Resiliente Wirtschaft

Einen Begriff begreifen

Die „wirtschaftliche Resilienz“, über die seit einer Weile viel diskutiert wird, bedeutet für jeden Staat, jede Gesellschaft und jedes Unternehmen etwas anderes. Doch angesichts einer unwägbaren Zukunft kann sich ihr keiner entziehen.

Forstwirtschaftsbetrieb LKW mit Kran hebt Baumstamm

Resiliente Wirtschaft

Einen Begriff begreifen

Forstwirtschaftsbetrieb LKW mit Kran hebt Baumstamm

Die „wirtschaftliche Resilienz“, über die seit einer Weile viel diskutiert wird, bedeutet für jeden Staat, jede Gesellschaft und jedes Unternehmen etwas anderes. Doch angesichts einer unwägbaren Zukunft kann sich ihr keiner entziehen.

TEXT: MAIKE RADEMAKER

TEXT: MAIKE RADEMAKER

Es gibt kaum einen Arbeitsplatz in dieser Fabrikhalle im mecklenburgischen Malchow, der nicht bebt und zittert. Kein Wunder: Im Sekundentakt knallen dicke Baumstämme auf die Rollen der Maschinenstraße, werden sortiert, gewendet, geschnitten. Es ist so laut, dass alle, die hier arbeiten, dicke Kopfhörer tragen.

in Sägewerk eben? Ja, aber eines, das einzigartig ist in Europa: Es sind Buchenstämme, keine Fichten, die hier und an zwei weiteren Standorten der Firma Pollmeier in industriellem Maßstab zu Bauholz werden. „Wir wussten, dass die Fichte kein Zukunftsmodell ist“, sagt Jan Hassan, Projektberater bei Pollmeier. Fichte ist zwar das wichtigste Bauholz in Deutschland. Aber es werden immer weniger Fichten gepflanzt, und mit Dürre und Borkenkäfer sterben derzeit Tausende Nadelbäume. Mehr als jeder zweite Laubbaum ist eine Buche. Es lohnt sich also, umzustellen. Die Zukunft sieht für Pollmeier somit gut aus. Das Unternehmen könnte gleichsam ein Gewinner der Klimakrise sein, der wohl größten Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft – gerade weil es zu einer klimaresilienten Wirtschaft beiträgt. Oder ist es einfach nur innovativ?

Über ökonomische Resilienz wird seit der Finanzkrise häufig diskutiert. Es geht um wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit – aber was genau ist damit gemeint? Ist es nur die Neutralisierung von Wachstums- und Beschäftigungsfolgen nach wirtschaftlichen Schocks, fragten sich Forscher 2017 in einer Studie für die Bertelsmann-Stiftung, oder sollte man den Begriff auch für die vorausgreifende Anpassung an möglicherweise bevorstehende Krisen verwenden? Und wenn die Anpassung dazugehört – an was? Mit welchem Ziel? Wer muss wie aktiv werden, in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft? 

Die richtige Antwort finden

Klar ist: Weitere externe Schocks und schwere Krisen werden kommen. Längst warnen Forscher vor neuen Pandemien. Cyberattacken gefährden zunehmend Unternehmen und öffentliche Infrastruktur. Die Klimakrise und ihre bereits sichtbaren Folgen erfordern neue Maßnahmen. Auch schließt niemand eine neuerliche schwere Finanzkrise aus. Nicht zuletzt bedrohen globale Machtkämpfe die Wirtschaft und ihre Lieferstrukturen. Klar ist auch: Im Vergleich zu anderen Ländern ist Deutschland weit besser sowohl durch die Pandemie als zuvor auch schon durch die Finanzkrise gekommen. Nicht nur, weil es ein reiches Land ist, das sind die Vereinigten Staaten auch. Aber dort stieg die Arbeitslosigkeit mit der Pandemie auf 14,7 Prozent, in Deutschland auf 6,2 Prozent – dank der Finanzhilfen für Branchen, aber vor allem dank der Kurzarbeit. Ist die Kurzarbeit also ein Instrument, das sich immer anbietet und immer funktioniert? Für einen temporären Schock ja, konstatiert der Ökonom Markus Brunnermeier von der Princeton University, der kürzlich ein Buch mit dem Titel „Die resiliente Gesellschaft“ veröffentlicht hat. „Aber wenn sich zum Beispiel durch Corona alles radikal änderte – was nicht so ist –, dann wäre es besser, Umschulungen zu fördern“, sagt er. „Die richtige Kombination politischer Maßnahmen ist nicht leicht zu finden.“ Auch der Sachverständigenrat für Wirtschaft, der den Begriff Resilienz sogar in den Titel seines Jahresgutachtens 2021 hob, gibt gleich mehrere Empfehlungen, wie die deutsche Wirtschaft resilienter werden könnte: Mit diversifizierten Lieferketten in offenen Märkten; mit einem stärkeren Vorhalten von wichtigen medizinischen Produkten wie im Fall der strategischen Ölreserve. Aber was heißt das für ein Unternehmen?

