SOLIDE FINANZEN

Geben, auch wenn’s sinnlos ist

Mit knapp 50 Milliarden Euro hat der Bund 2022 Unternehmen aus Branchen geholfen, bei denen der Markt angeblich nicht funktioniert. Leider stimmt das oft nicht. Die Geschichte zeigt, dass vor allem Branchen mit guter Lobby vom Geldregen profitieren.

Text: Margaret Heckel
Illustrationen: Emmanuel Polanco

SOLIDE FINANZEN

Geben, auch wenn’s sinnlos ist

Mit knapp 50 Milliarden Euro hat der Bund 2022 Unternehmen aus Branchen geholfen, bei denen der Markt angeblich nicht funktioniert. Leider stimmt das oft nicht. Die Geschichte zeigt, dass vor allem Branchen mit guter Lobby vom Geldregen profitieren.

Text: Margaret Heckel
Illustrationen: Emmanuel Polanco


Wie schön für Sie, wenn Sie in Oldenburg wohnen. Dort steht mit dem „Lichtblick“ nämlich ein Kino bereit, das nicht nur von einem gemeinnützigen Integrationsunternehmen betrieben wird, sondern laut Eigenwerbung auch „in Sachen Bilderlebnis in Deutschland an vorderster Kino-Front dabei“ ist. Möglich wurde die im Dezember 2022 eingebaute neue Technik unter anderem durch das „Zukunftsprogramm Kino“. Ausgedacht hat sich das die frühere Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), um Lichtspielhäuser in kleinen Städten bis 50 000 Einwohnern oder mit besonders wertvollem kulturellem Programm zu fördern.

Mit 15 Millionen Euro im vergangenen Jahr ist das „Zukunftsprogramm Kino“ zweifellos eine der kleineren Subventionen im Bundeshaushalt. 47,2 Milliarden Euro hat der Bund 2022 ausgeschüttet, wie im 28. Subventionsbericht des Bundesministeriums der Finanzen nachzulesen ist. Das sei mit 1,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts das „höchste Niveau seit 2009“, heißt es weiter – und weitgehend den Folgen der Coronapandemie geschuldet.

Insgesamt 516 Seiten umfasst dieser aktuellste Subventionsbericht. Mit 91 Seiten kam der erste Bericht vom 21. Dezember 1967 aus. Wirtschaftsminister war damals Franz Josef Strauß (CSU). Umgerechnet 3,22 Milliarden Euro weist dieser erste Bericht an Subventionen aus, bei einem damaligen Bruttoinlandsprodukt von rund 252,76 Milliarden Euro mit 1,27 Prozent also eine fast identische Relation zu heute. Und auch die Begründung für die Notwendigkeit der Subventionen samt ihren Gefahren liest sich 1967 fast so wie heute: Ein „wichtiges Instrument des Staates zur Erreichung wirtschafts- und gesellschaftspolitischer Zielsetzungen“ seien die Hilfen. Notwendig sei aber auch eine „laufende Überprüfung“, um die „politische Willensbildung zu erleichtern“.

An beidem muss gezweifelt werden – vor allem in der Rückschau. In den frühen Jahren der Bundesrepublik beispiels-weise ging viel Subventionsgeld in die Bereiche Kohle und Agrar – schon damals erkennbar keine Zukunftsindustrien. Mit diesem Argument aber – der Unterstützung für Unternehmen und Branchen, bei denen die Marktmechanismen nicht funktionieren – wurde schon immer für Subventionen geworben. Tatsächlich zeigt die Geschichte weit öfter, dass die Hilfen vor allem an Wirtschaftsbereiche ausgereicht wurden, die eine starke Lobby mit gutem Zugang zu den jeweils Regierenden hatten. Was also können Subventionen wirklich leisten? Was kosten sie? Sind die Gewinne, die ein Land durch Arbeitsplätze, Steuern oder Strukturpolitik erzielt, größer als die Ausgaben, die entsprechende administrative Begleitung und die Folgeschäden?

In der Theorie werden meist vier zentrale Argumente für Subventionen vorgebracht: die Förderung wirtschaftlicher Entwicklung, die Korrektur von Marktversagen, strategische Ziele und die Regionalförderung. Dagegen stehen ebenfalls vier zentrale Nachteile: Subventionen verzerren die Märkte, schaffen Abhängigkeiten, fördern Ineffizienz und manchmal sogar Korruption. Vor allem aber lösen sie das aus, was Volkswirte Opportunitätskosten nennen – also den entgangenen Nutzen einer nicht gewählten Handlungsalternative. Denn jeder Euro, der für eine bestimmte Subvention ausgegeben wird, steht für andere Zwecke nicht mehr zur Verfügung.

