Liberale Erneuerung
Liberale Stärke zeigt sich vor Ort – in den Städten und Gemeinden.
Vier Beispiele dafür, wie sich Menschen für andere einsetzen.
Texte: Christoph Lixenfeld und Maximilian Münster
Illustrationen: Mario Wagner
Liberale Erneuerung
Liberale Stärke zeigt sich vor Ort – in den Städten und Gemeinden. Vier Beispiele dafür, wie sich Menschen für andere einsetzen.
Texte: Christoph Lixenfeld und Maximilian Münster
Illustrationen: Mario Wagner
Überall Hundekot, auf der Wiese, in den Büschen, im Bach. So kam es den Leuten in Vieselbach vor, einem Stadtteil von Erfurt. Christian Poloczek-Becher, ehrenamtlicher Ortsteilbürgermeister, kämpfte monatelang bei der Verwaltung um neue Mülleimer, damit Herrchen und Frauchen die Kotbeutel adäquat entsorgen können. Zu teuer, hieß es. Schließlich gab es zehn neue Mülleimer – doch ausleeren müssen sie die Bürger selbst. Das ist der Deal.
Einmal pro Woche fährt Poloczek-Becher mit Freiwilligen los, holt Müll aus den Eimern und bringt sie zu einem Container, den die Stadt entleert. Seitdem hat sich das Problem so gut wie erledigt. Für ihn ist das ein Beispiel, wie liberales Engagement vor Ort aussehen kann. „Bevor gar nichts passiert, mache ich es lieber selbst“, sagt er.
Seine Mutter wagte es zu DDR-Zeiten, aus der SED auszutreten. Sie sprach oft mit ihm darüber, was schiefläuft im Staat. „Sie lehrte mich, frei zu denken, zu handeln und mich zu engagieren“, sagt Poloczek-Becher. Das prägt ihn bis heute. Seit 2019 leitet er das Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung in Thüringen. Früher arbeitete er als Coach, leitete den Vertrieb eines Personaldienstleisters und besaß einen Supermarkt. Dass er Menschen zu freiwilligem Engagement motivieren kann, merkte er schon nach der Schule, als er eine Offizierslaufbahn bei der Bundeswehr begann: „Ich brachte meine Soldaten immer dazu, gemeinsam anzupacken.“
2019 wurde er Ortsteilbürgermeister der gut 2 000 Vieselbacher. Seitdem spürt er die Trägheit der Kommunalpolitik: „Ständig dieser Verwaltungsbürokratismus, statt einfach mal zu machen“, klagt er. Doch sein Beispiel mit den Mülleimern zeigt: Es geht doch.
Ursula Baums Engagement für Geflüchtete und für benachteiligte Menschen geht auf ein Schlüsselerlebnis zurück: Im September 2015 begegnete sie einem elfjährigen Jungen aus Syrien, der ohne seine Eltern mit einem Onkel nach Deutschland gekommen war. Sie übernahm die Vormundschaft und versprach ihm, dass er seine Eltern wiedersehen wird. Das Versprechen konnte sie – wenn auch erst nach Jahren – halten.
Baum ist seit November 2020 Bürgermeisterin von Kaarst, einer Kleinstadt westlich von Düsseldorf. Menschen Chancen geben, das ist für sie ein zentrales Element liberaler Politik. Gelernt hat sie dies in einem weltoffenen Elternhaus, in dem immer auch Menschen aus anderen Ländern zu Gast waren. Herkunft und Hautfarbe, so Ursula Baum, „haben bei uns nie eine Rolle gespielt“.
Sie hat einen weiteren Sohn und zwei leibliche Töchter. Nachdem diese 2015 ausgezogen waren, wurde sie zunächst stellvertretende Bürgermeisterin, gründete im selben Jahr gemeinsam mit weiteren Unterstützern die „Flüchtlingshilfe Kaarst e.V.“.
2019 änderte der Verein Namen und Ausrichtung. Seitdem heißt er „Kaarster helfen e.V.“ und kümmert sich „um Menschen, die aus dem System gefallen sind“, so die Bürgermeisterin. Voraussetzung sei allerdings, dass sie diese Hilfe „auch annehmen und mitziehen“.