Wir reden von Klimaresilienz, von Krisenresilienz, von Pandemieresilienz.

KLAUS-HEINER RÖHL

INSTITUT DER DEUTSCHEN WIRTSCHAFT

Wir reden von Klimaresilienz, von Krisen-
resilienz, von Pandemie-
resilienz.

KLAUS-HEINER RÖHL

INSTITUT DER DEUTSCHEN WIRTSCHAFT

Mittelstand als feste Säule 

„Ökonomische Resilienz ist ein enorm weiter Begriff, der vieles umfasst. Wir reden von Klimaresilienz, von Krisenresilienz, von Pandemieresilienz – und das beinhaltet immer andere Aspekte“, erklärt Klaus-Heiner Röhl, Experte für Strukturwandel beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW). In allen Fällen trage jedoch zum Beispiel eine ausreichend hohe Eigenkapitalquote der Unternehmen zur Stabilität der Wirtschaft bei. „In der Coronapandemie hat sich das ausgezahlt.“ Deutschland ist zudem nach Brunnermeier und Röhl mit seinen mittelständischen Strukturen gut aufgestellt. „Viele Familienunternehmen haben mehrere Standbeine und können dadurch bei Schocks flexibel reagieren“, sagt Röhl. Innovation, Investitionen in Hochschulbildung, Flexibilität: Das sind die Stichworte der Ökonomen.

Viele rieben sich am Tag danach die Augen. Sie konnten, ja manche wollten es nicht glauben: Von den Erstwählerinnen und -wählern erhielt die FDP eine Prise mehr Stimmen als die Grünen. Beide landeten in der Befragung von Infratest Dimap bei 23 Prozent – deutlich vor der SPD mit 15 und weit vor der Union mit 10, der Linken mit 8 und der AfD mit 6 Prozent. Dies widersprach allen gängigen Vorurteilen. Ähnlich war es mit dem Ergebnis einer Wahlumfrage unter Jugendlichen im Alter von weniger als 18 Jahren, die noch nicht wahlberechtigt sind, der sogenannten Juniorwahl 2021. Auch hier lag die FDP sehr gut, und zwar bei 18,5 im Vergleich zu 19,4 bei SPD und 20,6 Prozent bei den Grünen, wobei die Steigerung gegenüber 2017 mit 9,7 Prozentpunkten mit Abstand am stärksten ausfiel.

Eigene Wege definieren 

Auch Lagerhaltung eröffnet Spielraum, wie Toyota zeigt: Nach dem Tsunami 2011 baute der Konzern Lager für Halbleiter auf und wich von der Just-in-time-Lieferung ab. Das zahle sich jetzt aus, sagt Röhl. „Aber bei Strategien wie Lagerhaltung oder einheimischer Produktion muss immer im Blick bleiben: Rechnet sich das? Wer zahlt den Mehrpreis?“ Letztlich müssten Unternehmen individuell definieren, wo sie aktiv werden sollten, also im Hinblick auf allgemeine Aspekte wie Lieferketten, Eigenkapital, Liquidität, oder auf regional spezifische Aspekte wie die demografische Entwicklung auf dem Land. Aber schon das Beispiel Lagerhaltung zeigt: Resilienz kostet Geld. „Eine vermehrte Lagerhaltung kann sinnvoll sein für Unternehmen“, bestätigt Alexander Kriwoluzky vom Deutschen In-stitut für Wirtschaftsforschung (DIW). Das hieße aber auch, dass Produkte wieder teurer werden können. „Resilienz ist nicht zum Nulltarif zu haben – dafür spart man aber in neuen Krisen.“

