutschland zu beachten.

Dies führt zu einer eklatanten Unübersichtlichkeit und setzt kontraproduktive Anreize. Das Bauen auf der „grünen Wiese“ wird attraktiver als das Bauen in den Ballungsräumen, wo die Nachfrage größer ist. Zudem zerstören viele präskriptive Regeln die Einzigartigkeit von Orten. Ein liberaler Ansatz wäre hingegen: Je komplexer das System, desto mehr einfache Regeln sind nötig, um Ordnung zu schaffen.

5. Plant kleine, begrünte Plätze! 

Ein weiterer Grund für die mangelnde Attraktivität von Städten ist die schlechte Gestaltung des öffentlichen Raumes. Große öffentliche Räume schaffen Zielkonflikte zwischen bewohnbarer, bebauter Fläche und unbewohnbarer, unbebauter Fläche. Denn Stadtbewohner wollen beides: öffentlichen Raum und Wohnraum. Zudem sind große öffentliche Freiflächen oft unattraktiv: Der Alexanderplatz in Berlin, der Platz am Frankfurter Hauptbahnhof und die Gegend zwischen Friesen- und Rudolfplatz in Köln gehören zu den gefährlichsten Orten ihrer Städte. Anders die kleinen, gemütlichen, begrünten Plätze in den Stadtquartieren. Ihre Straßen- und Gehwegkultur ermöglicht soziale Kontrolle und schnelle Hilfe. Gleichzeitig sind sie Orte der Gleichberechtigung, an denen Menschen miteinander in Kontakt treten können.

Die großen Probleme der deutschen Stadt sind das Ergebnis städtischer Planwirtschaft. Nur ein Umdenken in der Stadtpolitik auf der Basis moderner Forschung hin zu liberalen urbanen Prinzipien wird die Stadt billiger und schöner machen.

Liberale Ideen bergen die Chance, die deutsche Stadt wieder zum Erfolgsmodell zu machen. Ganz im Sinne der Urbanistin Jane Jacobs, die schon 1958 feststellte: „Es ist leicht, eine Traumstadt zu entwerfen. Aber es erfordert Fantasie, eine lebendige Stadt zu bauen.“

Der Beitrag ist ein Auszug aus der Studie: „Die entfesselte Stadt. Warum liberale Städte Deutschland reicher und schöner machen“, die im Oktober 2024 bei der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit erschienen ist und kann HIER heruntergeladen werden.

5. Plant kleine, begrünte Plätze! 

Ein weiterer Grund für die mangelnde Attraktivität von Städten ist die schlechte Gestaltung des öffentlichen Raumes. Große öffentliche Räume schaffen Zielkonflikte zwischen bewohnbarer, bebauter Fläche und unbewohnbarer, unbebauter Fläche. Denn Stadtbewohner wollen beides: öffentlichen Raum und Wohnraum. Zudem sind große öffentliche Freiflächen oft unattraktiv: Der Alexanderplatz in Berlin, der Platz am Frankfurter Hauptbahnhof und die Gegend zwischen Friesen- und Rudolfplatz in Köln gehören zu den gefährlichsten Orten ihrer Städte. Anders die kleinen, gemütlichen, begrünten Plätze in den Stadtquartieren. Ihre Straßen- und Gehwegkultur ermöglicht soziale Kontrolle und schnelle Hilfe. Gleichzeitig sind sie Orte der Gleichberechtigung, an denen Menschen miteinander in Kontakt treten können.

Die großen Probleme der deutschen Stadt sind das Ergebnis städtischer Planwirtschaft. Nur ein Umdenken in der Stadtpolitik auf der Basis moderner Forschung hin zu liberalen urbanen Prinzipien wird die Stadt billiger und schöner machen.

Liberale Ideen bergen die Chance, die deutsche Stadt wieder zum Erfolgsmodell zu machen. Ganz im Sinne der Urbanistin Jane Jacobs, die schon 1958 feststellte: „Es ist leicht, eine Traumstadt zu entwerfen. Aber es erfordert Fantasie, eine lebendige Stadt zu bauen.“

Der Beitrag ist ein Auszug aus der Studie: „Die entfesselte Stadt. Warum liberale Städte Deutschland reicher und schöner machen“, die im Oktober 2024 bei der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit erschienen ist und kann HIER heruntergeladen werden.

Justus Enninga ist Ökonom und Politikwissenschaftler am King’s College London, arbeitet als Redakteur Wirtschaftspolitik für das Medienunternehmen The Pioneer und als Direktor beim Think Tank Prometheus. Sein Youtube-Kanal heißt Markt x Moral.


Justus Enninga ist Ökonom und Politikwissenschaftler am King’s College London, arbeitet als Redakteur Wirtschaftspolitik für das Medienunternehmen The Pioneer und als Direktor beim Think Tank Prometheus. Sein Youtube-Kanal heißt Markt x Moral.


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