Damir Lukačević, Regisseur des Kinofilms „Ein nasser Hund“, und Hauptdarsteller Doguhan Kabadayi über Außenseitertum, den Platz im Leben und die Perfektion von Laienschauspielern.
INTERVIEW: KIRA BRÜCK
Lukačević: Ich habe eine persönliche Beziehung zu Biografien wie dieser. Zwar bin ich weder Jude noch Moslem. Aber als ich die Geschichte von Arye Sharuz Shalicar las, erinnerte ich mich an mein Land, Kroatien. Serben, Bosnier, Kroaten, Moslems: Es kam bei uns zu diesem fürchterlichen Krieg, obwohl wir uns doch alle ähnlich waren. Aber da war eben der Unterschied der Religionen. In Aryes Geschichte war es auch so, dass die Jungs sich alle ähnlich sind, aber die Religion funkt dazwischen. Was das mit den Menschen macht, das wollte ich erzählen.
Regisseur Damir Lukačević (hinten) über Hauptdarsteller Doguhan Kabadayi (links) und die Laienschauspieler: „Sie sind absolute Profis.“
Lukačević: Die jungen Darsteller kommen aus Stadtteilen wie Neukölln und Kreuzberg. Sie sind die absoluten Profis, was ihre Rollen angeht. Viel mehr als ich, weil ich nie in einem Stadtteil wie dem Wedding aufgewachsen bin. Ich konnte also gar nicht mitreden, kannte die Sprache und die Umgangsweisen nicht in dieser Perfektion. Damit die Szenen so authentisch wie möglich sind, brauchten wir ihre Expertise. Wir haben über Monate Workshops veranstaltet, in der jeder jede Rolle spielte, damit es einen Perspektivwechsel gab – jeder sollte mal der Außenseiter sein. Ich wollte bewusst nicht, dass alle das Drehbuch lesen und es ein gewöhnliches Casting gibt. Wir haben lediglich die Geschichte erzählt und dann improvisiert. Dadurch konnten sich die Darsteller die Rollen selbst erarbeiten, und es entstand ein großes Vertrauen untereinander.
Kabadayi: In der Zeit der Workshops vor Drehbeginn war ich der einzige Junge aus Berlin-Spandau, während die anderen aus Neukölln, Kreuzberg oder dem Wedding stammen. Ich kam da an und sah, wie sie alle so offen zueinander waren und einander bei der Begrüßung auf die Wange küssten. Das war mir fremd, da fühlte ich mich tatsächlich wie ein Außenseiter. Ich dachte: Ich muss mich integrieren, sonst schaffe ich es nicht in die nächste Runde. So ging es ja auch Soheil. Deshalb kann ich mich mit meiner Rolle so gut identifizieren.
Die Eltern von Doguhan Kabadayi (links) stammen aus der Türkei, geboren ist er in Berlin- Spandau. Zu ihren Rollen kamen alle Schauspieler über ein öffentliches Casting.
Lukačević: Als ich mich mit dem Plot beschäftigte, gab es gerade vier Fälle von jüdischen Jugendlichen in Berlin-Wedding, die so gemobbt wurden, dass sie ihre Schule verlassen mussten. Einer zog nach Israel, die anderen wechselten auf ein jüdisches Gymnasium. Und in einem Zeitungsartikel las ich neulich, dass eines der häufigsten Schimpfwörter auf deutschen Schulhöfen lautet: „Du Jude!“. Antisemitismus ist leider brandaktuell.
Kabadayi: Auf der einen Seite war es für mich surreal und auch sehr intensiv, in solchen Szenen mitzuspielen. Ich habe mich gefragt: Wie kann das alles tatsächlich so passiert sein? Allein sich das vorzustellen, ist schon krass genug. Auf der anderen Seite habe ich als Mensch bei den Dreharbeiten aber auch das komplette Gegenteil von Hass und Ausgrenzung erfahren. Nachdem wir die Schlüsselszene gedreht hatten, in der sich Soheil als Jude outet, habe ich geweint. Die Jungs haben das sofort gesehen: Ich wurde getröstet, umarmt und geküsst.