Fördern und fordern, das sei liberale Politik. Das gelte für Einheimische ebenso wie für Geflüchtete. Zum Umgang mit Letzteren hat sie eine sehr klare Position. „Der demografische Wandel ist längst da und wir brauchen Zuwanderung“, so Ursula Baum. „Natürlich können wir nicht alle aufnehmen, die gerne zu uns kommen wollen. Aber gerade Flüchtlingskinder sind eine große Chance für unser Land. Für sie sollten wir durch bessere Bildung deutlich mehr tun.“
Überall Hundekot, auf der Wiese, in den Büschen, im Bach. So kam es den Leuten in Vieselbach vor, einem Stadtteil von Erfurt. Christian Poloczek-Becher, ehrenamtlicher Ortsteilbürgermeister, kämpfte monatelang bei der Verwaltung um neue Mülleimer, damit Herrchen und Frauchen die Kotbeutel adäquat entsorgen können. Zu teuer, hieß es. Schließlich gab es zehn neue Mülleimer – doch ausleeren müssen sie die Bürger selbst. Das ist der Deal.
Einmal pro Woche fährt Poloczek-Becher mit Freiwilligen los, holt Müll aus den Eimern und bringt sie zu einem Container, den die Stadt entleert. Seitdem hat sich das Problem so gut wie erledigt. Für ihn ist das ein Beispiel, wie liberales Engagement vor Ort aussehen kann. „Bevor gar nichts passiert, mache ich es lieber selbst“, sagt er.
Seine Mutter wagte es zu DDR-Zeiten, aus der SED auszutreten. Sie sprach oft mit ihm darüber, was schiefläuft im Staat. „Sie lehrte mich, frei zu denken, zu handeln und mich zu engagieren“, sagt Poloczek-Becher. Das prägt ihn bis heute. Seit 2019 leitet er das Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung in Thüringen. Früher arbeitete er als Coach, leitete den Vertrieb eines Personaldienstleisters und besaß einen Supermarkt. Dass er Menschen zu freiwilligem Engagement motivieren kann, merkte er schon nach der Schule, als er eine Offizierslaufbahn bei der Bundeswehr begann: „Ich brachte meine Soldaten immer dazu, gemeinsam anzupacken.“
2019 wurde er Ortsteilbürgermeister der gut 2 000 Vieselbacher. Seitdem spürt er die Trägheit der Kommunalpolitik: „Ständig dieser Verwaltungsbürokratismus, statt einfach mal zu machen“, klagt er. Doch sein Beispiel mit den Mülleimern zeigt: Es geht doch.
Ursula Baums Engagement für Geflüchtete und für benachteiligte Menschen geht auf ein Schlüsselerlebnis zurück: Im September 2015 begegnete sie einem elfjährigen Jungen aus Syrien, der ohne seine Eltern mit einem Onkel nach Deutschland gekommen war. Sie übernahm die Vormundschaft und versprach ihm, dass er seine Eltern wiedersehen wird. Das Versprechen konnte sie – wenn auch erst nach Jahren – halten.
Baum ist seit November 2020 Bürgermeisterin von Kaarst, einer Kleinstadt westlich von Düsseldorf. Menschen Chancen geben, das ist für sie ein zentrales Element liberaler Politik. Gelernt hat sie dies in einem weltoffenen Elternhaus, in dem immer auch Menschen aus anderen Ländern zu Gast waren. Herkunft und Hautfarbe, so Ursula Baum, „haben bei uns nie eine Rolle gespielt“.
Sie hat einen weiteren Sohn und zwei leibliche Töchter. Nachdem diese 2015 ausgezogen waren, wurde sie zunächst stellvertretende Bürgermeisterin, gründete im selben Jahr gemeinsam mit weiteren Unterstützern die „Flüchtlingshilfe Kaarst e.V.“.
2019 änderte der Verein Namen und Ausrichtung. Seitdem heißt er „Kaarster helfen e.V.“ und kümmert sich „um Menschen, die aus dem System gefallen sind“, so die Bürgermeisterin. Voraussetzung sei allerdings, dass sie diese Hilfe „auch annehmen und mitziehen“.
