Liberale Erneuerung

Kampf für
Freiheit, Stärke und die
Demokratie

Wenn es um die Freiheit geht, wird es grundsätzlich. ­
Gerade in der aktuellen Zeit, in der die Welt an Stabilität verliert und Freiheiten immer öfter eingeschränkt werden, um Autokraten zu mehr Macht zu verhelfen. In dieser Welt sind Menschen liberal, wenn sie sich einsetzen für Freiheit, für Stärke, für ein Miteinander und für Respekt anderen gegenüber. Zum Glück für Europa sitzen hier fünf solcher Frauen an entscheidenden Schalthebeln der Macht.

Texte: Julius von Freytag-Loringhoven, Julius Graack,
Maja Sommerhalder
Illustrationen: Mario Wagner

Liberale Erneuerung

Kampf für Freiheit, Stärke und die Demokratie

Wenn es um die Freiheit geht, wird es grundsätzlich. ­
Gerade in der aktuellen Zeit, in der die Welt an Stabilität verliert und Freiheiten immer öfter eingeschränkt werden, um Autokraten zu mehr Macht zu verhelfen. In dieser Welt sind Menschen liberal, wenn sie sich einsetzen für Freiheit, für Stärke, für ein Miteinander und für Respekt anderen gegenüber. Zum Glück für Europa sitzen hier fünf solcher Frauen an entscheidenden Schalthebeln der Macht.

Texte: Julius von Freytag-Loringhoven, Julius Graack, Maja Sommerhalder
Illustrationen: Mario Wagner

Svenja Hahn:

Liberalismus 
als positive
Reformkraft

Früher galt bei Listenaufstellungen für die 
Europawahlen „Schick den Opa nach Europa“. Wer in der deutschen Politik nicht mehr gebraucht wurde, konnte ja in Brüssel noch Verwendung finden. Bewahrheiten lässt sich dieses Vorurteil schon lange nicht mehr, auch wegen Abgeordneten wie Svenja Hahn. Sie ist in Europa verwurzelt. Und jetzt wird sie in Deutschland gebraucht.

2018 wurde Hahn Präsidentin von LYMEC, den europäischen jungen Liberalen. Damit schaffte sie es auf den zweiten Listenplatz der FDP für die Europawahlen 2019. Sie arbeitet dort für einen liberalen Binnenmarkt mit weniger Bürokratie für Unternehmen. Sie kämpft für künstliche Intelligenz als Innovationsmotor und gegen staatliche Überwachung. Und sie setzt sich ein für mehr Freihandel als Antwort auf die zunehmenden Rufe nach Abschottung.

Obwohl sie in Brüssel an den großen, geopolitischen Themen arbeitet, bleibt der Bezug zur lokalen Ebene nach Deutschland bestehen. Hahn weiß, dass Liberalismus echte Handarbeit ist. Sie fährt zu den FDP-Wahlkämpfern im ganzen Bundesgebiet. Kein Landtagswahlkampf, kein Infostand, keine Kneipentour bis spät in die Nacht ist ihr zu mühsam. Die Parteifreunde wissen ihren Einsatz zu schätzen, gerade in kleineren Landesverbänden.

„Ich möchte Politik so machen das andere sich inspiriert fühlen, ihre eigene Zukunft in die Hand zu nehmen und selbst zu gestalten.“
Svenja Hahn

2024 wird sie nicht nur erneut ins Europäische Parlament gewählt, sondern auch Präsidentin der ALDE-Partei, der „Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa“. Der europäische ­Gedanke als Arbeitsgrundsatz, den will sie auch in ihrem neusten Amt verfolgen: Seit Mai ist die 35-Jährige stellvertretende Parteivorsitzende der FDP.

