Der Westen hat Afghanistan im Stich gelassen. Dass das Land nach 20 Jahren des Kampfes in die Hände von Kriminellen gefallen ist, ist eine Schande, die auch Europa niemals vergessen darf.
TEXT: LYNNE O’DONNELL
Der Westen hat Afghanistan im Stich gelassen. Dass das Land nach 20 Jahren des Kampfes in die Hände von Kriminellen gefallen ist, ist eine Schande, die auch Europa niemals vergessen darf.
TEXT: LYNNE O’DONNELL
Afghanistan ist das Symbol des Scheiterns der westlichen Allianz. Seit dem 15. August 2021 wird das kriegsgebeutelte Land am Hindukusch von einer der größten kriminellen Banden der Welt und ihren terroristischen Verbündeten kontrolliert. Die Wirtschaft befindet sich im freien Fall. Millionen von Menschen sind vom Hungertod bedroht. Frauen und Mädchen werden auf der Straße verprügelt, aus Arbeit und Bildung verdrängt. Es gibt keine Arbeitsplätze, keine öffentlichen Dienstleistungen, kein Bargeld, keine Hilfe. Die Inflation schießt in die Höhe, während Lebensmittel und Treibstoff immer knapper werden. Die Menschen sind mittellos, verzweifelt und verängstigt.
Afghanistan nähert sich damit dem Status eines gescheiterten Staates, ohne Freunde, im Stich gelassen von eben jenen Nationen, die einst versicherten, sie würden niemals gehen – einschließlich Deutschlands. Die Vereinigten Staaten und die NATO haben Afghanistan den Rücken gekehrt. Damit haben sie das Land und seine Menschen an den Dschihadismus abgetreten.
Afghanistan ist nun praktisch ein regierungsloser Raum, in dem der Terrorismus gedeihen kann und zweifellos auch wird. Die Invasion von 2001 hatte die Taliban als Vergeltung für ihre Zusammenarbeit mit Al-Qaida bei den Anschlägen auf die Vereinigten Staaten entmachtet, doch nun hat sich am 15. August 2021 auf fatale Weise der Kreis des sogenannten Kriegs gegen den Terror geschlossen, indem die Taliban neuerlich in Kabul einmarschiert sind und den Sieg über den Westen für sich beanspruchten. Zwei Jahrzehnte des Kampfes sind in einer Demütigung geendet. Alle moralische Autorität ist verloren.
Der einfältige Donald Trump war es, der die Ereignisse in Gang gesetzt hat, die uns an diesen Punkt des Grauens geführt haben. Er hatte beschlossen, der Weg zur Beendigung des „ewigen Krieges“ bestehe in einem „Deal“ mit den Taliban. Kein Gedanke an die Schulen, Krankenhäuser und Straßen, die im ganzen Land gebaut wurden; kein Gedanke an die Millionen von Kindern, die eine gute Ausbildung erfahren, die zur Universität gehen, die internationale Stipendien gewinnen, die ins Berufsleben eintreten; kein Gedanke an die lebhaften Medien, die Handytürme, die Solarzellen auf den Dächern des Landes. Kein Gedanke an die Bestrebungen einer der jüngsten Bevölkerungen der Welt, in der die meisten Menschen weniger als 35 Jahre alt sind und das Durchschnittsalter bei 18 Jahren liegt. Trump überging die Regierung, die von der westlichen Allianz seit 20 Jahren unterstützt wurde. Er ignorierte das afghanische Volk, das in das demokratische Experiment investiert hatte und mit überwältigender Mehrheit nicht wollte, dass die Taliban an die Macht zurückkehren.
Dabei hatten Trump und sein Team vor allem die Beziehung zwischen den Taliban und Terrorgruppen wie der Al-Qaida und dem Haqqani-Netzwerk grundlegend missverstanden oder auch bewusst ignoriert. Die Taliban haben ihre Verbindungen zu Al-Qaida nicht abgebrochen und werden dies auch nie tun. Sirajuddin Haqqani, der Anführer des Haqqani-Netzwerks, einer der brutalsten Terrorbanden der Welt, ist stellvertretender Führer der Taliban und jetzt Innenminister Afghanistans. Diese Gruppen haben eine symbiotische Beziehung, die Jahrzehnte zurückreicht; sie sind miteinander verheiratet, verflochten und untrennbar. Wenn die Taliban ihre Verbindungen zum Terror kappen sollten, dann wäre das, als entfernte man das Salz aus dem Meer. Das wird einfach nicht passieren.