Fördern und fordern, das sei liberale Politik. Das gelte für Einheimische ebenso wie für Geflüchtete. Zum Umgang mit Letzteren hat sie eine sehr klare Position. „Der demografische Wandel ist längst da und wir brauchen Zuwanderung“, so Ursula Baum. „Natürlich können wir nicht alle aufnehmen, die gerne zu uns kommen wollen. Aber gerade Flüchtlingskinder sind eine große Chance für unser Land. Für sie sollten wir durch bessere Bildung deutlich mehr tun.“
Eine Gesellschaft, die ihre demokratischen Werte ernst nimmt, sollte für Gleichstellung der Geschlechter sorgen. Doch viele Frauen können nicht frei und selbstbestimmt leben, sagt Nicole Pfeffer, Unternehmerin in Unterfranken und Vorsitzende der Liberalen Frauen. „Vielleicht ist ein Kind zu betreuen oder eine Angehörige zu pflegen.“ Das sind Gründe, warum Frauen sich oft gegen eine Karriere entscheiden – während Männer eher sagen: „Ich mach das jetzt.“
Als Lokalpolitikerin will Pfeffer Frauen zu mehr Freiheit im Alltag verhelfen. In Unterfranken vernetzt sie sie und organisiert Veranstaltungen wie zweimal im Jahr ein liberales Frauenfrühstück. „Freitags für die Muttis, wenn die Kleinen im Kindergarten sind, und samstags für die Frauen mit Job.“ Es geht um Selbstbestimmung, politische Teilhabe, Familie und Karriere.
Pfeffer, 1970 geboren, lernte Köchin, arbeitete sich zur stellvertretenden Restaurantleiterin hoch, wechselte ins Marketing eines Finanzdienstleisters und studierte ganz nebenbei BWL. 2007 gründete sie ihre eigene Marketingagentur. „Mein Lebenslauf ist alles andere als stringent“, sagt sie. Oft werde zu sehr auf Noten geschaut, statt auf das Können. Das beherzigt sie auch, wenn sie Frauen fördert. Eine Auszubildende in einem Frankfurter Hotel war schlecht in der Schule, aber gut im Umgang mit Gästen. Pfeffer gab ihr extra Lerneinheiten – heute besitzt sie ein Weingut.
Frauen zweifeln öfter, wägen mehr ab, revidieren eher ihre Meinung – manchmal ein Hindernis, doch für das Miteinander ein Gewinn, sagt Pfeffer. Aktuell plant sie einen großen Frauenkongress am 4. Juli in Würzburg. „Die Teilnehmerinnen sollen mit dem Gefühl nach Hause gehen, dass freie Entscheidungen möglich und toll sind.“ Das tut jeder Einzelnen gut – und der Gesellschaft auch.
Der 28. Juli 2000 war für Ralph Sterck „ein Tag der Befreiung“. Er hatte das Interview mit einem schwulen Monatsmagazin genutzt, um sich öffentlich zu outen. Liberale sollten aus seiner Sicht grundsätzlich dafür einstehen, dass jeder seinen Lebensentwurf nach eigenem Gusto wählen kann, so Stercks Credo damals wie heute.
Wobei sein liberales Engagement schon seit Langem weit über das Private hinaus in die Kommunalpolitik reicht. Der heutige Referatsleiter im NRW-Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie – Jahrgang 1965 – schloss sich 1981 den Jungen Liberalen an, die er mit aufbaute. Von 1988 bis 1991 war er deren Kölner Vorsitzender, zwischen 1999 und 2024 führte er die FDP-Fraktion im Rat der Stadt Köln.
Ralph Stercks aktuell wichtigstes politisches Anliegen ist der Bau einer U-Bahn – auch und vor allem – unter dem Zentrum seiner Heimatstadt. Jene Linie von Ost nach West, die man bei der Planung der 1980er- und 1990er-Jahre „schlicht vergessen“ habe, so Sterck. Der Bau des Basistunnels zwischen Heumarkt und Aachener Weiher wurde vom Stadtrat im April 2025 beschlossen und verkündet, Streckenerweiterungen inklusive Rheinunterführung sind geplant. Bis damit seine Idee eines Metroliniennetzes Wirklichkeit werden könnte, gehen zwar noch 25 bis 30 Jahre ins Land, aber Sterck ist zu Recht stolz darauf, die notwendigen Mehrheiten für den Start mit organisiert zu haben.