Ihrer Meinung nach kann Liberalismus dann erfolgreich werden, wenn er positiven Reformgeist durch eigene, handfeste Ideen aufbaut und verbreitet. Sich nur an anderen abzuarbeiten, überzeugt nicht, da ist sich Hahn sicher. „Ich möchte Politik so machen“, sagt sie, „das andere sich inspiriert fühlen, ihre eigene Zukunft in die Hand zu nehmen und selbst zu gestalten.“


Marie-Agnes Strack-Zimmermann:

Teamgeist mit Biss
und Überzeugung

„Boah, die Alte nervt!“ Wenn politische Gegner wie Scholz’ Sicherheitsberater Jens Plötner gegen Marie-Agnes Strack-Zimmermann austeilen, dann wertet sie das als Kompliment. Oder sogar als Kampagneninspiration. In Wahlwerbespots für die Europawahl 2024 heißt es: „Nervt, aber richtig. Und die Richtigen.“ Strack-Zimmermann nimmt kein Blatt vor den Mund. In der eher nüchternen Debattenkultur in Deutschland ist das eine erfrischende Abwechslung.

Zunächst war Strack-Zimmermann in der Düsseldorfer Kommunalpolitik aktiv, über die Verteidigungspolitik ist sie erst im Bundestag und schließlich im Europäischen Parlament auf dem internationalen Parkett angekommen. Heute ist keine Stimme in der deutschen Politik so deutlich für die Ukraine zu hören wie die von Strack-Zimmermann. In ihren Augen verteidigt die Ukraine nicht nur das eigene Land gegen den russischen Aggressor, sondern das Prinzip Freiheit an sich.

Strack-Zimmermann gehörte zu den ersten hochrangigen Politikern, die nach Kriegsbeginn in die Ukraine gereist sind. Sie kritisierte Bundeskanzler Scholz scharf, obwohl ihre Partei Teil seiner Bundesregierung war. Sie stimmte sogar für einen Oppositionsantrag der Union zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern. Der FDP-Wahlkampfslogan ihrer Spitzenkandidatur zur Europawahl „Streitbar in Europa“ war somit konsequent. Gemeint ist aber nicht eine Streitbarkeit um der Streitbarkeit willen, sondern um der Freiheit willen.

Für diese Freiheit muss man im Team kämpfen, da ist sich Strack-Zimmermann sicher. Als die FDP 2013 aus dem Bundestag flog, half sie als stellvertretende Bundesvorsitzende bei der Neuaufstellung. Auch nach der Bundestagswahl 2025 beschwört sie den Teamgeist, wieder geht es um Wiederaufbau. Bei der Europawahl 2024 haben die Freien Demokraten zuletzt über 5 % geholt. Spitzenkandidatin war eine Frau, die sagt, was sie denkt. Als Teamplayerin, nicht für sich, sondern für den Liberalismus.


Beate Meinl-Reisinger:

Freiheit in
Verantwortung
als Leitprinzip

13 Jahre sind die Neos erst alt, viel hat sich getan seit der Gründung der Partei für das „Neue Österreich“ 2012. Beate Meinl-Reisinger war von Anfang an mit dabei. Seit 2018 ist die Wienerin Parteichefin und leitete bis vor Kurzem den Parlamentsklub der Neos im Nationalrat. Dieses Amt hat sie inzwischen abgegeben, denn seit März sind die Neos erstmalig an einer Regierung beteiligt. Meinl-Reisinger ist Ministerin für europäische und internationale Beziehungen.

Mein Anspruch ist es, Ihnen den Glauben an die Zukunft zurückzugeben.
Beate Meinl-Reisinger

Eine echte Erfolgsgeschichte also für eine noch recht junge Partei. Dabei wäre es fast gar nicht dazu gekommen. Nach der Nationalratswahl im September 2024 versuchten die konservative ÖVP und die sozialdemokratische SPÖ aufgrund einer knappen Mehrheit von einem Mandat in einem ersten Anlauf mit den Neos zu koalieren. Doch wirklich offen für die Reformansprüche der Neos zeigten sie sich nicht. Nach monatelangen Verhandlungen warfen die Neos im Januar hin, Meinl-Reisinger stellte damals klar: „Regieren ist kein Selbstzweck.“ Alles sah danach aus, dass Österreich eine durch die rechtspopulistische FPÖ geführte Regierung bekommen würde. Doch auch diese Verhandlungen scheiterten. Die Neos standen weiter bereit für Verhandlungen, während ÖVP und SPÖ aus Angst vor Neuwahlen nun dazu gezwungen waren, auf die Reformlust der Liberalen einzugehen.

