Künstliche Intelligenz

Droht eine
autoritäre Intelligenz
made in China?

Für den Einsatz von künstlicher Intelligenz braucht es internationale Guidelines, Regulierungen und Gesetze. Peking ist schon jetzt dabei, das Feld autoritär aufzurollen.

Text: Zoë van Doren


Künstliche Intelligenz

Droht eine autoritäre Intelligenz made in China?

Für den Einsatz von künstlicher Intelligenz braucht es internationale Guidelines, Regulierungen und Gesetze. Peking ist schon jetzt dabei, das Feld autoritär aufzurollen.

Text: Zoë van Doren


Mit „generativen“ KI-Program-men wie ChatGPT und -DALL-E sind die Sorgen um die Gefahren von künstlicher Intelligenz im gesellschaftlichen Diskurs angekommen: Die Technik kann leicht missbraucht werden.

Dabei geht es um Phänomene wie „halluzinierte Ergebnisse“, wenn der KI die Daten für eine korrekte Antwort auf eine Frage fehlen. Auch können Chatbots so trainiert werden, dass sie vertrauenswürdig erscheinen, obwohl sie Menschen bewusst täuschen. Und Unternehmen nutzen KI in bisher unbekanntem Umfang: Das US-Unternehmen Clearview AI zum Beispiel erklärt, Personen mit einem Snapshot mit einer Genauigkeit von 99 Prozent identifizieren und alle Informationen – von Social-Media-Profilen bis zur Adresse – mit einem Klick herausgeben zu können. Das würde unsere Gesellschaft fundamental verändern.

Heute sind sich Länder und Unternehmen einig, dass es gewisser Standards bedarf. Doch umstritten bleibt, was und wie genau reguliert werden soll, auch der Umfang von technischen Standards wird international noch ausgehandelt – entlang der Bruchstellen des globalen Systemwettbewerbs.

So bauen die USA vor allem auf freiwillige Selbsterklärungen der Tech-Giganten, haben allerdings die KI-Anbieter zu Tests verpflichtet, wenn die Programme die nationale Sicherheit sowie die öffentliche Gesundheit und Sicherheit beeinträchtigen könnten.

China dagegen hat weit ehrgeizigere Ziele: Das Land will bis 2030 global die Führung bei KI einnehmen und ethische Rahmenbedingungen nach „chinesischen Merkmalen“ etablieren.

Doch KI-Standards eines autoritären Regimes wären fatal, weil die Kommunistische Partei (KP) nicht den Erhalt von Menschen- und Individualrechten in den Fokus stellt, sondern die nationale Sicherheit.

Digitaler Autoritarismus

Das zeigt sich schon im chinesischen „Safe-City-System“, das bereits in 75 Länder exportiert wurde. Safe-City beinhaltet eine Reihe von Überwachungstechniken, darunter auch KI-basierte Programme zur Gesichtserkennung. Diese Repressionsmodelle haben gerade nichtdemokratische Staaten dankend angenommen. So ist das Verfahren zu einem Paradebeispiel dafür geworden, wie chinesische Standards global verbreitet werden. China investiert viel Geld in Forschung und Nutzung von KI zur Überwachung und Repression der eigenen Bevölkerung. Verlassen kann sich Peking auf die Unternehmen Huawei und ZTE als wichtige Akteure in der globalen digitalen Strategie.

Im Systemwettkampf steht KI international auch bei der UN auf der Tagesordnung, sogar im UN-Sicherheitsrat. Seit Herbst vergangenen Jahres gibt es nun ein AI Advisory Board, das die UN beraten soll. Die 39 Vertreterinnen und Vertreter aus vielen Ländern und Branchen arbeiten derzeit an einem KI-Governance-Report, der Teil des Global Digital Compacts der UN werden soll.

Kritiker befürchten jedoch, dass globale Standards durch internationale Organisationen nicht die Einhaltung fundamentaler Grundrechte garantieren, sondern vor allem China die Chance bieten, digitalen Autoritarismus in internationalen Standards einzubetten. Schließlich setzt sich China international für eigene autoritäre KI-Standards ein. Als im Februar 2024 Chinas stellvertretender Bildungsminister Wang Jiayi bei einem UNESCO-Forum für eine Vorreiterrolle seines Landes bei der internationalen Standardisierung warb, lobte ein Vertreter Brasiliens dieses Engagement. Nicht nur der Westen solle die Regulierung beeinflussen, das Rahmenwerk müsse „unterschiedliche kulturelle Aspekte“ berücksichtigen. Das ist eines der zentralen Narrative Chinas im internationalen Recht: „gemeinsame“ statt universeller Werte, staatliche Souveränität statt allgemeiner Menschenrechte.

Regulierung ist zeitaufwendig

In der Praxis ist die KI-Regulierung noch stark fragmentiert. Doch eine Gesetzgebung zur Standardisierung der KI-Industrie und ihre Implementierung werden dauern. Wie langwierig und kompliziert der Prozess ist, zeigt sich in der EU. Mit ihrem „AI Act“ wurde sie weltweit Vorreiterin mit einer ersten umfangreichen Regulierung von KI-Systemen. Kritiker monieren zwar schwammige Formulierungen und Ausnahmen für Sicherheitsbehörden. Svenja Hahn, EU-Abgeordnete der liberalen Renew-Fraktion, fürchtet zudem hohe bürokratische Hürden für die KI-Entwicklung in Europa – was fatal im globalen Technologiewettbewerb wäre. Dennoch hat die EU mit dem AI Act bei der internationalen Standardsetzung einen First-Mover-Vorteil und darf darauf hoffen, dass liberale Standards auch andernorts übernommen werden.

Doch auch mit Regulierung bleiben einige KI-Anwendungen eine gesellschaftliche Herausforderung. Wie sehr, wird das aktuelle Superwahljahr verdeutlichen: China und Russland nutzen bereits jetzt KI-generierte Inhalte, um Desinformation zu verbreiten. Diese können im Wahlkampf messbare Auswirkungen haben. In Indonesien zum Beispiel ist der ehemalige General Prabowo Subianto auch mithilfe von KI zum Präsidenten gewählt worden: Besonders beliebt bei jungen Wählerinnen und Wählern war eine KI-generierte Karikatur, die Subianto als „gemoy“ darstellte – ein indonesischer Ausdruck für süß und knuddelig.

Zoë van Doren betreut bei der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit die Themen Globale Digitalisierung und Innovation.

Zoë van Doren betreut bei der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit die Themen Globale Digitalisierung und Innovation.

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