Die künstliche Intelligenz wird den Arbeitsmarkt umkrempeln. Aber sie vernichtet keine Jobs, wie oft behauptet, sondern ist Schöpferin neuer Tätigkeiten.
Die künstliche Intelligenz wird den Arbeitsmarkt umkrempeln. Aber sie vernichtet keine Jobs, wie oft behauptet, sondern ist Schöpferin neuer Tätigkeiten.
TEXT: JONAS GERDING
Dass neue Dinge nicht von Anfang an perfekt funktionieren, das kennt man. Dass ein Konzern das offen ausspricht, eher nicht. „Unser digitaler Assistent berät Sie jederzeit und ganz ohne Wartezeit“, heißt es auf der Telekom-Seite zum automatisierten Call-Center-Agenten „Frag Magenta“. Und dann ganz bescheiden: „Er versteht zwar noch nicht alles perfekt, lernt aber ständig dazu.“ Kundinnen und Kunden, die sich bei der Telekom beschweren, ihren Umzug melden oder ihren Vertrag ändern möchten, können „Frag Magenta“ in ihrer App oder im Browser ansprechen oder anschreiben, ähnlich wie sie es vielleicht von Apples Siri oder Microsofts Cortana gewohnt sind. Es beginnt mit Begrüßungsfloskeln, es folgt die Schilderung des Anliegens, und schließlich gibt es erste Antworten. Das reicht vielleicht schon zur Zufriedenheit der Kundin oder des Kunden. Ansonsten folgen Nachfragen und darauf weitere Antworten.
Jan Hofmann, „Top Program Lead AI“ bei der Telekom, hat „Frag Magenta“ mit seinem Team entwickelt. Er sieht in der künstlichen Intelligenz (KI; englisch: Artificial Intelligence, AI) nicht zuletzt die Befreiung der Beschäftigten von allzu nervigen, repetitiven Tätigkeiten. Die Mitarbeitenden im Callcenter übernehmen die komplexeren Aufgaben, die „Frag Magenta“ nicht gelöst bekommt. „In der Einzelberatung haben sie damit mehr Zeit, den Kunden zu beraten.“
Dafür hat Hofmanns Team das Programm mit Daten gefüttert und 500 Themencluster gebildet. Jetzt hält das Team „Frag Magenta“ am Laufen. „Vieles ist gar nicht so verschieden von den klassischen IT-Rollen“, sagt er. Da gebe es die User-Interface-Designer an der Schnittstelle zum Kunden. Aber vor allem bei den Daten-Wissenschaftlern sei spezielle KI-Expertise gefragt - damit der automatische Gesprächspartner ordentlich lernt. Auch Hofmann selbst musste dazulernen. Er hatte einst Physik studiert. „Natürlich gibt es da eine Phase des Umorientierens, des Neulernens“, sagt er. Aber, und das ist sein Punkt: Wenn sich die Firmen und ihre Beschäftigten die notwendigen Fähigkeiten aneignen, wird die künstliche Intelligenz nicht zu dem Jobkiller, zu dem sie Untergangspropheten gerne machen.
AI-Safety-Engineer und Ethics-Compliance-Manager könnten schon bald nichts Ungewöhnliches mehr sein.
Unternehmen, die KI einsetzen wollen, müssen sich also den unmittelbar drängenden Fragen stellen: Wie sollte das Miteinander von Mensch und Maschine sinnvollerweise gestaltet werden? Welche Fähigkeiten müssen die Mitarbeitenden dafür erwerben? Nicht nur Vollzeit-Programmierende werden notwendig sein, sondern auch Fachleute mit Querschnittskompetenzen. Hier zeigt sich die schöpferische Kraft, die die künstliche Intelligenz auf dem Arbeitsmarkt zu entfalten beginnt. Wie die Arbeitswelt in Zukunft aussehen könnte, in der sich die Tätigkeiten von Menschen und KI eng miteinander verflechten, skizzieren Paul Daugherty und James Wilson, zwei Vordenker des Beratungsunternehmens Accenture in ihrem Buch „Human + Machine“. AI-Safety-Engineer, Ethics-Compliance-Manager und Machine-Relations-Manager: Daugherty und Wilson zufolge sind diese Wortungetüme neue Jobtitel, die schon jetzt im angelsächsischen Raum diskutiert werden und bald nichts Ungewöhnliches mehr sein könnten.