Und so führte Meinl-Reisinger die Partei nach 13-jährigem Bestehen erstmals in die Regierung, um die Erneuerung Österreichs zu verantworten. Diese Grundüberzeugung prägt die liberale Politik von Meinl-Reisinger: Verantwortung zu übernehmen und dabei Kompromisse einzugehen, doch ohne jemals die eigenen Prinzipien aufzugeben. Als Ministerin kann sie dies nun in die Tat umsetzen. In ihrer ersten Ansprache als Ministerin im Nationalrat verspricht sie den Österreichern: „Mein Anspruch ist es, Ihnen den Glauben an die Zukunft zurückzugeben.“


Kaja Kallas

ist Europas neue Stimme
der Klarheit

In ihrer Rede zur Freiheit am Brandenburger Tor, zwei Monate nach dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022, sagte die damalige Premierministerin Estlands Kaja Kallas entschieden wie Churchill: „Wenn dieser Krieg verloren wird, dann verliert ihn nicht die Ukraine, sondern wir.“

35 Jahre zuvor stand sie einige Meter entfernt, auf Auslandsreise mit ihrer Familie – in das unfreie Deutschland der DDR. Ihr Vater, der spätere estnische Premierminister Siim Kallas, hatte die 11-Jährige mit ihrem Bruder so nah wie möglich an das Brandenburger Tor geführt und geraten: „Atmet tief ein. Das ist die Luft der Freiheit, die von der anderen Seite kommt.“ Nach eigener Beschreibung wirkte diese Begegnung zwischen freier demokratischer Welt und unfreier Diktatur prägend für ihr politisches Denken.

Kristi, die Mutter von Kaja Kallas, noch als Säugling von sowjetischen Truppen nach Sibirien deportiert, kam erst mit zehn Jahren zurück in das von der Sowjetunion bis 1991 besetzte Estland. Vater Siim war einer der prägenden Politiker, die Estland zurück in die Unabhängigkeit und dann in die EU und Nato führten. „Er war viel größer als Estland“, sagte der damalige Generalsekretär der Liberalen Internationale, Jules Maaten, heute Europadirektor der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. Er beschrieb Siim Kallas als einen der eindrucksvollsten liberalen Politiker seiner Zeit „mit Vision, Rückgrat, Charisma und Humor“.

Seit 2024 treibt Kaja Kallas die EU mit den gleichen Eigenschaften zu mehr Klarheit im Außenauftritt. Denn während nach 2014 trotz Annexion der Krim und Krieg im Donbass Nord Stream 2 ausgebaut wurde, verklangen in Berlin die Stimmen von Politikern wie Kallas ungehört wie einst Winston Churchill in einem Großbritannien voller Freude über das Appeasement gegenüber Hitler. Durch ihre laute Klarheit wurde die estnische Politikerin zur Frau der Stunde und Außenbeauftragte der EU. „Das ist ihr Mandat“, sagt Maaten, sie ist damit „die sicherlich einflussreichste Außenvertreterin der Geschichte der EU“. Kallas steht für ein Europa der liberalen Prinzipien, das sich nicht vor Konfrontationen scheut. Ihre Unnachgiebigkeit gegenüber Autokratien macht sie zur Schlüsselfigur für die Zukunft Europas.


Karin Keller-Sutter:

Erwirtschaften vor Verteilen

Der Schweizer Wirtschaft geht es vergleichsweise gut. Das liegt auch an der Schuldenbremse. Ende 2024 betrug die Schuldenquote 17,2 Prozent des BIP – in Deutschland sind es 62,5 Prozent. Dafür, dass die Eidgenossenschaft sich so strikt an die Verschuldungsgrenze hält, sorgt auch Karin Keller-Sutter, freisinnige Finanzministerin und Bundespräsidentin.

Die 61-Jährige gilt als mächtigste Politikerin des Landes. Die „Financial Times“ kürte sie 2023 gar zu einer der einflussreichsten Frauen der Welt. Damals wurde die Bundesrätin durch die Bewältigung der Bankenkrise der Credit Suisse international bekannt. Im Gespräch war sie auch, als sie jüngst einen Milliarden-Sparplan des Bundes präsentierte.

