Mehr als 130 Staaten folgen einer G-20-Initiative und besteuern Unternehmen künftig mit mindestens 15 Prozent. Das ist weniger ein Verdienst des US-Präsidenten Joe Biden als vielmehr seiner Finanzministerin Janet Yellen.
TEXT: DAVID MARSH
Mehr als 130 Staaten folgen einer G-20-Initiative und besteuern Unternehmen künftig mit mindestens 15 Prozent. Das ist weniger ein Verdienst des US-Präsidenten Joe Biden als vielmehr seiner Finanzministerin Janet Yellen.
TEXT: DAVID MARSH
Die G-20-Länder haben sich auf eine globale Mindeststeuer für Unternehmen geeinigt. Sie soll 2023 in Kraft treten. Der erste Teil des Abkommens zielt darauf, es multinationalen Unternehmen künftig unmöglich zu machen, ihre Steuerpflichten durch eine Verschiebung ihrer Gewinne in Niedrigsteuerstaaten zu minimieren. Ein Beispiel für diese Praxis ist Irland, Steuerdomizil von mehr als 20 internationalen Pharmakonzernen. Gewinne sollen künftig überall dort besteuert werden, wo die Konzerne ihre Umsätze erwirtschaften. Der zweite Teil des Abkommens legt die globale Mindeststeuer auf 15 Prozent fest.
Dem Abkommen folgen inzwischen mehr als 130 Länder. Man kann das auf vielerlei Weise interpretieren. Erstens mag es als ein Hoffnung bringender Meilenstein erscheinen, Zeichen der neu angebrochenen Ära des amerikanischen Präsidenten Joe Biden, undenkbar noch in den Zeiten seines republikanischen Vorgängers Donald Trump. Man mag das Abkommen auch als einen Hinweis auf ein wachsendes Interesse an internationaler Zusammenarbeit werten, sogar im Hinblick auf den globalen Kampf gegen den Klimawandel.
Und damit setzt es vielleicht ein Zeichen dafür, dass selbst in den von Konflikt und Konfrontation überschatteten Beziehungen zwischen China und Amerika wirtschaftspolitische Einigungen im beiderseitigen Interesse realisierbar sind. Man kann in dem Abkommen aber auch einen Schlag gegen die geballte Macht amerikanischer Tech-Giganten wie Amazon, Apple, Google und Facebook sehen, die ab 2023 nicht mehr in der Lage sein werden, sich der Kontrolle international kooperierender Finanzbehörden zu entziehen.
Die treibende Kraft dieser Reform ist jedenfalls nicht Präsident Biden selbst, sondern vielmehr Finanzministerin Janet Yellen. Die ehemalige Chefin der amerikanischen Notenbank, der Federal Reserve Bank, ist eine anerkannte Wissenschaftlerin. Die Einigung auf eine globale Mindeststeuer, nach der international tätige Firmen gleichmäßig mit einem Mindestsatz von 15 Prozent besteuert werden, hat Yellen als „historischen Tag der Wirtschaftsdiplomatie“ gepriesen. „Regierungen müssen über stabile Steuersysteme verfügen“, sagt sie, „die genug Einnahmen erzielen, um in lebenswichtige öffentliche Güter zu investieren und auf Krisen zu reagieren.“
Viele Details zur künftigen Umsetzung der Pläne in die Praxis sind noch ungeklärt. Außerdem bedarf das Vorhaben in Amerika noch der Zustimmung des Kongresses, wo Bidens Demokraten nur eine hauchdünne Mehrheit besitzen. Die Republikaner haben Widerstand gegen die „Steuernivellierung“ und gegen eine „Unterminierung amerikanischer Interessen im Ausland“ angemeldet.
David Marsh, langjähriger Europa-Korrespondent der „Financial Times“, ist Chairman des Official Monetary and Financial Institutions Forum (OMFIF). Der Thinktank mit Sitz in London befasst sich mit Zentralbanken, Wirtschaftspolitik und öffentlichen Investitionen.