ÖKOLOGISCHE TRANSFORMATION
Die Polit-Ökonomin Maja Göpel über die Chancen durch Krisen, die ökologische Transformation und das Problem der Dominanz von Finanzindustrie und Handel.
INTERVIEW: LUDWIG THEODOR HEUSS
ÖKOLOGISCHE TRANSFORMATION
Die Polit-Ökonomin Maja Göpel über die Chancen durch Krisen, die ökologische Transformation und das Problem der Dominanz von Finanzindustrie und Handel.
INTERVIEW: LUDWIG THEODOR HEUSS
Maja Göpel ist Medienwirtin und Politökonomin. Sie ist Honorarprofessorin an der Leuphana Universität Lüneburg und Mitglied im Club of Rome. Zuletzt hat sie das Buch „Unsere Welt neu denken – Eine Einladung“ (2020) veröffentlicht. Im Oktober 2021 wurde sie mit dem Theodor-Heuss-Preis ausgezeichnet.
Frau Professor Göpel, Sie laden ein, die Welt neu zu denken. Wie meinen Sie das?
Es gibt krisenhafte Momente, in denen die Deutungsmuster versagen, mit denen wir routinemäßig die Welt betrachten. Dann müssen wir einen Schritt zurückgehen und uns neu um Konsistenz bemühen. Genau darin besteht die Einladung. Wir haben ja als kreative Wesen immer die Chance, die Welt wieder neu zu denken und zu organisieren. Das gilt ganz besonders auch mit Blick auf die ökologische Transformation, vor der wir stehen.
Entstehen in solchen krisenhaften Momenten nicht auch Innovationen?
Es stimmt, und wir haben mit Innovationen schon einiges an Effizienzsteigerungen geschafft, aber noch ist es nicht gelungen, das wirtschaftliche Wachstum vom Ressourcenverbrauch abzukoppeln. Die Frage, wie viel materielle Dinge wir wirklich brauchen, muss deshalb gestellt werden. Aber manche Leute sehen schon darin eine Freiheitsberaubung. Das ist ideologisch.
Nicht nur die Wirtschaft wächst, sondern auch Menschen: indem sie Herausforderungen annehmen und kreativ nach Lösungen suchen. Es muss uns um menschliches Wohlergehen und Weiterentwicklung gehen. Wir brauchen mehr Zeit für unsere Familien, für Beziehungen, für Kultur und andere Dinge, für die wir nicht genug Muße haben, weil wir damit beschäftigt sind, Produkte herzustellen, die später auf riesigen Müllhalden lagern und die Grundlage unseres Daseins zerstören.
Aber wie bringen wir die Menschen dazu, dass sie gemeinwohlverträglich wirtschaften?
Dafür müssen wir zunächst überhaupt erst einmal zwischen produktiver und unproduktiver Arbeit unterscheiden. Es gibt Produktion, und es gibt Finanzierung und Handel. Mehrwert entsteht nur in der Produktion. Doch nicht dort gibt es heute die hohen Vergütungen. Im schlimmsten Fall wird es dadurch für die produktiv Tätigen sehr schwer, Qualität zu generieren und langfristig orientiert zu wirtschaften. So aber läuft uns die Marktwirtschaft aus dem Ruder.
Wissen sie, wohin uns die ökologische Transformation führt? Oder ist das ergebnisoffen?
Vieles ist offen, und wir werden erst im Nachhinein sagen können, ob und wann überhaupt eine solche Transformation stattgefunden hat. Es wird sehr darauf ankommen, was wir in den nächsten zwei Dekaden tun – und ob es uns gelingt, die Ausbeutung der Ökosysteme zu beenden. Wir brauchen dafür technische Innovationen, die ökologische und soziale Wertschöpfung kombinieren, eine neue Taxonomie für den Finanzbereich und eine größere Wirkungsorientierung in der Politik. Hier sehe ich wirklich eine Aufgabe für den Staat. Aus meiner Sicht wäre es eine maximale Verzerrung des Freiheitsbegriffs, wenn man die Verantwortung für all dies den Privaten überließe.
Sie sagen, es sei Zeit für einen Liberalismus 2.0. Was verstehen Sie darunter?
Wenn wir Dinge infrage stellen, kommen wir aus vielen Unauflösbarkeiten heraus und entdecken neue Möglichkeitsräume. Das ist mein Aufruf zu
einem Liberalismus 2.0. Wir haben doch noch so viel mehr in uns, als wir uns aktuell zutrauen.
Ludwig Theodor Heuss ist Vorsitzender des Kuratoriums der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.