EMISSIONSHANDEL
Vorerst unterbleibt die geplante Ausweitung des europäischen Emissionshandels. Es ist unklar, wie die Klimaziele erreicht werden sollen, wenn das beste Instrument nicht zum Einsatz kommt.
TEXT: DIRK ASSMANN UND MAXIMILIAN LUZ REINHARDT
EMISSIONSHANDEL
Vorerst unterbleibt die geplante Ausweitung des europäischen Emissionshandels. Es ist unklar, wie die Klimaziele erreicht werden sollen, wenn das beste Instrument nicht zum Einsatz kommt.
TEXT: DIRK ASSMANN UND MAXIMILIAN LUZ REINHARDT
Das Europaparlament hat sich Anfang Juni nicht auf die geplante Ausweitung des Emissionshandels in Europa einigen können. Die Abgeordneten der extremen Rechten, der Sozialdemokraten und der Grünen stimmten mehrheitlich gegen die Schaffung eines separaten Emissionshandels für die Sektoren Gebäude und Verkehr. Nun wird im Umweltausschuss nach einem Kompromiss gesucht. Das kann lange dauern – und damit ist eine wichtige Chance für den Klimaschutz vertan. Stattdessen muss man sich auf ein Potpourri aus neuen Auflagen, Regelungen und Verboten einstellen, und für Unternehmen sind Investitionen wieder mit größerer Unsicherheit behaftet.
Einen separaten Emissionshandel für Gebäude und Verkehr zu schaffen, wäre ein Schritt in die richtige Richtung gewesen. Der Emissionshandel hat sich als besonders effizientes Instrument erwiesen, um die Klimaziele zu erreichen. Die Grundidee ist denkbar einfach: Zunächst wird eine globale, akzeptable Erwärmungsgrenze festgelegt. Die Politik entscheidet daraufhin, basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, wie viele Treibhausgase noch maximal ausgestoßen werden dürfen. Anhand dieses Emissionsbudgets werden Zertifikate ausgegeben, die auf einem Markt gehandelt werden. Durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage erhalten diese Zertifikate einen Preis. Mit Verknappung der Zertifikate steigt deren Preis – und die Emissionen werden teurer. Hierdurch entstehen echte Anreize, möglichst wenig Treibhausgase in die Atmosphäre zu entlassen.
Wenn ein Industrieunternehmen weniger CO2 ausstößt, als es seinen Zertifikaten entspricht, kann es die übrig gebliebenen Emissionsrechte an andere Marktteilnehmer verkaufen. Falls umgekehrt die Berechtigungen nicht ausreichen, muss das Unternehmen seine Emissionen reduzieren – oder aber Zertifikate hinzukaufen. Der Emissionshandel erlaubt so, ein politisch vorgegebenes Umweltziel mit so geringen volkswirtschaftlichen Kosten wie möglich zu erreichen, und parallel entstehen Anreize zur Innovation. Diese können der Wirtschaft insgesamt einen Wachstumsimpuls versetzen. Das bestehende Emissionshandelssystem der EU stammt aus dem Jahr 2005. Bislang sind in diesem gut funktionierenden System hauptsächlich Emissionen aus der Energiebranche und Großindustrie berücksichtigt. Seit dem Start des europäischen Emissionshandels sind die gesamten Emissionen der beteiligten Wirtschaftsbereiche in der EU um rund 43 Prozent gesunken, allein in Deutschland um rund 38 Prozent. Die ursprüngliche politische Vorgabe, die Emissionen bis zum Jahr 2030 im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent zu reduzieren, wurde hier schon 2020 erreicht.
Seit dem Start des europäischen Emissionshandels 2005 sind die Emissionen der beteiligten Branchen um 43 Prozent gesunken.
Seit dem Start des europäischen Emissionshandels 2005 sind die Emissionen der beteiligten Branchen um 43 Prozent gesunken.
