Fundstücke

Putins Krieg
gegen die Frauen

Russland setzt in der Ukraine sexuelle Gewalt als Waffe ein. Frauenfeindlichkeit, warnt Sofi Oksanen, ist nicht nur ein Instrument der Machtsicherung im eigenen Land, sondern auch ein schrecklich wirkungsvolles Werkzeug des russischen Imperialismus.

Text: Anna Kravtšenko

Sofi Oksanen:
Putins Krieg gegen die Frauen

Kiepenheuer & Witsch (2024),
336 Seiten, 24,00 €


Im Kontext

Putins Krieg gegen die Frauen

Russland setzt in der Ukraine sexuelle Gewalt als Waffe ein. Frauenfeindlichkeit, warnt Sofi Oksanen, ist nicht nur ein Instrument der Machtsicherung im eigenen Land, sondern auch ein schrecklich wirkungsvolles Werkzeug des russischen Imperialismus.

Text: Anna Kravtšenko

Sofi Oksanen:
Putins Krieg gegen die Frauen

Kiepenheuer & Witsch (2024),
336 Seiten, 24,00 €


Gleich zu Beginn ihres neuen Essays „Putins Krieg gegen die Frauen“ schreibt die finnisch-estnische Schriftstellerin Sofi Oksanen: „Ohne die Kenntnis der früheren Kriegsverbrechen können wir nicht die Zeichen deuten, die dorthin führen.“ Sie argumentiert, dass Russlands Kriegsverbrechen in der Ukraine nicht im Vakuum entstanden, sondern die Wiederholung dessen sind, was Russland und die Sowjetunion im Laufe ihrer Geschichte bereits mehrmals in anderen Ländern erprobt hatten, darunter auch in Estland, wo Oksanens Mutter herkommt. Oksanens Großtante wurde zu Beginn der sowjetischen Okkupation im Jahr 1940 von den russischen Besatzern eine Nacht lang verhört und mutmaßlich vergewaltigt, sodass sie für immer verstummte, nie heiratete und sich mit niemandem traf – ihr Leben lang. Solche Geschichten wiederholen sich nun in der Ukraine. In dem Essay werden zahlreiche Geschichten von Opfern sexueller Gewalt durch die russische Armee erzählt – sowohl von Frauen als auch von Männern. Die Autorin ruft dazu auf, den Opfern zuzuhören, das Thema sexueller Gewalt zu entstigmatisieren und somit zur Verhinderung, aber auch Aufklärung der Verbrechen beizutragen. Denn die Straflosigkeit für diese Taten ermöglicht deren künftigen Einsatz als Kriegswaffe.

„Die sexuelle Gewalt zu Kriegszeiten“, fordert Oksanen, „muss als ein Verbrechen anerkannt werden, das auch außerhalb der Gerichte wichtig ist. Das setzt einen Wandel des politischen Klimas voraus. Dies wiederum ist nicht möglich, ohne dass die Bürgerinnen und Bürger eines demokratischen Landes die Taten scharf verurteilen. Und das wird nicht geschehen, solange über diese Verbrechen nicht direkt und präzise gesprochen wird.“

Die ganze Welt schaut zu: Keiner hat Russland für bisherige Verbrechen zur Rechenschaft gezogen.

Russland habe „eine lange, Kriegsverbrechen ermöglichende, Geschichte“, schreibt Oksanen und bietet dem Leser einen Crashkurs in russischem Kolonialismus – angefangen vom Krimkrieg im 19. Jahrhundert über die Sowjetzeit bis in die Gegenwart. Dabei ist ihre These: Russland setzt gezielt dieselben Methoden als Instrumente des Genozids ein, darunter sexuelle Gewalt gegen Frauen. Und die ganze Welt schaut zu: Keiner hat Russland für bisherige Verbrechen zur Rechenschaft gezogen, auch wenn sich in den 1990er-Jahren eine Chance dazu bot. Dies hatte zur Folge, dass die Kriegsverbrechen in Russland selbst nie aufgearbeitet wurden. So wurde der Weg für die Gewalt in der Ukraine durch russische Soldaten geebnet. Wie kann man von russischen Soldaten respektvollen Umgang gegenüber ukrainischen Frauen erwarten, wenn Misogynie und Unterdrückung von Frauen zur Agenda von Putins Regime auch im Inland gehören, wenn häusliche Gewalt quasi legalisiert ist und es die einzige Aufgabe der russischen Frauen ist, Kanonenfutter für Eroberungszüge zu gebären?

Laut Oksanen kämpft die Ukraine nicht nur für unsere Demokratie, sondern auch für die Zukunft der Frauen und Minderheiten – damit sie ihre Stimmen nicht verlieren, wie ihre Großtante. „Putins Krieg gegen die Frauen“ regt auf traurige Weise zum Nachdenken an und hilft, die aktuellen Geschehnisse in der Ukraine einzuordnen.

Anna Kravtšenko

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