KRIEG IN EUROPA
Nach Putins Angriff erscheint die Europäische Union mit der NATO als Garant für Frieden und Sicherheit. Das gilt nicht nur für die Ukraine, sondern auch für Georgien und Moldau.
TEXT: ADAM SZŁAPKA
KRIEG IN EUROPA
Nach Putins Angriff erscheint die Europäische Union mit der NATO als Garant für Frieden und Sicherheit. Das gilt nicht nur für die Ukraine, sondern auch für Georgien und Moldau.
TEXT: ADAM SZŁAPKA
Der Angriff Russlands auf die Ukraine ist ein beispielloses Ereignis in der noch jungen Geschichte des 21. Jahrhunderts. Es kann nur mit Hitlers Aggression während des Zweiten Weltkriegs verglichen werden. Der Überfall Putins stellt Europa und die Welt vor offensichtliche Herausforderungen. Er zwingt uns zudem, die polnisch-ukrainischen Beziehungen genauer zu analysieren, und zwar sowohl in politischer als auch, vielleicht noch wichtiger, in gesellschaftlicher Hinsicht. Im Laufe der Jahrhunderte sind die beiden Länder in unterschiedlichem Ausmaß miteinander in Konflikt geraten und haben dabei oft Allianzen mit Russland geschlossen, ihrem größeren und gefährlicheren Nachbarn. Umso mehr ist zu bewundern, wie sich die polnisch-ukrainischen Beziehungen insbesondere in den zurückliegenden 30 Jahren verändert haben. Viele Polen, auch ich, haben 2004 an der „Orangenen Revolution“ und 2013/14 an den Maidan-Protesten teilgenommen, der größten gesellschaftlichen Bewegung in der Ukraine seit der Unabhängigkeit des Landes 1991.
Die Ukrainer protestierten 2013 zum zweiten Mal innerhalb eines Jahrzehnts gegen dieselbe Person – Präsident Viktor Janukowitsch. Anlass der Revolution war, dass seine Regierung sich weigerte, das geplante Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union zu unterzeichnen. Janukowitsch wurde entmachtet, und es kam zu einer tiefgreifenden pro-demokratischen Veränderung der Verhältnisse im Land. Heute wird Janukowitsch nur noch als Marionettenpräsident bezeichnet, den Putin indes abermals an die Spitze eines besiegten, vom Krieg verwüsteten Staates setzen könnte.
Wird die demokratische Zivilisation gewinnen oder der räuberische Autoritarismus Putins?
Strategische Partnerschaft
Die Ukraine war seit den demokratischen Veränderungen in Mittel- und Osteuropa 1989–1991 zum strategischen Partner Polens in der internationalen Zusammenarbeit und Sicherheit geworden. Nicht nur auf zwischenstaatlicher Ebene wurden Verbindungen geknüpft. Ein schönes Beispiel für die dauerhafte Annäherung zwischen Polen und Ukrainern war die gemeinsame Veranstaltung der UEFA-Fußball-Europameisterschaft 2012 – ein gemeinsamer Erfolg, der bewies, dass „gemeinsam” das Schlüsselwort in den Beziehungen zwischen den zwei Nationen geworden war. Außerdem versorgen ukrainische Arbeitnehmer den polnischen Arbeitsmarkt. In den vergangenen Jahren haben schätzungsweise fast zwei Millionen Menschen aus der Ukraine in Polen eine neue Heimat gefunden.
Auf der internationalen Bühne schien die Ukraine jedoch aufgrund ihrer ständigen Lage in der „Umlaufbahn“ Russlands und ihrer großen politischen Instabilität ihre Chance verpasst zu haben, der Europäischen Gemeinschaft beizutreten, anders als beispielsweise die baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland. Die Folgen dieser Nachlässigkeit sind heute deutlich zu sehen. Russlands Krieg gegen die Ukraine hat uns vor eine grundlegende Alternative gestellt: Wird die europäische, demokratische Zivilisation des Westens gewinnen – oder aber der räuberische Autoritarismus Putins? Das betrifft nicht nur die Ukrainer, die sich heute heldenhaft verteidigen. Das brutale Verhalten Russlands hat eine Lawine ausgelöst und die politischen Ambitionen der Länder der Region verdeutlicht. Der jüngste Antrag auf Beitritt zur Europäischen Union trägt nicht nur die Unterschrift des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, sondern auch der Regierungen Georgiens und Moldaus. Die EU erscheint mit der NATO als Garant für Frieden und Sicherheit.
Adam Szłapka ist Mitglied des polnischen Parlaments Sejm und Vorsitzender der liberalen Partei Nowoczesna.
Adam Szłapka ist Mitglied des polnischen Parlaments Sejm und Vorsitzender der liberalen Partei Nowoczesna.
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