BOBI WINE
Der Musiker und beliebte ugandische Oppositionsführer Bobi Wine nimmt es mit einem der erfahrensten Autokraten Afrikas auf. Jetzt muss er den Beat seiner Bewegung aufrechterhalten. Denn von der internationalen Gemeinschaft erhofft er sich kaum Hilfe.
TEXT: SIMON ALLISON
BOBI WINE
Der Musiker und beliebte ugandische Oppositionsführer Bobi Wine nimmt es mit einem der erfahrensten Autokraten Afrikas auf. Jetzt muss er den Beat seiner Bewegung aufrechterhalten. Denn von der internationalen Gemeinschaft erhofft er sich kaum Hilfe.
TEXT: SIMON ALLISON
Bei der ersten Erwähnung von Ugandas Präsident Yoweri Museveni unterbricht Bobi Wine. „Zur Klarstellung“, sagt er und lehnt sich in seinem Stuhl vor: „Ich habe gewonnen. Nur wurde das nicht verkündet.“ Vielmehr wurde 2021 Museveni zum Sieger der Präsidentschaftswahlen erklärt. Bobi Wine – mit richtigem Namen Ssentamu Robert Kyagulanyi – ist immer noch wütend.
Der 39-jährige Oppositionsführer ist der Meinung, dass ihm die Wahl gestohlen wurde. Er ist damit nicht allein: Unter anderem die Vereinigten Staaten und die Vereinten Nationen haben ernsthafte Bedenken angemeldet, ob es bei den Wahlen tatsächlich frei und fair zugegangen ist. Bobi Wine spricht deshalb nie von „Präsident Museveni“, sondern immer nur von „General Museveni“.
Kurz nach der Ernennung Musevenis im Januar stürmten mehr als 400 Mitglieder einer militärischen Eingreiftruppe das Wohnhaus von Bobi Wine in Kampala. Hunderte seiner Freunde, Verwandten, Kollegen, Parteimitglieder und Unterstützer wurden verhaftet. Einige wurden in der Haft gefoltert, andere fanden den Tod, und wieder andere sind bis heute unauffindbar.
Die Heftigkeit, mit welcher der Staat auf Bobi Wines „People-Power“-Bewegung reagierte, ist ein Indiz für deren Wirksamkeit: Vielleicht zum ersten Mal in seiner 36-jährigen Regierungszeit hatte Museveni wirklich Angst. Denn Bobi Wine mobilisierte die Menschen in ihrer Desillusionierung und ihrem Unmut, insbesondere die ugandische Jugend, die einen großen Anteil an der Bevölkerung des Landes ausmacht. Sein großes Charisma half ihm dabei, und seine Wurzeln in den Slums von Kampala verliehen ihm in den Augen der Menschen sofortige Legitimität. Und seine erste Karriere als einer der populärsten Musiker Ugandas bedeutete, dass er bereits überall bekannt war.
Aber ist das genug? Wird es in Uganda jemals ausreichen? Bobi Wine gibt zu, dass ihn in jenen dunklen Tagen im Januar, als er unter Hausarrest stand, die Zweifel packten. „Ich war sehr skeptisch, um ehrlich zu sein. Ich war skeptisch, ob es möglich ist, die Dinge zu ändern und auf demokratischem Weg einen Machtwechsel zu erreichen.“
Doch die jüngsten Wahlen in Sambia haben sein Vertrauen zum demokratischen Prozess teilweise wiederhergestellt. In seinem sechsten Präsidentschaftswahlkampf hat Hakainde Hichilema eine so deutliche Mehrheit errungen, dass die Wahl nicht zu fälschen war – und so löste er den zunehmend autokratischen Edgar Lungu im Amt ab. Hakaindes Sieg ist ein Hoffnungsschimmer, aber Bobi Wines Zweifel sind noch nicht vollständig ausgeräumt. Der ugandische Kontext ist ganz anders als der sambische. Im Gegensatz zu Lungu ist Museveni einer der erfolgreichsten Autokraten des Kontinents. Seine Kontrolle über die staatlichen Institutionen ist derart groß, dass Bobi Wine auch noch in fünf oder gar zehn Jahren in Wahlen kein anderes Ergebnis erwartet.