100 000 Dächer für eine Kugel Eis

Förderung der Photovoltaik in Deutschland. Nach der Abwahl der konservativen Regierung von Union und FDP im Jahr 1998 wollten SPD und Grüne mit dem „100 000 Dächer-Programm“ ein deutliches Signal für die Förderung der Sonnenenergie setzen. Über das im März 2000 eingeführte „Erneuerbare-Energien-Gesetz“ oder kurz EEG wurde regenerative Energie fortan mit festen Vergütungssätzen gefördert. So viel „wie eine Kugel Eis“ im Monat sollte das die Verbraucher in Deutschland kosten, wie der grüne Bundesumweltminister Jürgen Trittin 2004 öffentlichkeitswirksam verkündete.

Daraus sind in den 22 Jahren, die das EEG in Kraft war, 220 Milliarden Euro an Subventionen geworden, wie die „FAZ“ berichtete. Für einen Durchschnittshaushalt mit einem Verbrauch von 4000 Kilowattstunden im Jahr lägen die Gesamtkosten bei 3583 Euro, hat das Vergleichsportal Veri-vox berechnet.

Zwar schob die Milliardenförderung eine schnelle Entwicklung der deutschen Solarindustrie an, doch die Blüte war nur von kurzer Dauer. Bereits in den 2010er-Jahren waren einstige Vorzeigeunternehmen wie Q-Cells oder Solarworld wieder pleite. Der garantierte Geldstrom aus dem EEG „ließ die Firmen träge werden“, konstatierte das „Handelsblatt“ 2012. „Sie verführte die einstigen Vorreiter zur Bequemlichkeit, sie nahm ihnen, wie ein schleichendes Gift, die Innovationskraft.“

China dominiert den Markt

Die Innovationskraft entwickelten dafür Konzerne aus Fernost, vor allem aus China. Denn international war das EEG sensationell erfolgreich. Mindestens 65 Länder übernahmen die Ideen des Gesetzes und förderten nun ihrerseits den Aufbau einer eigenen Solarindustrie. Der so ausgelöste Subventionswettlauf führte dazu, dass chinesische Hersteller heute die PV-Industrie weltweit dominieren. Aber er beschleunigte auch einen massiven Preisverfall bei den Solarmodulen. So wurde die Sonnenenergie weit schneller als ursprünglich erwartet gegenüber fossilen Energien konkurrenzfähig – vielleicht ein (wenn auch sehr teurer) Dienst, den Deutschland der Welt geleistet hat.

Aufgrund der komplexen Wirkungen sei es kaum noch möglich, die positiven und negativen Wirkungen des EEG abschließend zu bewerten, meint Marc Oliver Bettzüge, Direktor des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln. Ohne die Investitionsgarantien wäre der Ausbau der regenerativen Energien in Deutschland sicher nicht so schnell verlaufen, meint er. Auf der anderen Seite sei es zu Überrenditen für Investoren gekommen, Risiken seien sozialisiert und der Marktpreis sei verzerrt worden.

Stefan Kooths, Vizepräsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel, hält Subventionen grundsätzlich nur für sinnvoll, „wenn es um die Grundlagenforschung geht, ohne dass sich dafür unmittelbar industrielle Anwendungen ergeben“, wie er unlängst in „Merkur.de“ geschrieben hat. Dies sei insbesondere mit Blick auf die Transformation hin zu regenerativen Energien wichtig, weil sich neues Wissen so global skalieren lasse: „Dann besteht der Zweck der Subvention aber gerade nicht in einem Wissensvorsprung gegenüber der übrigen Welt, sondern darin, dieses neue Wissen möglichst schnell mit der übrigen Welt zu teilen, damit es global zum Einsatz kommen kann, um Emissionen zu senken.“

 In den frühen Jahren der BRD gingen viele Subventionen in die Bereiche Kohle und Agrar – schon damals erkennbar keine Zukunftsindustrien. 
Preisbremsen verschärfen das Problem, das sie beseitigen sollen.
Stefan Kooths

Tatsächlich hat die Subventionsdiskussion mit der nun anstehenden Dekarbonisierung der Welt ganz unmittelbar neuen Schub bekommen. Weltweit legen Regierungen dazu Förderprogramme auf, es droht ein neuer Subventionswettlauf. In den USA fließen die US-Dollar-Milliarden des „Inflation Reduction Act“ nur, wenn tatsächlich auch in den USA produziert wird – anders als beim EEG in Deutschland. Etliche Unternehmen haben daraufhin Großinvestitionen in den USA angekündigt und somit den Druck auf Europa erhöht, mit eigenen Subventionen gegenzusteuern.