Der überstürzte Abzug der NATO-Kräfte aus Afghanistan ist ein historischer Schandfleck nicht nur für die Vereinigten Staaten, sondern auch für Europa, auch für Deutschland. Die Ausrede, dass die europäischen Truppen ohne Unterstützung der amerikanischen Luftstreitkräfte nicht sicher arbeiten könnten, ist erbärmlich und peinlich. Wozu ist die deutsche Luftwaffe denn da? Zahlen wir mit unseren Steuern bloß für milliardenschwere Flugshows? Wenn die NATO-Staaten ihren Streitkräften keine Luftunterstützung bieten können, warum haben sie überhaupt eigene Luftstreitkräfte?
Die Taliban werden die Verbindung zum Terror nie kappen.
Nicht nur in diesem Zusammenhang muss man vor der Heuchelei des Westens erschaudern. Es ist auch kaum mitanzusehen, wie die afghanische Bevölkerung in den europäischen Ländern, die sie aufgenommen haben, derzeit behandelt wird – und das nach der hoffnungslos verpfuschten „Evakuierungsaktion“. Es fehlt offenbar völlig das Verständnis dafür, dass es sich bei den neuen afghanischen Flüchtlingen um Angehörige einer gebildeten Mittelschicht handelt. Es sind Menschen, die an die Demokratie und die angeblich von der internationalen Gemeinschaft garantierten Freiheiten geglaubt und dafür gearbeitet haben. Sie sind nun gezwungen, bei den Menschen um Schutz zu betteln, die ihr Versprechen, sie zu beschützen, nicht gehalten haben.
Dass Afghanistan in die Hände jener Kriminellen und Terroristen gefallen ist, vor denen das Land vor 20 Jahren „gerettet“ wurde, ist eine Schande, die Europa niemals vergessen darf. Das afghanische Volk wird es nie vergessen. Und die Feinde des Westens werden es uns nicht erlauben, zu vergessen.
Afghanistan ist das Symbol des Scheiterns der westlichen Allianz. Seit dem 15. August 2021 wird das kriegsgebeutelte Land am Hindukusch von einer der größten kriminellen Banden der Welt und ihren terroristischen Verbündeten kontrolliert. Die Wirtschaft befindet sich im freien Fall. Millionen von Menschen sind vom Hungertod bedroht. Frauen und Mädchen werden auf der Straße verprügelt, aus Arbeit und Bildung verdrängt. Es gibt keine Arbeitsplätze, keine öffentlichen Dienstleistungen, kein Bargeld, keine Hilfe. Die Inflation schießt in die Höhe, während Lebensmittel und Treibstoff immer knapper werden. Die Menschen sind mittellos, verzweifelt und verängstigt.
Afghanistan nähert sich damit dem Status eines gescheiterten Staates, ohne Freunde, im Stich gelassen von eben jenen Nationen, die einst versicherten, sie würden niemals gehen – einschließlich Deutschlands. Die Vereinigten Staaten und die NATO haben Afghanistan den Rücken gekehrt. Damit haben sie das Land und seine Menschen an den Dschihadismus abgetreten.
Afghanistan ist nun praktisch ein regierungsloser Raum, in dem der Terrorismus gedeihen kann und zweifellos auch wird. Die Invasion von 2001 hatte die Taliban als Vergeltung für ihre Zusammenarbeit mit Al-Qaida bei den Anschlägen auf die Vereinigten Staaten entmachtet, doch nun hat sich am 15. August 2021 auf fatale Weise der Kreis des sogenannten Kriegs gegen den Terror geschlossen, indem die Taliban neuerlich in Kabul einmarschiert sind und den Sieg über den Westen für sich beanspruchten. Zwei Jahrzehnte des Kampfes sind in einer Demütigung geendet. Alle moralische Autorität ist verloren.