Es bleibt die Frage: Was soll die Bundesregierung tun? Eine Resilienzstrategie entwickeln, rät der IW-Experte Röhl. Und worin muss die bestehen? „Das kommt darauf an, welchen Risiken man gegenübersteht“, sagt Brunnermeier. „Aber es wäre ein großer Fehler, Probleme auf die lange Bank zu schieben, um Ruhe zu bewahren. Da wäre es ehrlicher und besser, sie anzugehen.“

Es wäre ein großer Fehler, Probleme auf die lange Bank zu schieben.

MARKUS BRUNNERMEIER

PRICETON UNIVERSITY

Es wäre ein großer Fehler, Probleme auf die lange Bank zu schieben.

MARKUS BRUNNERMEIER

PRICETON UNIVERSITY

Zunahme der Cyberangriffe auf deutsche Unternehmen in den Jahren 2020/2021

Grafik: 223 Milliarden Euro

Gesamtschaden durch Diebstahl, Spionage und Sabotage. In den Jahren 2018/2019 waren es noch 103 Mrd. Euro.

Zunahme der Cyberangriffe auf deutsche Unternehmen in den Jahren 2020/2021

Grafik: 223 Milliarden Euro

Gesamtschaden durch Diebstahl, Spionage und Sabotage. In den Jahren 2018/2019 waren es noch 103 Mrd. Euro.

Zunahme der Cyberangriffe auf deutsche Unternehmen in den Jahren 2020/2021

Grafik: 223 Milliarden Euro

Gesamtschaden durch Diebstahl, Spionage und Sabotage. In den Jahren 2018/2019 waren es noch 103 Mrd. Euro.

Grafik: Donutdiagramm 88 Prozent

der Unternehmen waren von Angriffen betroffen. In den Jahren 2018/2019 waren es erst 75 Prozent.

Einbruch des globalen BIPs bis 2060

Grafik Änderung des globalen BIP

Die zu erwartenden volkswirtschaftlichen Schäden durch den Klimawandel sind schwer zu schätzen. Die OECD hat bereits 2014 eine vorsichtige Prognose aufgestellt, wie das BIP weltweit bis 2060 einbrechen kann. Katastrophen wie in Ahrweiler mit geschätzten Kosten von 3,7 Mrd. Euro zeigen, was das regional bedeuten kann.

Grafik: Donutdiagramm 88 Prozent

der Unternehmen waren von Angriffen betroffen. In den Jahren 2018/2019 waren es erst 75 Prozent.

Grafik: Donutdiagramm 88 Prozent

der Unternehmen waren von Angriffen betroffen. In den Jahren 2018/2019 waren es erst 75 Prozent.

Einbruch des globalen BIPs bis 2060

Grafik Änderung des globalen BIP

Die zu erwartenden volkswirtschaftlichen Schäden durch den Klimawandel sind schwer zu schätzen. Die OECD hat bereits 2014 eine vorsichtige Prognose aufgestellt, wie das BIP weltweit bis 2060 einbrechen kann. Katastrophen wie in Ahrweiler mit geschätzten Kosten von 3,7 Mrd. Euro zeigen, was das regional bedeuten kann.

Einbruch des globalen BIPs bis 2060

Grafik Änderung des globalen BIP

Die zu erwartenden volkswirtschaftlichen Schäden durch den Klimawandel sind schwer zu schätzen. Die OECD hat bereits 2014 eine vorsichtige Prognose aufgestellt, wie das BIP weltweit bis 2060 einbrechen kann. Katastrophen wie in Ahrweiler mit geschätzten Kosten von 3,7 Mrd. Euro zeigen, was das regional bedeuten kann.

Maike Rademaker

Maike Rademaker ist freie Wirtschaftsjournalistin und Moderatorin. Zu ihren Schwerpunktthemen gehören Klimawandel, Arbeitsmarkt und Umweltthemen. Sie lebt in Berlin.

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