Der Ökonom Gerd Zika vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung bestätigt die optimistische Prognose, dass die KI in großem Umfang neue Jobs schaffen wird. Er erstellt für Bundesministerien Beschäftigungsprognosen. Kürzlich präsentierte er das Szenario einer Wirtschaft 4.0 im Jahr 2040, in der auch die künstliche Intelligenz eine wichtige Rolle spielt. Dabei geht es nicht um menschengleiche Technologiewunder wie aus Filmen wie „Ex Machina“, sondern um praktikable Systeme, die nicht bloß vorgegebenen Entscheidungspfaden folgen, sondern Muster in großen Datensätzen erkennen, daraus Handlungsoptionen ableiten und selbst reagieren. Zika erwartet, dass bis 2040 rund 5,3 Millionen Jobs wegfallen, gleichzeitig jedoch 3,6 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze entstehen – bei insgesamt 43,3 Millionen Erwerbstätigen im Land. Rechnerisch bedeutet das ein Minus von 1,7 Millionen Arbeitsplätzen. Doch diese Zahl wird nach Zika nicht auf das Konto der Digitalisierung gehen, sondern vor allem darauf, dass geburtenstarke Jahrgänge in Rente gehen und die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter sinkt.
Die Arbeitskraft von Menschen bleibt begehrt. Denn „KI fällt nicht einfach vom Himmel“, wie der Wissenschaftler betont. Erst seien allerlei Berater erforderlich, dann müssten Maschinen und Software gekauft, Programme geschrieben und Mitarbeiter geschult werden. Volkswirtschaftlich führe das auf einen Aufwärtspfad, denn für die einen seien das Ausgaben, für die anderen aber Einkünfte – und zwar steigende. „Das höhere Einkommen führt im Allgemeinen zu einem höheren Konsum, sodass wiederum neue Arbeitsplätze geschaffen werden“, erklärt Zika. Noch leben wir also nicht in der eng verwobenen Arbeitswelt der Zukunft, die Wilson und Daugherty in ihrem Buch beschreiben. Und auf dem Weg dahin gibt es genug zu tun. Drei Arbeitsfelder sehen die Autoren mit Blick auf das Miteinander von Mensch und Maschine: Die Erklärer, die KI auf den Grund gehen, um sie Vorgesetzten, Kollegen und Kunden erklären zu können. „Transparency-Analyst“ und „Explainability-Strategist“ könnten also bald schon auf Visitenkarten stehen. Dann wären da noch die Trainerinnen und Trainer, die den Mitarbeitenden beibringen, wie sie Tätigkeiten auszuführen haben – sei es gegenüber dem Greifroboter in der Werkshalle oder auf abstrakte Weise im Fall des „Em-pathy-Trainers“, der Daten säubert und dafür sorgt, dass die Systeme Emotionen identifizieren können.
Damit künstliche Intelligenzen stets rund laufen und im Dienste der Menschen handeln, bräuchte es zudem „Sustainer“, die sich gleichsam um die Instandhaltung kümmern. Gerade hier spielen auch Fragen der Unternehmensverantwortung eine Rolle, die beispielsweise „Automation-Ethicists“ beantworten. Christian Essling bezeichnet sich in seinem LinkedIn-Profil als „Chief Data Officer“ beim Münchner Energieunternehmen Eon. Halb im Scherz nennt er sich auch „Chief Explainer“. „Weil es mir ganz gut liegt, die Brücke zwischen der Technologie und dem Business zu schlagen.“ Er hat Ökonomie studiert und sich auf Wirtschaftsdaten und Statistik fokussiert. Heute führt er ein Team von 50 Fachleuten, deren Arbeit er ständig für die Mitarbeitenden in anderen Unternehmensbereichen übersetzen muss – und umgekehrt.
