Rezension
Die Terroranschläge vom 7. Oktober 2023 haben in Deutschland noch mehr Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus ausgelöst. Wie lebt es sich damit? Darüber sprechen der Psychologe Ahmad Mansour und Josef Schuster, der Vorsitzende des Zentralrates der Juden.
Text: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Ahmad Mansour, Josef Schuster, Shelly Kupferberg: „Spannungsfelder. Leben in Deutschland“
Herder (2024), 176 Seiten, 20 Euro
Rezension
Die Terroranschläge vom 7. Oktober 2023 haben in Deutschland noch mehr Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus ausgelöst. Wie lebt es sich damit? Darüber sprechen der Psychologe Ahmad Mansour und Josef Schuster, der Vorsitzende des Zentralrates der Juden.
Text: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Ahmad Mansour, Josef Schuster, Shelly Kupferberg: „Spannungsfelder. Leben in Deutschland“
Herder (2024), 176 Seiten, 20 Euro
Die lebt es sich in Deutschland – als Muslim, als Jude, als zivilgesellschaftlicher Akteur, der mit klarer Haltung in der Öffentlichkeit steht? Wie verändert der Rechtsextremismus den politischen Diskurs und die offene Gesellschaft? Welche Strategien haben wir gegen Hass und Gewalt im digitalen Raum? Und kann es einen unabhängigen Islam in Deutschland geben?
Diese gesellschaftlich wie politisch hochaktuellen Fragen diskutieren Ahmad Mansour und Josef Schuster unter der Moderation von Shelly Kupferberg in einem Gesprächsband. Vier Gespräche, zwei vor und zwei nach dem 7. Oktober 2023 geführt – dem Tag, an dem die Terrororganisation Hamas mehr als 1100 Juden brutal ermordete. Die drei sehr verschiedenen und sehr profilierten Persönlichkeiten bauen Brücken, benennen Defizite und geben bei gesellschaftlich heiklen Themen Orientierung. Stets klar und direkt in Sprache und Analyse.
Im Zentrum des Dialogs steht der Antisemitismus in Deutschland mit seinen verschiedenen Ausprägungen und Wirkungsweisen. Shelly Kupferberg bringt es auf den Punkt: „Antisemitismus (ist) eine Art Lackmustest für die Verfasstheit dieses Landes, der Umgang mit Minderheiten sowieso, aber vor allem auch mit Jüdinnen und Juden und dem antimuslimischen Rassismus.“ Die Gesprächspartner machen deutlich, dass politische Rituale und Floskeln ungeeignet sind, dem ansteigenden Antisemitismus wirkungsvoll zu begegnen.
Der beschämende Befund: In Deutschland gibt es derzeit keinen gesellschaftlichen Raum, in dem Jüdinnen und Juden frei von Ressentiments leben können. Das betrifft auch die fünf bis sechs Millionen Muslime, denen häufig pauschal Terrorismus und islamistischer Antisemitismus vorgeworfen werden.
Antisemitismus ist eine Art Lackmustest für die Verfasstheit dieses Landes.
Ahmad Mansour schildert eindrucksvoll, wie er sich seine Wahlheimat Deutschland über einen schwierigen Weg erschlossen hat. Wie er heute insbesondere in der muslimischen Community intensiv gegen Antisemitismus, Polarisierung und Gewalt arbeitet. Seine Forderung: mehr unmissverständliche Klarheit im Dialog darüber, was in unserem Land geht. Alle Bildungseinrichtungen müssten Antisemitismus stärker zum Thema machen. Dazu gehört auch, dass der Nahostkonflikt einen Platz in den Lehrplänen erhält, verbunden mit der Befähigung der Lehrkräfte, dieses Wissen besser zu vermitteln.
Josef Schuster thematisiert die unerträglichen antisemitischen Exzesse, die sich aktuell an deutschen Universitäten abspielen. Den Universitäten kommt dabei eine besondere Verantwortung gegen Radikalisierung zu. Weder im Namen der Wissenschafts- noch der Meinungsfreiheit dürfen antisemitische Narrative gesellschaftsfähig werden. Universitäten müssen wieder zu einem sicheren Ort werden – auch und insbesondere für jüdische Studierende.
Der Band eignet sich gleichsam als Handbuch mit Appell: Die Gespräche machen Mut und geben praktische Hinweise, direkt für eine Verbesserung des Zusammenlebens in unserem Land aktiv zu werden.
Theresa Caroline Winter
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