Lukačević: Als ich das Drehbuch geschrieben hatte, kam Arye Sharuz Shalicar aus Jerusalem, wo er heute lebt, nach Berlin, um mir die Orte seiner Jugend zu zeigen. Da war für mich klar, dass es die erste Option sein muss, im Wedding zu drehen. Mit meinem Kameramann war ich auch in anderen Kiezen in Berlin unterwegs – wir sind aber zu dem Schluss gekommen, dass es der Wedding sein muss. Dieser Stadtteil war zum einen noch nicht oft im Kino zu sehen. Zum anderen hat er schöne Metaphern wie zum Beispiel Graffitis. Sie sind ein Synonym für Höhlenmalerei und die Suche nach sich selbst. Hier gibt es zudem viele Gleise, Zäune und Brücken, die wir zeigen konnten. Das sind alles schöne Bilder für diese Geschichte.
Kabadayi: Ich weiß, wie sich das anfühlt, deshalb konnte ich es auch gut spielen. Wenn alle Menschen etwas gemeinsam haben, dann ist es die Erfahrung, dass es im Leben irgendwann einen Punkt gibt, an dem man seinen Platz finden muss. An dem es darum geht, zu sich selbst zu stehen und zu verstehen, wer man ist. Auch ich bin noch auf der Suche nach dem Menschen, der ich sein will. Wir alle fragen uns: Was ist richtig, was ist falsch, wo stehe ich? Das ist nie ein einfacher Prozess. Schmerz, Zweifel und Enttäuschung sind Teil dieser Erfahrung.
Lukačević: Toleranz, Respekt, Mitmenschlichkeit bedeuten, den Schmerz auch der anderen Seite zu sehen. Das ist das, was wir mit unserem Film erreichen wollen. Wir müssen als Künstler Vorbilder sein und Vorreiter, dass man Verständnis für die jeweils andere Seite entwickeln kann.
Damir Lukačević, Regisseur des Kinofilms „Ein nasser Hund“, und Hauptdarsteller Doguhan Kabadayi über Außenseitertum, den Platz im Leben und die Perfektion von Laienschauspielern.
INTERVIEW: KIRA BRÜCK
Regisseur Damir Lukačević (hinten) über Hauptdarsteller Doguhan Kabadayi (links) und die Laienschauspieler: „Sie sind absolute Profis.“
Lukačević: Ich habe eine persönliche Beziehung zu Biografien wie dieser. Zwar bin ich weder Jude noch Moslem. Aber als ich die Geschichte von Arye Sharuz Shalicar las, erinnerte ich mich an mein Land, Kroatien. Serben, Bosnier, Kroaten, Moslems: Es kam bei uns zu diesem fürchterlichen Krieg, obwohl wir uns doch alle ähnlich waren. Aber da war eben der Unterschied der Religionen. In Aryes Geschichte war es auch so, dass die Jungs sich alle ähnlich sind, aber die Religion funkt dazwischen. Was das mit den Menschen macht, das wollte ich erzählen.
Lukačević: Die jungen Darsteller kommen aus Stadtteilen wie Neukölln und Kreuzberg. Sie sind die absoluten Profis, was ihre Rollen angeht. Viel mehr als ich, weil ich nie in einem Stadtteil wie dem Wedding aufgewachsen bin. Ich konnte also gar nicht mitreden, kannte die Sprache und die Umgangsweisen nicht in dieser Perfektion. Damit die Szenen so authentisch wie möglich sind, brauchten wir ihre Expertise. Wir haben über Monate Workshops veranstaltet, in der jeder jede Rolle spielte, damit es einen Perspektivwechsel gab – jeder sollte mal der Außenseiter sein. Ich wollte bewusst nicht, dass alle das Drehbuch lesen und es ein gewöhnliches Casting gibt. Wir haben lediglich die Geschichte erzählt und dann improvisiert. Dadurch konnten sich die Darsteller die Rollen selbst erarbeiten, und es entstand ein großes Vertrauen untereinander.