Gerade in diesen derzeit sehr turbulenten Zeiten ist ein klarer Kompass wichtiger denn je. Meiner ist der Liberalismus.
Karin Keller-Sutter

„Erwirtschaften vor Verteilen.“ Keller-Sutters Leitsatz prägte bereits ihre Kindheit in der Ostschweiz. Im Gasthof ihrer Eltern lernte sie, dass sich gute Arbeit auszahlt. Schon früh begeisterte sie sich für den Liberalismus, der für sie bis heute für „Freiheit, aber auch für Verantwortung“ steht.

Die diplomierte Dolmetscherin trat mit 23 Jahren in die FDP ein, ihre politische Karriere begann sie als Gemeinderätin. Es ging für sie stetig voran und für ihre Partei wurde sie zur Hoffnungsträgerin. Doch sie kämpfte – wie viele erfolgreiche Frauen – auch gegen ihren Ruf als machtgierige Hardlinerin. 2010 erlitt sie einen Rückschlag: Die FDP stellte sie als Kandidatin für den Bundesrat auf, doch ein männliches Parteimitglied gewann. Acht Jahre später schaffte sie es in die Regierung – viele ihrer Ideen konnte sie dort seither umsetzen.

Keller-Sutter gibt im Bundesrat den Ton an, heißt es. Das hat sie auch ihrer Disziplin zu verdanken, doch ihr Erfolgsrezept ist ihre emotionale Kompetenz. Sie baut und pflegt Netzwerke. Um Mehrheiten zu bilden, kommt sie auch ihren politischen Gegnern entgegen. Ideologisch gilt sie aber als unbeugsam: „Gerade in diesen derzeit sehr turbulenten Zeiten ist ein klarer Kompass wichtiger denn je. Meiner ist der Liberalismus“, sagt sie.

Julius von Freytag-Loringhoven leitet seit 2024 von Vilnius aus
die Stiftungsarbeit in den Baltischen Staaten. 
Julius Graack arbeitet als Journalist in Brüssel. 
Maja Sommerhalder ist selbstständige Journalistin in Berlin.

Julius von Freytag-Loringhoven leitet seit 2024 von Vilnius aus
die Stiftungsarbeit in den Baltischen Staaten. 
Julius Graack arbeitet als Journalist in Brüssel. 
Maja Sommerhalder ist selbstständige Journalistin in Berlin.

Auch interessant

Beitrag

Sven Gerst // Die Suche nach dem Feuer der Freiheit

Der Liberalismus wirkt erschöpft. Auch geistig steckt er im Leerlauf: Auf den immer gleichen Konferenzen versuchen die inzwischen ergrauten Eminenzen, ihren angestaubten Ideen noch einmal Leben einzuhauchen. Andere Denkschulen haben uns gerade bei jungen Menschen längst den Rang abgelaufen. Vier Impulse für einen Liberalismus im Aufbruch.

Reportage

Christoph Lixenfeld, Maximilian Münster // Bürgerschaftliches Engagement

Liberale Stärke zeigt sich vor Ort – in den Städten und Gemeinden. 
Vier Beispiele dafür, ­wie sich Menschen für andere einsetzen.

Interview

Thomas Ilka, Axel Novak // „Ich brenne für Inhalte“

Christian Dürr ist der neue Bundesvorsitzende der FDP. In einem seiner 
ersten Interviews nach der Wahl erklärt er, wie er die Partei erneuern will. Liberale Positionen und Ansätze sind für ihn unabdingbar, um das Land wieder voranzubringen.

Ein Angebot der

Wir verarbeiten Ihre Daten und nutzen Cookies.

Wir nutzen technisch notwendige Cookies, um Ihnen die wesentlichen Funktionen unserer Website anbieten zu können. Ihre Daten verarbeiten wir dann nur auf unseren eigenen Systemen. Mehr Information finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen in Ziffer 3. Sie können unsere Website damit nur im technisch notwendigen Umfang nutzen.

Um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten und unser Angebot für Sie fortlaufend verbessern zu können, nutzen wir funktionale und Marketingcookies. Mehr Information zu den Anbietern und die Funktionsweise finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen in Ziffer 3. Klicken Sie ‚Akzeptieren‘, um einzuwilligen. Diese Einwilligung können Sie jederzeit widerrufen.