SPEICHER
Für die Energiewende sind nicht nur die Netze, sondern auch Stromspeicher entscheidend: Bislang halten sich aber viele Mythen rund um die Speicher. Wie weit ist die Technik wirklich? Welche Verfahren sind vielversprechend? Und stimmt es, dass die Speichertechnik aus Deutschland stammt, aber nun im Ausland gefertigt wird? Wir gehen fünf hartnäckige Mythen auf den Grund.
Text: Mirko Heinemann
SPEICHER
Für die Energiewende sind nicht nur die Netze, sondern auch Stromspeicher entscheidend: Bislang halten sich aber viele Mythen rund um die Speicher. Wie weit ist die Technik wirklich? Welche Verfahren sind vielversprechend? Und stimmt es, dass die Speichertechnik aus Deutschland stammt, aber nun im Ausland gefertigt wird? Wir gehen fünf hartnäckige Mythen auf den Grund.
Text: Mirko Heinemann
Mythos 1
Die Energiewende kann auch ohne Stromspeicher gelingen
Dieser Mythos geht wohl auf eine Studie des Thinktanks „Agora Energiewende“ zurück. Vor zehn Jahren hatten die Energieexperten postuliert, bis zum Jahr 2030 seien in Deutschland keine Stromspeicher nötig, um das Stromnetz zu stabilisieren. Das sehen Experten inzwischen anders. Das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme fordert bis 2030 insgesamt 100 Gigawattstunden elektrische Speicherleistung, um die schwankenden Mengen von Wind- und Sonnenstrom auszugleichen. Das ist etwa so viel, wie die deutsche Hauptstadt Berlin an drei Tagen verbraucht.
Der Weg dahin ist noch weit: Im Herbst 2022 betrug laut RWTH Aachen die direkt am Netz installierte Stromspeicherleistung in Deutschland erst 4,5 Gigawattstunden. Einberechnet darin sind die vielen privaten Haushalte, die sich zusammen mit einer neuen Photovoltaik-Anlage einen Akku angeschafft haben, um ihren selbst produzierten Strom effektiver zu nutzen.
Künftig sollen auch Elektrofahrzeuge durch bidirektionales Laden als Stromspeicher für die Netzstabilisierung fungieren. Geplant sind außerdem Großspeicher für das Hochspannungsnetz. Im schwäbischen Kupferzell ist ein Lithium-Ionen-Speicher geplant, der kurzfristig 250 Megawatt Leistung ins Netz einspeisen kann. In China ist die Installation eines gigantischen Vanadium-Redox-Flow-Akkus geplant. Kapazität: 800 Gigawattstunden!
Mythos 2
Es gibt keine Speicher für einen industriellen Einsatz
Auf den ersten Blick ist das richtig: Lithium-Ionen- oder Blei-Akkus sind für den Großeinsatz kaum geeignet. Zu groß, zu schwer, zu teuer. Doch es gibt Megaspeicher für Strom, und zwar schon lange: Pumpspeicherkraftwerke gewinnen Strom aus Wasserkraft und dienen zugleich als Stromspeicher. Prinzip: Mit überschüssigem Strom, etwa nachts, wird Wasser in den höher gelegenen Speichersee gepumpt. Wird Strom benötigt, öffnet sich ein Ventil, Wasser strömt zu Tal, und eine Turbine erzeugt Strom. Der kann im Notfall ins Netz eingespeist werden. Pumpspeicherkraftwerke stehen naturgemäß im Gebirge, das weltgrößte in Limmern in der Schweiz. Es könnte mit seinem 33 Gigawattstunden-Speicher theoretisch Berlin einen ganzen Tag lang mit Strom versorgen. Doch auch in der norddeutschen Tiefebene gibt es Pumpspeicherwerke: Geesthacht bei Hamburg reichen 80 Meter Höhenunterschied, um 0,6 Gigawattstunden Strom zu speichern.
Strom für industrielle Zwecke lässt sich auch in Form von Wasserstoff speichern. Elektrolyseure wandeln Strom in Wasserstoff um, der in Hochdrucktanks gelagert wird. In Brennstoffzellen oder Gaskraftwerken wird er bei Bedarf wieder in Strom umgewandelt. Nachteil: Durch die Umwandlungen entstehen Verluste von mehr als 70 Prozent. Ein weiterer Nachteil dieser Speicher ist, dass sie schwerfällig sind und sich daher kaum zur flexiblen Netzstabilisierung eignen. Eine Alternative sind oben erwähnte Vanadium-Redox-Flow-Akkus. Sie sind aber platzintensiv und schwer. Vanadium ist giftig. Und sie sind teuer.
Pumpspeicherkraftwerke gewinnen Strom aus Wasserkraft und dienen zugleich als Stromspeicher.
