Innovation

Alles ans Netz!

Deutschland hat ein Energieproblem:
Die notwendigen Mengen fehlen, Unternehmen drohen abzuwandern, und wir machen uns bei Schlüsseltechnologien abhängig von China. Da helfen nur Technologieoffenheit und mehr Innovationsfreude.

Text: Maximilian Luz Reinhardt

Deutschland droht die Abhängigkeit von Ländern wie China – sogar bei Wärmepumpen.

Deutschland droht die Abhängigkeit von Ländern wie China – sogar bei Wärmepumpen.

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Alles ans Netz!

Deutschland hat ein Energieproblem:
Die notwendigen Mengen fehlen, Unternehmen drohen abzuwandern, und wir machen uns bei Schlüsseltechnologien abhängig von China. Da helfen nur Technologieoffenheit und mehr Innovationsfreude.

Text: Maximilian Luz Reinhardt


Deutschland ist wieder einmal der kranke Mann Europas – und die falschen energiepolitischen Weichenstellungen der vergangenen 15 Jahre spielen eine wesentliche Rolle beim drohenden Niedergang des Industriestandorts. Viele Unternehmen reagieren, nicht ganz unverständlich, nervös und orientieren sich um, statt in ihre bestehenden Standorte in Deutschland zu investieren oder gar neue aufzubauen. Besonders beliebt sind China und die USA, aber auch weniger auffällige Kandidaten wie die Golfstaaten buhlen um Neuansiedlungen deutscher Unternehmen. Eines haben sie alle gemeinsam: Sie locken mit weniger Bürokratie, besseren Finanzierungsbedingungen und vor allem mit günstiger Energie. Daran ändert auch die neue Kraftwerksstrategie nichts Grundlegendes. Die nun auszuschreibenden Kapazitäten werden zwar die Grundlastfähigkeit verbessern, sind aber um ganze Faktoren zu gering, um das drängende Problem der Stromversorgung zu lösen. Kurz: Unsere Stromversorgung droht zur geostrategischen Achillesferse zu werden, denn die Konkurrenz schläft nicht. Und während die deutsche Wirtschaft schwächelt, holen andere Länder auf. Deren Wirtschaftswachstum hat wiederum einen Nebeneffekt: Macht. Je schwächer sich Deutschland entwickelt, desto größer ist die Gefahr, dass deutsche Interessen keine Berücksichtigung finden. Keine gute Ausgangslage in einer Welt geopolitischer Umbrüche.

Große Risiken

Vor diesem Hintergrund ist insbesondere unsere einseitig auf Wind- und PV-Anlagen basierende Energieversorgungsstrategie geostrategisch riskant. Denn die Marktmacht einzelner chinesischer Akteure ist in beiden Bereichen erdrückend. Ob Rohstoffgewinnung und -verarbeitung, Komponentenfertigung oder Endmontage: Chinesische Unternehmen dominieren die Produktionskapazitäten entlang der gesamten Wertschöpfungskette und erreichen in einzelnen Arbeitsschritten Marktanteile von über 90 Prozent. Finanziert wird dies durch eine schuldengetriebene, expansive Industriepolitik. Ermöglicht wird es auch durch die rücksichtslose Ausbeutung der uigurischen Minderheit in Arbeitslagern. Und schließlich befeuert die chinesische Regierung den Trend durch eine subventionierte Energiepolitik, die vor allem auf Kohleverstromung setzt. So konnten chinesische Unternehmen in den vergangenen Jahren eine Dominanz bei erneuerbaren Energien aufbauen, die perspektivisch nur schwer zu brechen sein wird. Dies ist auch eines der Ergebnisse eines Gutachtens zu den geopolitischen Risiken der chinesischen PV-Industrie im Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. So weit, so erdrückend.