Beliebte Preisdeckel

Im Februar hat die EU-Kommission dann auch den „Green Deal Industrial Plan for the Net-Zero-Age“ vorgestellt – für IfW-Vize Kooths nicht weniger als „eine Zeitenwende in der Industriepolitik (...) – weg von marktwirtschaftlichen Lösungen hin zu umfassender staatlicher Lenkung“. Besonders beliebt in der Politik sind momentan auch Preisdeckel aller Art. Kooths warnt davor ganz entschieden: „Preisbremsen verschärfen das Problem, das sie beseitigen sollen.“ Sein Kollege Oliver Holtemöller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Halle/Saale verweist auf 2022: Der deutliche Preissprung bei fossiler Energie habe laut Zahlen des Bundeswirtschaftsministeriums zu einem enormen technologischen Fortschritt im Energiebereich von fast sieben Prozent geführt. Das ist mehr als doppelt so viel wie der historische jährliche Wert von 2,7 Prozent im Jahr.

Im jüngsten Subventionsbericht sind diese Preisbremsen noch nicht erwähnt, da er im Sommer 2021 abgeschlossen wurde. Der nächste ist somit bald zu erwarten, wird er doch entsprechend den gesetzlichen Vorgaben alle zwei Jahre dem Bundestag und Bundesrat vorgelegt. Im Prinzip ist darin auch die „regelmäßige Evaluierung von Subventionen in Bezug auf Zielgenauigkeit und Effizienz sowie eine Nachhaltigkeitsprüfung“ als „Kernelement eines effektiven Subventionscontrolling“ angelegt.

Wirkliche Folgen hat das eher selten, wie eine der beliebtesten Subventionen im Bericht zeigt. Seit 2006 können Privathaushalte maximal 1200 Euro im Jahr für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerker-Arbeitsleistungen von der Steuer absetzen. Schon drei Jahre später wurde nach einer wissenschaftlichen Evaluation die Streichung empfohlen. 2011 hat der Bundesrechnungshof bestätigt, dass es zu „unvertretbar hohen Mitnahmeeffekten“ gekommen sei. Ein weiteres Gutachten kam zu dem Schluss, dass auch die Schwarzarbeit „nur in sehr begrenztem Umfang“ reduziert werde – bei der Einführung ein zentrales Argument für die Subvention, die mit einem Volumen von knapp über zwei Milliarden Euro im Jahr 2022 zu den 20 größten Steuervergünstigungen gehörte.

Drei negative Evaluierungen – und doch gibt es keinerlei Diskussionen um diese Subvention. Der Grund dafür ist für jeden Polit-Praktiker offensichtlich: Subventionen zu streichen ist weit schwieriger, als Subventionen zu gewähren. Noch nicht mal die inzwischen oft geforderte zeitliche Befristung oder Degression ist bei den Handwerkerhilfen vorgesehen. Immerhin sind die Kino-Subventionen bis zum Ende dieses Jahres befristet. Im „Subventionsbericht 2019–2022“ heißt es auf Seite 259 zum „Zukunftsprogramm Kino“ dann allerdings: „Das Programm ist erfolgreich angelaufen und trägt erheblich zum Fortbestand und zur Zukunftssicherung und damit zur Sicherung der kulturellen Vielfalt der Kino-Infrastruktur bei.“

Das „Lichtblick“-Filmtheater in Oldenburg hat sich für die Premiere der vom Bund mitsubventionierten neuen Projektionsanlage übrigens den Film „Avatar 2 – The Way of Water“ eingekauft. Der Blockbuster rangiert inzwischen auf Platz drei der weltweiten Bestenliste der höchsten Einspielergebnisse und hat deutlich über zwei Milliarden US-Dollar eingespielt.

Margaret Heckel ist Moderatorin, Journalistin und Autorin. Sie beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit dem demografischen Wandel und der sich wandelnden Arbeitswelt. Mit ihren Vorträgen und Workshops ist sie deutschlandweit unterwegs.

Margaret Heckel ist Moderatorin, Journalistin und Autorin. Sie beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit dem demografischen Wandel und der sich wandelnden Arbeitswelt. Mit ihren Vorträgen und Workshops ist sie deutschlandweit unterwegs.

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