Föderalismus

Deutschland vor der Systemfrage

Florian Rentsch ist Vorstandsmitglied der Friedrich-Naumann-Stiftung
für die Freiheit

Föderalismus

Deutschland vor
der Systemfrage

Florian Rentsch ist Vorstandsmitglied der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Der deutsche Staat hat in dem Dreivierteljahrhundert seit seiner Gründung viel von seiner Leistungsfähigkeit eingebüßt, Speck angesetzt, über seine Verhältnisse gelebt. Da stellt sich die Frage: Ist das der Staat, den seine Bürgerinnen und Bürger heute brauchen? Wenig digital, wenig serviceorientiert, vielschichtig und teuer?

Die Bundesrepublik wurde 1949 als föderaler Staat gegründet, um zentralistische, diktatorische Herrschaftsstrukturen wie im Dritten Reich unmöglich zu machen. Diese föderale Struktur hat sich als wertvolles Instrument der Demokratie erwiesen, das politischen Pluralismus und regionale Identität schützt. Auch in wirtschaftspolitischer Hinsicht hat sich dieses System zweifellos bewährt. Deutschland war lange Zeit wirtschaftlich sehr erfolgreich. „Made in Germany“ hatte Weltruf. Die dezentrale Bildungsstruktur kommt der mittelständisch geprägten Wirtschaft sehr entgegen. Abschlüsse wie der „Deutsche Ingenieur“ wurden weltweit geachtet.

Doch dieses schwerfällige und komplexe System hat sich überlebt. Das zeigen nicht nur internationale Vergleiche, in denen Deutschland immer schlechter abschneidet. Auch die Deutschen selbst sind zunehmend unzufrieden mit dem bestehenden Staatsaufbau und den bürokratischen Abläufen. Und es müssen auch diejenigen gefunden werden, die in Zukunft die staatlichen Strukturen in den Kommunen und Behörden tragen. Knapp fünf Millionen Menschen arbeiten in Deutschland für den Staat, in Verwaltung, Bildung, Sicherheit oder Gesundheit. Doch als Arbeitgeber steht der Staat künftig in einem intensiven Wettbewerb mit anderen, oft attraktiveren Branchen. 

Deshalb ist es überfällig, die deutsche Struktur von Bund, Ländern und Gemeinden zu hinterfragen. Es geht nicht darum, sie abzuschaffen, sondern sie mutig zu erneuern. Vorbilder gibt es: Estland ist bekannt für seine weitgehende Digitalisierung. Fast alle Behördengänge können online erledigt werden. Singapur gilt als einer der am besten verwalteten Stadtstaaten mit wirtschaftsfreundlicher Politik und guter Organisation. Oder Neuseeland: Die Regierung setzt auf eine „Open Government“-Strategie, die den Staat schlank und effizient hält.

Auch in Deutschland hat es immer wieder Versuche gegeben, eine Erneuerungsdiskussion anzustoßen. Zum Beispiel durch den Konvent für Deutschland vor einigen Jahren: Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, effizientes Regieren und Verwaltungsreform, Bildungs- und Innovationspolitik, Haushaltsdisziplin und Steuerreform, flexibler Sozialstaat sowie Förderung von Bürgerbeteiligung und Demokratie. Einige dieser Punkte fanden sich in Gerhard Schröders Agenda 2010 wieder. Die meisten wurden nicht umgesetzt.

Heute ist es wieder an der Zeit, solche Ideen zu diskutieren, gegebenenfalls in einem neuen Konvent für Deutschland. Nur so können wir den Staat effizienter, bezahlbarer und bürgernäher machen. Nur so wird unser Land zu alter Stärke zurückfinden. Stellen wir uns der Systemfrage. 

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist stellvertretende Vorsitzende des Vorstands der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist stellvertretende Vorsitzende des Vorstands der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

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