GELDANLAGEN

App-etit aufs Handeln

Vom Smartphone aus investieren immer mehr junge Leute an der Börse oder handeln mit Kryptowährungen. Pure Zockerei betreiben allerdings die wenigsten.

TEXT: LARA MARIE MÜLLER

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App-etit aufs Handeln

Vom Smartphone aus investieren immer mehr junge Leute an der Börse oder handeln mit Kryptowährungen. Pure Zockerei betreiben allerdings die wenigsten.

TEXT: LARA MARIE MÜLLER

Sophie Müllers erster Aktienkauf war eine Bauchentscheidung. Sie war 17 Jahre alt, Veganerin, schaute gern Serien. Sie griff zu Papieren eines Herstellers veganer Produkte und eines Streamingdienstes. „Das war nicht sonderlich durchdacht“, sagt die mittlerweile 24-jährige Psychologie-Studentin heute und lacht. Sie hatte von ihren Eltern gehört, dass man an der Börse Anteile von Unternehmen kaufen kann, und wollte es ausprobieren. Heute investiert sie hauptsächlich, um für das Alter vorzusorgen. „Ich kaufe nur breit gestreute Fonds, die Nachhaltigkeitsstandards erfüllen, und will sie viele Jahre halten“, sagt sie.

Müller ist eine von knapp 1,5 Millionen jungen Investorinnen und Investoren, die in den vergangenen Jahren an die Börse geströmt sind. Mehr als jede(r) zehnte Deutsche zwischen 14 und 29 Jahren investiert regelmäßig in Aktien und/oder Fonds. Vor allem in den vergangenen zwei Jahren ist diese Zahl stark gestiegen: Laut Umfragen des Deutschen Aktieninstituts investierten von 2016 bis 2019 relativ konstant rund sechs Prozent der Menschen dieser Altersgruppe ihr Geld an der Börse; 2020 verdoppelte sich diese Zahl fast. Einen derart großen Zuwachs gab es in keiner anderen Altersgruppe.

Ein Grund dafür dürfte eine gestiegene Reichweite von Inhalten sein, die Finanz-Influencer – „Finfluencer“ – in den sozialen Medien verbreiten. Sie erreichen auf Instagram, TikTok und Co. ein junges Millionenpublikum mit Tipps zum Handel mit Aktien, Fonds und Kryptowährungen. Während man früher allenfalls daheim oder mit dem Bankberater die Geldanlage besprach, spülen nun Algorithmen Anlagetipps auf die Handys, zwischen Schminkvideos und Computerspielrezensionen. Zudem hat die Digitalisierung den Zugang erleichtert. Ein Depot zu eröffnen, eine Aktie auszuwählen und sie zu kaufen – das ist eine Sache von wenigen Minuten. Handeln kann man immer und überall.

Umfragen des Deutschen Aktien-instituts legen nahe, dass etwa dreimal so viele junge Männer investieren wie junge Frauen.

Depot in wenigen Minuten

In manchen Apps wirkt der Aktienhandel wie ein Spiel. Wer versucht, den besten Zeitpunkt für eine Börsentransaktion abzupassen, scheitert allerdings oft. Der Verbraucherzentrale Bundesverband warnt: „Trading Apps können zum Zocken verleiten.“ Dafür gibt es allerdings bisher kaum Belege. Eine vom Smartphone-Broker Trade Republic beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Auftrag gegebene repräsentative Umfrage legt sogar eher das Gegenteil nahe: Nur rund 20 Prozent der Teilnehmer sagen, sie handelten wegen des „Kicks schneller Gewinne“. Fast 80 Prozent geben an, sie wollten ihre spätere Rente aufbessern und es fehlten andere attraktive Sparmöglichkeiten. Die Ergebnisse der Umfrage deckten sich mit den tatsächlichen Handelsdaten der Teilnehmer. Die meisten der vorwiegend jungen Nutzerinnen und Nutzer investieren breit diversifiziert in Aktien und Fonds. Nur ein sehr kleiner Anteil kauft deutlich risikoreichere Produkte wie Derivate.

Auch die 23-jährige Mathematikstudentin Lara van Breda investiert, um sich langfristig ein Vermögen aufzubauen. „Insbesondere meine männlichen Kommilitonen spekulieren gerne kurzfristig“, sagt sie und grinst. Sie interessiere das aktuell nicht. Die Münchnerin fand durch ein Seminar zum Thema „Finanzielle Unabhängigkeit für Frauen“ an die Börse. Seit 2019 investiert sie jeden Monat in ETFs und Einzelaktien. Damit gehört sie zu einer Minderheit. Die Umfragen des Deutschen Aktieninstituts legen nahe, dass etwa dreimal so viele junge Männer investieren wie junge Frauen.

Um das zu ändern, organisiert van Breda nun selbst Investment-Seminare für Frauen. „Viele junge Frauen haben Vorbehalte und denken, an der Börse gehe es nur um schnelle Gewinne und viel Risiko“, sagt sie. Wenn man über ein solides Grundwissen verfüge, sei das aber nicht der Fall. Vielmehr bewahre einen die Anlage an der Börse im Zweifel vor Altersarmut oder ungewollten Abhängigkeiten. „Es ist echt verblüffend, wie viel man schon mit einem Studentinnen-Budget erreichen kann, wenn man regelmäßig ein bisschen was investiert“, sagt van Breda. Auch sie achtet darauf, nur Aktien von Unternehmen zu kaufen, die ihren Werten entsprechen – zum Beispiel Diversity. Sie findet: „Die Börse ist eine Möglichkeit für uns junge Menschen, ein wenig Mitsprache an den Märkten zu erwerben.“

Lara Marie Müller ist freie Journalistin und Doktorandin im Fach Medienökonomie an der Universität Köln.

Lara Marie Müller ist freie Journalistin und Doktorandin im Fach Medienökonomie an der Universität Köln.

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