Der einfältige Donald Trump war es, der die Ereignisse in Gang gesetzt hat, die uns an diesen Punkt des Grauens geführt haben. Er hatte beschlossen, der Weg zur Beendigung des „ewigen Krieges“ bestehe in einem „Deal“ mit den Taliban. Kein Gedanke an die Schulen, Krankenhäuser und Straßen, die im ganzen Land gebaut wurden; kein Gedanke an die Millionen von Kindern, die eine gute Ausbildung erfahren, die zur Universität gehen, die internationale Stipendien gewinnen, die ins Berufsleben eintreten; kein Gedanke an die lebhaften Medien, die Handytürme, die Solarzellen auf den Dächern des Landes. Kein Gedanke an die Bestrebungen einer der jüngsten Bevölkerungen der Welt, in der die meisten Menschen weniger als 35 Jahre alt sind und das Durchschnittsalter bei 18 Jahren liegt. Trump überging die Regierung, die von der westlichen Allianz seit 20 Jahren unterstützt wurde. Er ignorierte das afghanische Volk, das in das demokratische Experiment investiert hatte und mit überwältigender Mehrheit nicht wollte, dass die Taliban an die Macht zurückkehren.
Dabei hatten Trump und sein Team vor allem die Beziehung zwischen den Taliban und Terrorgruppen wie der Al-Qaida und dem Haqqani-Netzwerk grundlegend missverstanden oder auch bewusst ignoriert. Die Taliban haben ihre Verbindungen zu Al-Qaida nicht abgebrochen und werden dies auch nie tun. Sirajuddin Haqqani, der Anführer des Haqqani-Netzwerks, einer der brutalsten Terrorbanden der Welt, ist stellvertretender Führer der Taliban und jetzt Innenminister Afghanistans. Diese Gruppen haben eine symbiotische Beziehung, die Jahrzehnte zurückreicht; sie sind miteinander verheiratet, verflochten und untrennbar. Wenn die Taliban ihre Verbindungen zum Terror kappen sollten, dann wäre das, als entfernte man das Salz aus dem Meer. Das wird einfach nicht passieren.
Der überstürzte Abzug der NATO-Kräfte aus Afghanistan ist ein historischer Schandfleck nicht nur für die Vereinigten Staaten, sondern auch für Europa, auch für Deutschland. Die Ausrede, dass die europäischen Truppen ohne Unterstützung der amerikanischen Luftstreitkräfte nicht sicher arbeiten könnten, ist erbärmlich und peinlich. Wozu ist die deutsche Luftwaffe denn da? Zahlen wir mit unseren Steuern bloß für milliardenschwere Flugshows? Wenn die NATO-Staaten ihren Streitkräften keine Luftunterstützung bieten können, warum haben sie überhaupt eigene Luftstreitkräfte?
Die Taliban werden die Verbindung zum Terror nie kappen.
Nicht nur in diesem Zusammenhang muss man vor der Heuchelei des Westens erschaudern. Es ist auch kaum mitanzusehen, wie die afghanische Bevölkerung in den europäischen Ländern, die sie aufgenommen haben, derzeit behandelt wird – und das nach der hoffnungslos verpfuschten „Evakuierungsaktion“. Es fehlt offenbar völlig das Verständnis dafür, dass es sich bei den neuen afghanischen Flüchtlingen um Angehörige einer gebildeten Mittelschicht handelt. Es sind Menschen, die an die Demokratie und die angeblich von der internationalen Gemeinschaft garantierten Freiheiten geglaubt und dafür gearbeitet haben. Sie sind nun gezwungen, bei den Menschen um Schutz zu betteln, die ihr Versprechen, sie zu beschützen, nicht gehalten haben.
Dass Afghanistan in die Hände jener Kriminellen und Terroristen gefallen ist, vor denen das Land vor 20 Jahren „gerettet“ wurde, ist eine Schande, die Europa niemals vergessen darf. Das afghanische Volk wird es nie vergessen. Und die Feinde des Westens werden es uns nicht erlauben, zu vergessen.
Lynne O’Donnell ist Journalistin und Autorin. Sie berichtet seit 2001 aus und über Afghanistan. Nach der Machtübernahme durch die Taliban verließ sie das Land am 15. August 2021 mit dem letzten kommerziellen Flug. Derzeit arbeitet sie an ihrem Buch „High Value Target: The Fall of Kabul“, das im August 2022 erscheinen soll.