MARKTPLATZ

Das Geschenk der steigenden Lebenserwartung

Karen Horn

Die neue Bundesregierung hat viel vor. Arg zaghaft indes kommen die Absichtserklärungen zur Rentenpolitik daher. Das Thema ist politisch besonders heikel. Es könnte sich lohnen, es einmal mit einem Bürgerkonvent zu versuchen.

TEXT: KAREN HORN

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Das Geschenk der steigenden Lebenserwartung

Karen Horn

Die neue Bundesregierung hat viel vor. Arg zaghaft indes kommen die Absichtserklärungen zur Rentenpolitik daher. Das Thema ist politisch besonders heikel. Es könnte sich lohnen, es einmal mit einem Bürgerkonvent zu versuchen.

TEXT: KAREN HORN

Die neue Bundesregierung hat viel vor. Dabei darf man sich nichts vormachen: Ein Koalitionsvertrag ist vor allem eine Absichtserklärung, eine gemeinsame „Roadmap“. Und das ist schon einmal viel wert. Doch nicht alles, was auf den 177 Seiten des progressiven Papiers festgehalten ist, wird sich verwirklichen lassen, und die Ereignisse werden es im Zeitverlauf mit sich bringen, dass die Regierung auch Etliches wird anpacken müssen, was in dem Koalitionsvertrag nur spärlich oder unvollständig Erwähnung gefunden hat. Ein solches Thema ist jener wirtschaftspolitische Dauerbrenner, an dem bisher noch jede Regierung letztlich verzagt ist: die Rente. Angesichts des demografischen Wandels tickt für das deutsche System der Altersversorge seit Jahrzehnten die Uhr, und dieses Ticken wird immer lauter.

Es ist nicht nachhaltig aufgestellt. Das wissen auch die jungen Leute, die Norbert Blüm und seinen legendären, viel belachten Spruch „Die Rente ist sicher“ 1986 noch nicht miterlebt haben. Es ist dabei durchaus nicht so, dass die Ampelkoalition auf diesem Feld untätig bleiben will: Unter anderem soll es in der gesetzlichen Rentenversicherung teilweise eine Kapitaldeckung geben, für betriebliche und private Altersversorgung will man Anlagemöglichkeiten mit höheren Renditen zulassen, der Nachholfaktor wird wieder aktiviert, und es soll eine Zuwanderungsstrategie geben. Darin ist eine liberale Handschrift zu erkennen. Doch zugleich findet sich im Vertragswerk immer noch die altbekannte Quadratur des Kreises: Das Rentenniveau soll nicht angetastet werden, der Beitragssatz nicht über 20 Prozent steigen, der Rentenbeginn bleiben, wo er ist. Das reicht nicht.

Die entscheidende Frage ist: Wie wollen wir die zusätzlichen Lebensjahre zwischen Erwerbsarbeit und Ruhestand aufteilen?

Die entscheidende Frage ist: Wie wollen wir die zusätzlichen Lebensjahre zwischen Erwerbsarbeit und Ruhestand aufteilen?

Vielleicht ist die Rente ein Thema, für das es sich lohnen würde, parallel zu den parlamentarischen Diskussionen einen Bürgerkonvent einzuberufen, ein partizipatives demokratisches Verfahren der Deliberation. Gut gemacht, ließe sich dort eine Reform vorbereiten, die hinreichend solide in der Bevölkerung abgestützt ist, dass sich die Bundesregierung wirklich einmal etwas trauen könnte. Es gälte dort vor allem zu erörtern, wie mit dem Geschenk der steigenden Lebenserwartung umzugehen ist, und dabei statt einer absoluten eine relative Perspektive einzunehmen.

Es wäre also nicht die Frage zu stellen, ob wir länger arbeiten wollen: Länger ist mehr, und dann lautet die Antwort im Zweifel immer nein.Die Frage müsste vielmehr lauten: Wie wollen wir die zusätzlichen Lebensjahre zwischen Erwerbsarbeit und Ruhestand aufteilen? Selbst wenn wir bei der gegenwärtigen Aufteilung von 2:1 blieben, würde das bedeuten, dass die Rente später beginnt. Darüber in aller Breite zu diskutieren und einen Konsens zu erzielen, wäre schon ein Fortschritt. Und es einmal mit einem solchen modernen Verfahren zu versuchen, stünde einer progressiven Regierung ohnehin gut an.

Karen Horn lehrt ökonomische Ideengeschichte und Wirtschaftsjournalismus an der Universität Erfurt. Zudem ist sie Chefredakteurin der ökonomischen Fachzeitschrift „Perspektiven der Wirtschaftspolitik“ („PWP“).

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