Unternehmen, die KI einsetzen wollen, müssen sich also den unmittelbar drängenden Fragen stellen: Wie sollte das Miteinander von Mensch und Maschine sinnvollerweise gestaltet werden? Welche Fähigkeiten müssen die Mitarbeitenden dafür erwerben? Nicht nur Vollzeit-Programmierende werden notwendig sein, sondern auch Fachleute mit Querschnittskompetenzen. Hier zeigt sich die schöpferische Kraft, die die künstliche Intelligenz auf dem Arbeitsmarkt zu entfalten beginnt. Wie die Arbeitswelt in Zukunft aussehen könnte, in der sich die Tätigkeiten von Menschen und KI eng miteinander verflechten, skizzieren Paul Daugherty und James Wilson, zwei Vordenker des Beratungsunternehmens Accenture in ihrem Buch „Human + Machine“. AI-Safety-Engineer, Ethics-Compliance-Manager und Machine-Relations-Manager: Daugherty und Wilson zufolge sind diese Wortungetüme neue Jobtitel, die schon jetzt im angelsächsischen Raum diskutiert werden und bald nichts Ungewöhnliches mehr sein könnten.
Der Ökonom Gerd Zika vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung bestätigt die optimistische Prognose, dass die KI in großem Umfang neue Jobs schaffen wird. Er erstellt für Bundesministerien Beschäftigungsprognosen. Kürzlich präsentierte er das Szenario einer Wirtschaft 4.0 im Jahr 2040, in der auch die künstliche Intelligenz eine wichtige Rolle spielt. Dabei geht es nicht um menschengleiche Technologiewunder wie aus Filmen wie „Ex Machina“, sondern um praktikable Systeme, die nicht bloß vorgegebenen Entscheidungspfaden folgen, sondern Muster in großen Datensätzen erkennen, daraus Handlungsoptionen ableiten und selbst reagieren. Zika erwartet, dass bis 2040 rund 5,3 Millionen Jobs wegfallen, gleichzeitig jedoch 3,6 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze entstehen – bei insgesamt 43,3 Millionen Erwerbstätigen im Land. Rechnerisch bedeutet das ein Minus von 1,7 Millionen Arbeitsplätzen. Doch diese Zahl wird nach Zika nicht auf das Konto der Digitalisierung gehen, sondern vor allem darauf, dass geburtenstarke Jahrgänge in Rente gehen und die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter sinkt.
Die Arbeitskraft von Menschen bleibt begehrt. Denn „KI fällt nicht einfach vom Himmel“, wie der Wissenschaftler betont. Erst seien allerlei Berater erforderlich, dann müssten Maschinen und Software gekauft, Programme geschrieben und Mitarbeiter geschult werden. Volkswirtschaftlich führe das auf einen Aufwärtspfad, denn für die einen seien das Ausgaben, für die anderen aber Einkünfte – und zwar steigende. „Das höhere Einkommen führt im Allgemeinen zu einem höheren Konsum, sodass wiederum neue Arbeitsplätze geschaffen werden“, erklärt Zika. Noch leben wir also nicht in der eng verwobenen Arbeitswelt der Zukunft, die Wilson und Daugherty in ihrem Buch beschreiben. Und auf dem Weg dahin gibt es genug zu tun. Drei Arbeitsfelder sehen die Autoren mit Blick auf das Miteinander von Mensch und Maschine: Die Erklärer, die KI auf den Grund gehen, um sie Vorgesetzten, Kollegen und Kunden erklären zu können. „Transparency-Analyst“ und „Explainability-Strategist“ könnten also bald schon auf Visitenkarten stehen. Dann wären da noch die Trainerinnen und Trainer, die den Mitarbeitenden beibringen, wie sie Tätigkeiten auszuführen haben – sei es gegenüber dem Greifroboter in der Werkshalle oder auf abstrakte Weise im Fall des „Em-pathy-Trainers“, der Daten säubert und dafür sorgt, dass die Systeme Emotionen identifizieren können.