Schon jetzt sind chinesische Bemühungen erkennbar, eine ähnliche Marktmacht auch bei anderen Komponenten zu erreichen, die für ein System erneuerbarer Energien notwendig sind. An erster Stelle sind Batteriezellen, Übertragungsleitungen und Smart-Grid-Lösungen zu nennen. Dabei hat doch die chinesische Regierung in der Vergangenheit bereits mehrfach bewiesen, dass sie willens und in der Lage ist, ihr wirtschaftliches Gewicht auch machtpolitisch einzusetzen. Faktisch ist daher nicht auszuschließen, dass China beispielsweise auf diplomatische Anfragen zum Schicksal der Uiguren mit Exportverboten für batteriegestützte Großspeicherlösungen reagieren würde – oder gar im Falle einer Eskalation in der Taiwanstraße über versteckte Steuerungsmöglichkeiten in der Smart-Grid-Infra­struktur das deutsche Energienetz zum Kollabieren bringen könnte. Denn so viel ist sicher: Aus der Dunkelheit heraus klänge eine deutsche Antwort auf eine Aggression gegen Taipeh vermutlich deutlich weniger resolut.

Künstliche Verknappung

Müssen wir also zwischen geostrategischer Resilienz und klimapolitischem Engagement abwägen? Nein, aber weder die Energie- noch die Klimapolitik darf sich geopolitischen Risiken verschließen. Das heißt zum einen, dass eine Diversifizierung der Bezugsquellen für strategisch wichtige Komponenten zwingend erforderlich ist – hier sollten uns die Erfahrungen mit der Abhängigkeit von russischem Gas eine Lehre sein. Zum anderen dürfen die eigenen Stromerzeugungspotenziale nicht künstlich verknappt werden. Im Falle Deutschlands beginnt dies mit dem unseligen Festhalten am Atomausstieg trotz akuter Energieknappheit und endet noch lange nicht mit dem Verbot der Fracking-Technologie. Die Losung muss stattdessen lauten: Alles, was uns Energie liefert, weniger Kohlenstoff emittiert als die Kohleverstromung und uns nicht in zweifelhafte Abhängigkeiten von Drittstaaten bringt, muss ans Netz.

Ideen und Technologien sind ebenso wenig an deutsche Grenzen gebunden wie die hiesige Industrie.
Maximilian Luz Reinhardt

Im Rahmen einer solchen Angebotspolitik dürfen Energie- und Zeitenwende nicht gegeneinander ausgespielt werden – müssen sie auch nicht! Stattdessen ist hier echte Technologieoffenheit gefragt: So wie die Wind- und PV-Industrie in den 2000er-Jahren durch eine Mischung aus entwicklungsfreundlichem Finanzierungsumfeld, innovationsbegeisterten Ingenieuren und förderlicher Regulierung die Skalierung geschafft hat, könnten die 2030er-Jahre dieses Jahrhunderts große Fortschritte bei den Fusions- und Spaltungstechnologien bringen. Allein, die Befürworter des notwendigen Paradigmenwechsels haben es angesichts des mangelnden Verständnisses für die tiefgreifenden geostrategischen Herausforderungen unserer Zeit, das ihnen von ihren Gegnern entgegengebracht wird, schwer, sich durchzusetzen.

Doch Ideen und Technologien sind ebenso wenig an deutsche Grenzen gebunden wie die hiesige Industrie. Das zeigt das Beispiel des Kernkraft-Start-ups Dual Fluid. Entwickelt und gegründet von deutschen Ingenieuren und Physikern, hat sich das Unternehmen wegen der hiesigen Vorschriften und unsicheren Rechtslage für einen Firmensitz in Kanada entschieden. Der erste Testreaktor wird nun in Ruanda gebaut. Eine vertane Chance, der weitere folgen werden, wenn sich das politische Kalkül in Deutschland nicht grundlegend ändert – denn die Gedanken sind frei.

Maximilian Luz Reinhardt ist Ökonom und am Liberalen Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit Referent für Wirtschaft und Nachhaltigkeit.

Maximilian Luz Reinhardt ist Ökonom und am Liberalen Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit Referent für Wirtschaft und Nachhaltigkeit.

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