Kabadayi: In der Zeit der Workshops vor Drehbeginn war ich der einzige Junge aus Berlin-Spandau, während die anderen aus Neukölln, Kreuzberg oder dem Wedding stammen. Ich kam da an und sah, wie sie alle so offen zueinander waren und einander bei der Begrüßung auf die Wange küssten. Das war mir fremd, da fühlte ich mich tatsächlich wie ein Außenseiter. Ich dachte: Ich muss mich integrieren, sonst schaffe ich es nicht in die nächste Runde. So ging es ja auch Soheil. Deshalb kann ich mich mit meiner Rolle so gut identifizieren.
Die Eltern von Doguhan Kabadayi (links) stammen aus der Türkei, geboren ist er in Berlin- Spandau. Zu ihren Rollen kamen alle Schauspieler über ein öffentliches Casting.
Lukačević: Als ich mich mit dem Plot beschäftigte, gab es gerade vier Fälle von jüdischen Jugendlichen in Berlin-Wedding, die so gemobbt wurden, dass sie ihre Schule verlassen mussten. Einer zog nach Israel, die anderen wechselten auf ein jüdisches Gymnasium. Und in einem Zeitungsartikel las ich neulich, dass eines der häufigsten Schimpfwörter auf deutschen Schulhöfen lautet: „Du Jude!“. Antisemitismus ist leider brandaktuell.
Kabadayi: Auf der einen Seite war es für mich surreal und auch sehr intensiv, in solchen Szenen mitzuspielen. Ich habe mich gefragt: Wie kann das alles tatsächlich so passiert sein? Allein sich das vorzustellen, ist schon krass genug. Auf der anderen Seite habe ich als Mensch bei den Dreharbeiten aber auch das komplette Gegenteil von Hass und Ausgrenzung erfahren. Nachdem wir die Schlüsselszene gedreht hatten, in der sich Soheil als Jude outet, habe ich geweint. Die Jungs haben das sofort gesehen: Ich wurde getröstet, umarmt und geküsst.
Lukačević: Als ich das Drehbuch geschrieben hatte, kam Arye Sharuz Shalicar aus Jerusalem, wo er heute lebt, nach Berlin, um mir die Orte seiner Jugend zu zeigen. Da war für mich klar, dass es die erste Option sein muss, im Wedding zu drehen. Mit meinem Kameramann war ich auch in anderen Kiezen in Berlin unterwegs – wir sind aber zu dem Schluss gekommen, dass es der Wedding sein muss. Dieser Stadtteil war zum einen noch nicht oft im Kino zu sehen. Zum anderen hat er schöne Metaphern wie zum Beispiel Graffitis. Sie sind ein Synonym für Höhlenmalerei und die Suche nach sich selbst. Hier gibt es zudem viele Gleise, Zäune und Brücken, die wir zeigen konnten. Das sind alles schöne Bilder für diese Geschichte.
Kabadayi: Ich weiß, wie sich das anfühlt, deshalb konnte ich es auch gut spielen. Wenn alle Menschen etwas gemeinsam haben, dann ist es die Erfahrung, dass es im Leben irgendwann einen Punkt gibt, an dem man seinen Platz finden muss. An dem es darum geht, zu sich selbst zu stehen und zu verstehen, wer man ist. Auch ich bin noch auf der Suche nach dem Menschen, der ich sein will. Wir alle fragen uns: Was ist richtig, was ist falsch, wo stehe ich? Das ist nie ein einfacher Prozess. Schmerz, Zweifel und Enttäuschung sind Teil dieser Erfahrung.
Lukačević: Toleranz, Respekt, Mitmenschlichkeit bedeuten, den Schmerz auch der anderen Seite zu sehen. Das ist das, was wir mit unserem Film erreichen wollen. Wir müssen als Künstler Vorbilder sein und Vorreiter, dass man Verständnis für die jeweils andere Seite entwickeln kann.