Damit künstliche Intelligenzen stets rund laufen und im Dienste der Menschen handeln, bräuchte es zudem „Sustainer“, die sich gleichsam um die Instandhaltung kümmern. Gerade hier spielen auch Fragen der Unternehmensverantwortung eine Rolle, die beispielsweise „Automation-Ethicists“ beantworten. Christian Essling bezeichnet sich in seinem LinkedIn-Profil als „Chief Data Officer“ beim Münchner Energieunternehmen Eon. Halb im Scherz nennt er sich auch „Chief Explainer“. „Weil es mir ganz gut liegt, die Brücke zwischen der Technologie und dem Business zu schlagen.“ Er hat Ökonomie studiert und sich auf Wirtschaftsdaten und Statistik fokussiert. Heute führt er ein Team von 50 Fachleuten, deren Arbeit er ständig für die Mitarbeitenden in anderen Unternehmensbereichen übersetzen muss – und umgekehrt.
Auf dem Weg in die eng verwobene Arbeitswelt der Zukunft gibt es noch viel zu tun.
Für Esslings Fachleute ist „Natural-Language-Processing“ eine häufige Anwendung von KI. Dahinter verbergen sich Techniken und Methoden zur maschinellen Verarbeitung der natürlichen Sprache. Zuletzt arbeiteten sie an einer automatisierten E-Mail-Kommunikation. Dafür müssen die Systeme erkennen, was die Kunden wollen, wie die Zählerstände und Vertragsnummern lauten – und wie darauf jeweils zu reagieren ist. Dahinter steckt viel Training. Das übernimmt ein Team aus rund zehn Data-Scientists. Jeweils etwa 2 Data-Engineers und zehn Data-Analysts bilden zwei weitere Gruppen.
„Train und Sustain sind bei uns tatsächlich zwei getrennte Rollen und Teams“, erklärt Essling. Um die Performance der KI und die Optimierung des Codes kümmern sich seine „ML Ops“, zehn Machine-Learning-Operators, die „Sustainer“. Sie nehmen die Zuordnung zu den drei Kategorien vor. „Wir machen das stoisch auch bei anderen Produkten so“, sagt Essling über die Arbeitsteilung.
Es sei riskant, wenn Unternehmen das Thema KI allein bei den Codern verorteten, warnt Norbert Huchler, der am Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung in München die Interaktion zwischen Mensch und Maschine untersucht. KI und Beschäftigte ergänzten einander wunderbar: die KI mit ihren Stärken im Repetitiven und Analytischen, die Menschen mit dem Situativen und Intuitiven. Das müsse sich auch in den Tätigkeiten widerspiegeln, die Firmen ausschrieben, fordert er.
Auf einer Skala betrachtet, befinden sich am einen Ende die Jobs der Programmierer, die KI schreiben, und am anderen Ende die Angelernten, die die KI als Werkzeug nutzen, ohne sie zu verstehen. „Prognostiziert wird genau diese Tendenz der Polarisierung“, sagt Huchler. Das bereite ihm Sorgen für die Tech-Branche im Ganzen. Die Unternehmen liefen damit Gefahr, die Perspektiven der Nutzerinnen und Nutzer nicht mehr zu kennen und ihre Produkte an deren Bedürfnissen vorbeizuentwickeln.
Auch Gender-Bias und Diskriminierungen aller Art würden so durch Technologien reproduziert, fürchtet Huchler, mehr noch als direkt durch das Verhalten von Menschen. „Das befördert die Dequalifizierung in der Mitte der Gesellschaft, reduziert Qualität, Innovationspotenzial, Vielfalt und Flexibilität, erhöht Einkommensunterschiede und schafft Monopole.“
Was daher notwendig wäre, seien mehr Arbeitsplätze in der Mitte der Skala, wo Fachwissen und Querschnittskompetenzen gefragt sind – also mehr „Explainer“ und „Sustainer“. Und deshalb fordert Huchler: „Innovation nicht in Silos denken und die Fachabteilungen hinzuholen!“
Jonas Gerding ist Journalist und lebt in Leipzig. Er hat sich thematisch auf die Schnittstellen zwischen Wirtschaft, Technologie und Umwelt spezialisiert.