Tatenlosigkeit gefährdet das Ökosystem
Das Instrument ermöglicht außerdem, die Anreizproblematik der politischen Entscheidungsträger zu mildern. Diese Problematik besteht darin, dass Politiker und Politikerinnen in der Regel an den kurzfristigen Ergebnissen ihres Handelns gemessen werden, dass ein geringerer Einsatz von fossilen Kraft- und Energiestoffen jedoch zunächst das wirtschaftliche Wachstum verlangsamt und damit einen Verzicht auf Wohlstand bedeutet. Doch Tatenlosigkeit gefährdet langfristig das Ökosystem, wie wir es kennen. Was bleibt, ist ein Dilemma – allerdings ein lösbares. Es gilt die zeitliche Lücke zwischen dem Freisetzen der Treibhausgase und der dadurch entstehenden Schäden zu überbrücken. Auf dem geplanten Pfad zur Senkung der Emissionen sind gerade am Anfang die Einschränkungen noch vergleichsweise locker und die Zertifikatspreise noch relativ niedrig. Folglich sind auch die wirtschaftlichen Konsequenzen für Industrie, Gewerbe und Endverbraucher zu verkraften. Erst mit zunehmender Verknappung steigt der Preis für Zertifikate und somit auch der Druck, durch den Einsatz von innovativen Methoden den Treibhausgasausstoß zu verringern. Das sollte helfen, die Maßnahme politisch durchzusetzen und den Ausstoß von CO2 wirksam zu reduzieren.
Ottmar Edenhofer, der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, sieht in der Abkehr von einer Ausweitung des Emissionshandels ein fatales Signal für den Klimaschutz. Erst mit einem zweiten Emissionshandel für Verkehr und Gebäude hätte die EU „das dringend erforderliche Signal gegeben, dass sie die Nachfrage nach Öl und Gas dauerhaft drastisch reduzieren wird“. Nun bleibe es erst einmal bei einem „Flickenteppich der nationalen Maßnahmen“, der die Emissionen nicht signifikant drosseln könne. Zwar bedeute das Scheitern im Parlament „nicht das endgültige Aus“. Doch die weiteren Verhandlungen seien deutlich erschwert.
Entgangenes Innovationspotenzial
Einen separaten Emissionshandel für die Sektoren Gebäude und Verkehr einzuführen, war dabei ohnehin immer nur die zweitbeste Möglichkeit. Am besten wäre eine sofortige Integration der beiden Sektoren in den bestehenden EU-Emissionshandel gewesen. Denn die Klimaeffekte von Emissionen sind immer dieselben, unabhängig von deren Ursprung. Daher ergeben unterschiedliche Emissionsbudgets und verschiedene sektorspezifische Preise wenig Sinn. Zudem lassen sich nur mit einem Emissionshandel, der möglichst sämtliche Sektoren einschließt, die Emissionen punktgenau in jener Verwendungsrichtung reduzieren, in der die Kosten dafür am geringsten sind.
Der europäische Ausstoß an Treibhausgasen muss noch in diesem Jahrzehnt drastisch verringert werden, um im Rahmen der vereinbarten Klimaziele zu bleiben. Wie gut das gelingen kann, wenn das beste Instrument nicht voll zum Einsatz kommt, ist ungewiss. Genauso wenig lässt sich das entgangene Innovationspotenzial beziffern. Ein Alternativvorschlag, der statt vom Emissionshandel von Verboten und Technikstandards geprägt wäre, müsste entweder weniger effektiv, weil nicht durchsetzbar bleiben – oder aber er wäre mit deutlich höheren wirtschaftlichen Kosten verbunden.
Dirk Assmann ist am Liberalen Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit als Referent für den Bereich Innovationsräume und Urbanisierung verantwortlich.
Maximilian Luz Reinhardt ist am selben Institut Referent
für Wirtschaft und Nachhaltigkeit.
Dirk Assmann ist am Liberalen Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit als Referent für den Bereich Innovationsräume und Urbanisierung verantwortlich.
Maximilian Luz Reinhardt ist am selben Institut Referent für Wirtschaft und Nachhaltigkeit.
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