STANDORT DEUTSCHLAND

Hindernislauf für alle, die gründen wollen

Deutschland ist immer noch ein Land der technischen Neuerungen. Doch auf dem Weg von der Idee zum Produkt liegen viel zu viele Stolperfallen.

Text: Thomas Clausen und Maximilian Luz Reinhardt

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Hindernislauf für alle, die gründen wollen

Deutschland ist immer noch ein Land der technischen Neuerungen. Doch auf dem Weg von der Idee zum Produkt liegen viel zu viele Stolperfallen.

Text: Thomas Clausen und Maximilian Luz Reinhardt

Dem Ingeniör ist nichts zu schwör“, lautet der Wahlspruch des Entenhausener Cheftüftlers Daniel Düsentrieb. Eigentlich stammt der Satz aus einem Lied des Ingenieurs und Schriftstellers Heinrich Seidel von 1871. Aber die Entscheidung der Übersetzerin der Donald-Duck-Comics, die erfinderische Ente im deutschen Innovationskosmos zu verorten und ihr einen Dipl.-Ing. zu verleihen, wirkte lange Zeit wie die natürlichste Entscheidung der Welt: Viele Jahrzehnte galt Deutschland schließlich als das Land der Innovationen. Auch heutzutage sind Deutschlands Forschungsinstitute wegweisend. Doch am Transfer vom Labor zum Ladentisch hapert es häufig. Klassisches Beispiel dafür ist das MP3-Format: Es wurde von Forschern des Fraunhofer-Instituts entwickelt und patentiert, doch erst der Apple iPod machte daraus einen Markterfolg. Es zeigt sich: Eine gute Idee ist noch keine Innovation. Warum gelingt der Transfer in die wirtschaftliche Praxis in Deutschland so selten?

Mentalität 

Im deutschen Narrativ kommen Unternehmerinnen und Unternehmer oft nicht gut weg. Unternehmertum wird eher mit Eigennutz und Porschefahren verbunden als mit Selbstverwirklichung und Innovation. Leistungswille, Risikobereitschaft und Unternehmertum werden oft nicht als Tugenden, sondern als Charakterfehler gesehen. Wo die soziale Anerkennung fehlt, fehlt aber auch ein wichtiger Anreiz.

Kapitalzugang

Gründerinnen und Gründer in Deutschland stehen häufig vor ungünstigeren Finanzierungsbedingungen. Das ist insbesondere mit der geringeren Verfügbarkeit von Risikokapital zu erklären. Zum Vergleich: Das Bruttoinlandsprodukt der USA ist knapp fünfmal so groß wie das deutsche – gleichzeitig entspricht das dort verfügbare Risikokapital etwa dem Hundertfachen des deutschen. Dieser Risikokapitalmarkt ist ein wichtiger Grund, weshalb viele Start-up-Erfolgsgeschichten im Silicon Valley geschrieben wurden und nicht im Ruhrgebiet.

Regulierung

Wo Regulierungswahn und überbordende Bürokratie auf fehlenden Pragmatismus treffen, hat Innovation kaum eine Chance. Auch in diesem Zusammenhang sind Unternehmerinnen und Unternehmer im angelsächsischen oder zum Teil auch im asiatischen Ausland deutlich besser gestellt. Ob schleppende Zulassungsverfahren, eine mangelnde Technologieoffenheit oder zementierte Interessenskonflikte mit bestehenden Marktakteuren – oft stehen politische Entscheidungen der Innovation im Weg.

Demografie

Ein weiterer Bremsfaktor sind die Personalverfügbarkeit und die Arbeitsgesetzgebung in Deutschland. Zum einen fehlen schon jetzt qualifizierte Arbeitskräfte. Diese Situation dürfte sich im Laufe der kommenden Jahre aufgrund der demografischen Entwicklung weiter verschärfen. Dieser Fachkräfte-mangel macht sich auch in innovativen Unternehmen bemerkbar, denn MINT-Absolventinnen und -absolventen sind Mangelware. Zum anderen ist das Arbeitsrecht in Deutschland wenig flexibel. Das bremst junge Unternehmen bei der Expansion.

Innovations-Agentur

Ein neues Gutachten der Universität von Oxford im Auftrag des Liberalen Instituts der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit befasst sich mit dem Potenzial von Innovations-Agenturen. Ob die US-Agentur Darpa oder ihr Schweizer Pendant Innosuisse: Führende Industrienationen erproben dieses innovationspolitische Instrument bereits seit vielen Jahren. Dabei wird deutlich, dass der Grat zwischen staatlicher Innovationsförderung und staatlicher Innovationsverhinderung äußerst schmal ist. Dennoch täte Deutschland gut daran, bei den Konkurrenten genau hinzuschauen: Eine entfesselte Agentur für Sprunginnovationen und eine dezidierte Agentur für Transfer und Innovation hätten durchaus das Potenzial zum Game Changer.

Optimismus

„Kein Hindernis ist ihm zu groß – er geht drauf los!“, beschrieb Heinrich Seidel einst den deutschen Ingenieur. Auch heute wünscht man sich mehr von diesem Optimismus. Trotz aller Unkenrufe gibt es Grund für Optimismus: Im Global Innovation Index 2022 der World Intellectual Property Organisation steht Deutschland auf dem achten Platz – gegenüber dem Ranking von 2021 ist das eine Verbesserung um zwei Plätze.

Thomas Clausen ist Referent für Bildung und Forschung am Liberalen Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. 

Maximilian Luz Reinhardt ist als Referent am selben Institut für die Themen Wirtschaft und Nachhaltigkeit verantwortlich. 

Thomas Clausen ist Referent für Bildung und Forschung am Liberalen Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. 

Maximilian Luz Reinhardt ist als Referent am selben Institut für die Themen Wirtschaft und Nachhaltigkeit verantwortlich. 

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