Mythos 3
Speicher sind noch viel zu teuer
Wie bei Porsche und Rolex gilt auch hier: Qualität hat ihren Preis. Wer einen Speicher braucht, um den Strom seiner heimischen Photovoltaikanlage auch nachts zu nutzen, hat die Wahl zwischen günstigen Blei-Ionen- und teuren Lithium-Ionen-Akkus. Die altbewährten, großen und sehr schweren Blei-Akkus, die man auch als Starterbatterien im Auto kennt, kosten rund 250 bis 500 Euro pro Kilowattstunde. Lithium-Ionen-Akkus kosten derzeit 750 bis 1.000 Euro pro Kilowattstunde, Tendenz sinkend. Experten gehen davon aus, dass sich die Preise von Heimspeichersystemen langfristig bei 550 Euro pro Kilowattstunde einpendeln.
Andere Speicher sind tatsächlich sehr teuer. Ein Wasserstoffspeicher mit Brennstoffzelle für Zuhause wird für 70.000 bis 100.000 Euro angeboten. Vanadium-Redox-Flow-Großakkus liegen preislich etwa bei Lithium-Ionen-Akkus. Ein Pumpspeicherkraftwerk zu bauen, ist natürlich auch teuer. Das moderne Speicherwerk in Goldisthal/Thüringen mit 8,3 Gigawattstunden Kapazität hat 623 Millionen Euro gekostet. Gemessen an der Speichergröße aber relativieren sich die Kosten: Sie betragen 75 Euro pro Kilowattstunde.
Mythos 4
Speicher sind technisch noch nicht ausgereift
Blei-Ionen und Lithium-Ionen-Akkus haben tatsächlich technische Nachteile. Bleiakkus sind schwer, entladen sich auch ohne Nutzung schnell und enthalten giftiges Blei und Schwefelsäure.
Lithium-Ionen-Akkus sind zwar leicht und können schnell geladen werden. Ein Nachteil ist ihre kurze Lebensdauer, die nur zwischen 500 und 1000 Ladezyklen beträgt. Ein weiterer ihre Selbstentflammbarkeit: Werden sie zu warm oder kommt ihr Inneres in Kontakt mit Luft, fangen sie an zu brennen. Ihr Recycling ist aufwendig und energieintensiv, dazu kommen kritische Arbeitsbedingungen in Ländern des Südens, wo der notwendige Rohstoff Kobalt gewonnen wird.
Die Fachwelt wartet auf den ersten marktfähigen Festkörperakkumulator. Dessen Prinzip ähnelt dem Lithium-Ionen-Akku, nur ist der Elektrolyt nicht flüssig, sondern fest. Daher brennt der Akku nicht. Feststoffakkus sollen zudem sehr langlebig sein: Entwickler geben bis zu 100.000 mögliche Ladezyklen an.
In Deutschland sind bereits ein Dutzend Batteriezellfabriken geplant, in denen Lithium-Ionen-Akkus für Elektroautos oder als Pufferspeicher für erneuerbare Energien gebaut werden sollen.
Mythos 5
Bei Speichern geht es wie bei PV-Anlagen: in Deutschland erfunden und in China gebaut.
Damit es nicht so kommt, wurden milliardenschwere Fördertöpfe auf EU und Bundesebene eingerichtet. In Deutschland sind bereits ein Dutzend Batteriezellfabriken geplant, in denen Lithium-Ionen-Akkus für Elektroautos oder als Pufferspeicher für erneuerbare Energien gebaut werden sollen. Mit einer geplanten Kapazität von bis zu 250 Gigawattstunden ist die Tesla-Gigafactory in Grünheide bei Berlin das größte Projekt in Deutschland. Es folgen die Fabriken des chinesischen Herstellers Contemporary Amperex Technology (CATL) in Erfurt mit bis zu 100 Gigawattstunden und Volkswagen in Salzgitter und Göttingen mit jeweils 40 Gigawattstunden Kapazität. Das Fraunhofer ISI hat gemäß der Ankündigungen der in Europa aktiven Zellhersteller errechnet, dass bis 2025 europaweit Produktionskapazitäten von bis zu 500 Gigawattstunden erreicht werden können, bis 2030 sogar 1,5 Terawattstunden. P.S. Erfunden wurde der Lithium-Ionen-Akku in den USA, kommerziell nutzbar gemacht in Japan.
Mirko Heinemann ist freier Journalist und Redakteur mit den Schwerpunkten Wirtschaft, Kultur und Technologien.
Mirko Heinemann ist freier Journalist und Redakteur mit den Schwerpunkten Wirtschaft, Kultur und Technologien.
Der Energiepreisschock wird den Wandel zu einer klimaneutralen Wirtschaft entscheidend beschleunigen. Durchaus möglich, dass Grünstrom dann kaum mehr was kostet.
Qualifizierte Arbeitnehmer sollten schneller Deutsche werden können.
Offshore wind farms are supposed to make the energy transition happen after all. But it is still a long way to go. Building wind farms in the sea and connecting them to power grids on land requires a lot of things that are still missing.