Das Volk muss sein Schicksal selbst in die Hand nehmen.
Seine Kontrolle über die staatlichen Institutionen ist derart groß, dass Bobi Wine auch noch in fünf oder gar zehn Jahren in Wahlen kein anderes Ergebnis erwartet. Was also tun? Nur die Menschen können einen wirklichen Wandel herbeiführen, sagt er. Aber er hält sich bedeckt, wenn es darum geht, wie dieser Wandel genau aussehen kann. Er weist nur darauf hin, dass seine People-Power-
Bewegung größer ist als die politische Partei, die er anführt: Während die Partei existiert, um an demokratischen Prozessen teilzunehmen, hat die Bewegung das Ziel, dem Regime ein Ende zu setzen.
„Die Bewegung ist eine Befreiungsbewegung, die auf das Ende der Diktatur dringt, noch vor dem Ende des nächsten Wahlzyklus“, erklärt er. „Das Volk sollte General Museveni keine Wahl lassen, so wie es Idi Amin keine Wahl gelassen hat, und so wie das sudanesische Volk Omar al-Bashir keine Wahl gelassen hat. Das Volk muss sein Schicksal selbst in die Hand nehmen.“ Idi Amin wurde 1979 nach einer Meuterei der Armee gestürzt, vor dem Hintergrund großer Unzufriedenheit mit seiner brutalen Herrschaft. Bashir wurde 2019 durch eine Revolution aus dem Amt entfernt.
Wenn Musevenis Regime davongefegt werden soll, muss Bobi Wine das Momentum, das er in die Wahlen Anfang 2021 hineingetragen hatte, beibehalten und noch ausbauen. Das ist natürlich leichter gesagt als getan, und außerhalb Ugandas drehen sich die Nachrichten schon lange um andere Dinge. Trotz ihrer Proteste gegen den Ablauf der Wahl unterstützt und finanziert die internationale Gemeinschaft das Museveni-Regime weiterhin. Regionale und kontinentale Gremien wie die Ostafrikanische Gemeinschaft und die Afrikanische Union seien kaum mehr als Präsidentenclubs, sagt Bobi Wine. Die internationalen Organisationen und auch Ugandas nationale „Entwicklungspartner“ – beispielsweise die Vereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich sowie die Europäische Union – verhielten sich kaum besser.
Das Vorgehen der internationalen Gemeinschaft sei letztlich von Rassismus geprägt, sagt Bobi Wine: Kein europäischer Präsident würde damit durchkommen, sein Volk so zu behandeln, wie Museveni die Ugander behandelt. „Warum ist der Standard der Menschenrechte in Uganda so niedrig? Das ist Rassismus. Das Leben der Menschen in Uganda ist genauso wertvoll wie das Leben der Bürger im Rest der Welt. Alle sollen wissen, dass wir die Heuchelei bemerken. Das darf es heutzutage nicht mehr geben.“
Trotz der gewaltigen Kräfte, die sich gegen ihn stellen, hat Bobi Wine nicht die Absicht, den Kampf aufzugeben. Als er und seine Frau Barbara jünger waren, träumten sie davon, schon mit 35 Jahren weniger hart zu arbeiten und ihr Leben zu genießen. Diese Altersgrenze haben sie längst überschritten. „Sie sieht mich jetzt, wie ich ein weiteres explosives Projekt in Angriff nehme, und sie fragt: Was ist los mit dir? Aber am Ende des Tages erkennt sie, dass es um unser Land geht. Also zieht sie mit.“ Berufliches Kürzertreten steht nicht mehr auf der Tagesordnung. Revolution vielleicht schon.
Simon Allison ist Journalist der Zeitung „Mail & Guardian“ in Johannesburg. Er sprach mit Bobi Wine während dessen Besuchs in Südafrika auf Einladung der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.