IM KONTEXT
Das Schicksal von Pflege- und Adoptivkindern bleibt oft unbemerkt. Ralf Lengen hat das selbst erlebt – und nun ein Buch darüber geschrieben.
Text: Carsten Jäger
IM KONTEXT
Das Schicksal von Pflege- und Adoptivkindern bleibt oft unbemerkt. Ralf Lengen hat das selbst erlebt – und nun ein Buch darüber geschrieben.
Text: Carsten Jäger
Herr Lengen, es gibt in Deutschland viele Tausend Menschen, die als Kind adoptiert wurden oder in Pflegefamilien kamen. Warum wird darüber so wenig gesprochen? Ist Adoption ein Tabuthema?
Es ist zumindest ein Thema, das mit Scham und Schmerz verbunden ist. Übrigens für alle Beteiligten – die betroffenen Kinder, die leiblichen Eltern und die Pflege- und Adoptiveltern, die Geschwister und das Umfeld. Ich selbst spreche erst seit Kurzem über das Thema. Bis dahin hatte ich meine eigene Adoption verdrängt. Ich möchte, dass sich Adoptierte nicht schämen, sondern stolz sind, weil sie aus ihrer schwierigen Situation etwas gemacht haben. Ist es doch für ein Kind die größte Herausforderung, sich in einer neuen Familie zurechtzufinden.
Aus liberaler Sicht liegt das Thema Adoption in einem Spannungsfeld zwischen der Selbstbestimmung des Kindes und der leiblichen Eltern sowie der Fürsorgepflicht des Staates. Dazu kommen die Interessen der Adoptiv- oder Pflegeeltern. Lässt sich dieses Spannungsfeld überhaupt auflösen?
Nein, für das Kind gibt es immer einen Trennungsschmerz – entweder unmittelbar oder mit Zeitverzug durch Verdrängung. Das hat mit den Adoptiv- oder Pflegeeltern gar nichts zu tun. Die können noch so liebevoll sein. Die prägende Erfahrung bleibt: Du hast nicht genügt, du wurdest weggegeben, das kann dir jederzeit wieder passieren. Das gilt unabhängig von den Umständen – selbst wenn das Kind durch die Adoption oder Pflegschaft aus einer Notsituation „befreit“ wurde. Es bleibt der Verlust der eigenen Eltern und damit auch der eigenen Identität.
Ralf Lengen wurde mit fünf Jahren in Pflege gegeben und später adoptiert. Heute lebt er mit Frau und vier Kindern in Berlin und ist im Kontakt mit seiner leiblichen Familie. In seinem Eigenverlag „Meistertricks“ erscheint sein Buch „Ins neue Leben getreten! Adoption und Pflege aus Sicht des Kindes“.
Welche Forderungen stellen Sie an Politik und Gesellschaft?
ren schon einiges geändert. Zwangsadoptionen wie in der DDR gibt es nicht mehr. Auch dass ein Kind per Zeitungsanzeige angeboten wird, wie das mir widerfahren ist, kann man sich heute in Deutschland nicht mehr vorstellen. Aber noch immer fehlt es an Verständnis gegenüber den Hauptbetroffenen, also den Kindern. Ich finde es schwer erträglich, wenn Betroffene von Behörden wie Bittsteller behandelt werden. Jeder Mensch muss ein Recht auf seine Identität, auf Klarheit über seine Herkunft haben. Und ich wünsche mir, dass vor einer Weggabe des Kindes noch intensiver nach Hilfsangeboten und Unterstützung innerhalb der ersten Familie oder deren Umfeld gesucht wird. Oft könnten Tanten und Onkel oder Großeltern stärker einbezogen werden.
Warum haben Sie das Buch jetzt geschrieben?
Erstens, damit Adoptierte und Pflegekinder sich selbst besser verstehen und wissen, dass sie mit ihren Gefühlen nicht allein sind. Zweitens, damit beide Elternpaare – die ersten und die Adoptiv- oder Pflegeeltern – das Kind besser verstehen. Drittens, damit die Gesellschaft die Gedanken und Gefühle der Betroffenen besser versteht. Scheidungskinder wachsen in der Regel weiter bei einem Elternteil auf und behalten Kontakt zum anderen. -Adoptiv- oder Pflegekinder verlieren von einem Tag auf den anderen ihre Eltern. Es wird erwartet, dass sie sich dankbar zeigen für das „Glück“, das sie hatten. Ein Kind möchte aber nicht mit der Last aufwachsen, dankbar sein zu müssen. Es möchte bedingungslos gewollt und geliebt sein. Und schließlich habe ich das Buch auch für mich geschrieben, um so meine Erfahrungen aufzuarbeiten. Mir geht es heute gut!
Carsten Jäger ist Bereichsleiter Programm und Analyse in der Bundesgeschäftsstelle der FDP.
Carsten Jäger ist Bereichsleiter Programm und Analyse in der Bundesgeschäftsstelle der FDP.
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