MODERNE KUNST

„Das Türgeräusch des Mercedes meines Vaters hat mich fasziniert“

Der US-amerikanische Künstler David Smithson erforscht die Grenzen des technisch Machbaren. In seinen Werken spricht er Warnungen aus, vor den Möglichkeiten und den Gefahren neuer Technologien.

Text: Carsten Jäger


MODERNE KUNST

„Das Türgeräusch des Mercedes meines Vaters hat mich fasziniert“

Der US-amerikanische Künstler David Smithson erforscht die Grenzen des technisch Machbaren. In seinen Werken spricht er Warnungen aus, vor den Möglichkeiten und den Gefahren neuer Technologien.

Text: Carsten Jäger

Ökologie, Technologie und soziale Gerechtigkeit – auf diesen Feldern möchte David Smithson mit seiner Kunst wirken. Sein Werk ist so vielfältig wie sein Lebenslauf wechselvoll: Geboren 1956 in Texas und aufgewachsen in Wyoming und Norwegen, lebt er seit fast vierzig Jahren in Europa – Toskana, Arnheim, Köln und seit 2011 in Berlin. Der studierte Bildhauer arbeitete lange mit Marmor und  mit Bronze, seit einigen Jahren verwendet er oft Solarzellen als Ausgangsmaterial seiner Werke. Dazu entwirft er Foto-, Video- und Technikkonzeptionen. Smithson bezeichnet sich als „peniblen Freigeist“ – und lacht über diese deutsche Wortschöpfung.

Herr Smithson, Ihre Werke verbinden  hochmoderne Technik und knappe Aussagen mit den Materialien der klassischen darstellenden Kunst. Was wollen Sie mit Ihrer Kunst erreichen?

Ich verstehe meine Kunstwerke als Warnungen, die zugleich Fehlentwicklungen zeigen und Lösungswege anbieten – ohne Anspruch auf Erfüllung. Mir geht es nicht nur um Ästhetik, sondern auch um eine politische Botschaft: Nutzt die Möglichkeiten und seid euch zugleich der Gefahren von Technologien bewusst. Chance und Risiko, Kreativität und Überfluss – in diesem Widerspruch bewege ich mich auch als Künstler. Zufriedenheit und Erfüllung kann es da immer nur kurzzeitig geben. Nach Abschluss eines Werks fange ich wieder bei null an.

Wenn Sie sich auch als politischer Künstler verstehen: Wie erleben Sie derzeit das politische Klima in Deutschland?

Im Vergleich zu den USA noch deutlich angenehmer und demokratischer, besonders durch das Mehrparteiensystem. Aber es gibt leider auch in Deutschland stark polarisierende Tendenzen. Seit der Kindheit verbinde ich mit Deutschland Technik und Perfektion. Das Türgeräusch des Mercedes meines Vaters hat mich fasziniert. Zur Gründlichkeit gehört hier aber oft auch ein autoritäres „Das geht nicht!“. An diese Haltung mag ich mich nicht gewöhnen, das wurde mir in der Corona-Zeit wieder bewusst, als die Deutschen sich gern gegenseitig kontrollierten.

Sie sind auf zwei Kontinenten aufgewachsen, sprechen fünf Sprachen, sind mit einer Kroatin verheiratet und leben im bunten Berlin – können Sie mit dem wirklich urdeutschen Begriff „Heimat“ etwas anfangen?

Wenig, Heimat ist immer dort, wo ich mit meiner Kreativität beschäftigt bin. Als Künstler bin ich ständig unterwegs, gedanklich und örtlich. Ich habe immer zwiegespalten gelebt – in Norwegen war ich der Ami, in den USA der Norweger. In Deutschland fühle ich mich als Europäer, der gern in Berlin lebt. Die deutsche Kunstszene ist vielseitig und lebendig, und die Künstlersozialversicherung ist eine vorbildliche Errungenschaft.

Chance und Risiko, Kreativität und Überfluss – in diesem Widerspruch bewege ich mich auch als Künstler.
David Smithson

Als freischaffender Künstler sind Sie auch Selbstständiger, der sich mit den Rahmenbedingungen arrangieren muss. 

Ja, und Bürokratie fördert nicht unbedingt die Kreativität. Da denke ich manchmal wehmütig an die Achtzigerjahre in Italien zurück. Da waren die EU-Regeln noch nicht so kleinteilig und umfassend. Kunstwettbewerbe und -ausschreibungen für den öffentlichen Raum gehen heute mit endlosen Formularen und Genehmigungen einher. Diese Zeit und Energie würde ich lieber in neue Kunstwerke stecken.

Wenn Sie politische Wünsche für sich persönlich frei hätten …

… dann würde ich unter anderem deutscher Staatsbürger werden, ohne meine US-Staatsbürgerschaft aufgeben zu müssen, wozu ich zurzeit gezwungen wäre. Ich habe aber noch Familie in den USA, bin regelmäßig dort und möchte meine Wurzeln nicht kappen. In anderen Staaten gibt es die Möglichkeit eines Doppelpasses. Meine Frau hat einen deutschen und einen kroatischen Pass, unser Sohn einen kroatischen und einen US-amerikanischen.

Mit seinem Werk „The Solar Powered Electric Chair“ will David Smithson auch auf die Risiken neuer Technologien aufmerksam machen.

Carsten Jäger ist Bereichsleiter Programm und Analyse in der Bundesgeschäftsstelle der FDP.

Carsten Jäger ist Bereichsleiter Programm und Analyse in der Bundesgeschäftsstelle der FDP.

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