Mehrheiten für ein originär liberales Projekt also, denn nichts anderes ist die U-Bahn aus seiner Sicht. „Es geht um Angebotspolitik. Das heißt, wir wollen den Menschen nicht das Auto madig machen, sondern den ÖPNV so attraktiv, dass sie freiwillig ihr Mobilitätsverhalten ändern“, so Ralph Sterck.
Eine Gesellschaft, die ihre demokratischen Werte ernst nimmt, sollte für Gleichstellung der Geschlechter sorgen. Doch viele Frauen können nicht frei und selbstbestimmt leben, sagt Nicole Pfeffer, Unternehmerin in Unterfranken und Vorsitzende der Liberalen Frauen. „Vielleicht ist ein Kind zu betreuen oder eine Angehörige zu pflegen.“ Das sind Gründe, warum Frauen sich oft gegen eine Karriere entscheiden – während Männer eher sagen: „Ich mach das jetzt.“
Als Lokalpolitikerin will Pfeffer Frauen zu mehr Freiheit im Alltag verhelfen. In Unterfranken vernetzt sie sie und organisiert Veranstaltungen wie zweimal im Jahr ein liberales Frauenfrühstück. „Freitags für die Muttis, wenn die Kleinen im Kindergarten sind, und samstags für die Frauen mit Job.“ Es geht um Selbstbestimmung, politische Teilhabe, Familie und Karriere.
Pfeffer, 1970 geboren, lernte Köchin, arbeitete sich zur stellvertretenden Restaurantleiterin hoch, wechselte ins Marketing eines Finanzdienstleisters und studierte ganz nebenbei BWL. 2007 gründete sie ihre eigene Marketingagentur. „Mein Lebenslauf ist alles andere als stringent“, sagt sie. Oft werde zu sehr auf Noten geschaut, statt auf das Können. Das beherzigt sie auch, wenn sie Frauen fördert. Eine Auszubildende in einem Frankfurter Hotel war schlecht in der Schule, aber gut im Umgang mit Gästen. Pfeffer gab ihr extra Lerneinheiten – heute besitzt sie ein Weingut.
Frauen zweifeln öfter, wägen mehr ab, revidieren eher ihre Meinung – manchmal ein Hindernis, doch für das Miteinander ein Gewinn, sagt Pfeffer. Aktuell plant sie einen großen Frauenkongress am 4. Juli in Würzburg. „Die Teilnehmerinnen sollen mit dem Gefühl nach Hause gehen, dass freie Entscheidungen möglich und toll sind.“ Das tut jeder Einzelnen gut – und der Gesellschaft auch.
Der 28. Juli 2000 war für Ralph Sterck „ein Tag der Befreiung“. Er hatte das Interview mit einem schwulen Monatsmagazin genutzt, um sich öffentlich zu outen. Liberale sollten aus seiner Sicht grundsätzlich dafür einstehen, dass jeder seinen Lebensentwurf nach eigenem Gusto wählen kann, so Stercks Credo damals wie heute.
Wobei sein liberales Engagement schon seit Langem weit über das Private hinaus in die Kommunalpolitik reicht. Der heutige Referatsleiter im NRW-Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie – Jahrgang 1965 – schloss sich 1981 den Jungen Liberalen an, die er mit aufbaute. Von 1988 bis 1991 war er deren Kölner Vorsitzender, zwischen 1999 und 2024 führte er die FDP-Fraktion im Rat der Stadt Köln.
Ralph Stercks aktuell wichtigstes politisches Anliegen ist der Bau einer U-Bahn – auch und vor allem – unter dem Zentrum seiner Heimatstadt. Jene Linie von Ost nach West, die man bei der Planung der 1980er- und 1990er-Jahre „schlicht vergessen“ habe, so Sterck. Der Bau des Basistunnels zwischen Heumarkt und Aachener Weiher wurde vom Stadtrat im April 2025 beschlossen und verkündet, Streckenerweiterungen inklusive Rheinunterführung sind geplant. Bis damit seine Idee eines Metroliniennetzes Wirklichkeit werden könnte, gehen zwar noch 25 bis 30 Jahre ins Land, aber Sterck ist zu Recht stolz darauf, die notwendigen Mehrheiten für den Start mit organisiert zu haben.
Mehrheiten für ein originär liberales Projekt also, denn nichts anderes ist die U-Bahn aus seiner Sicht. „Es geht um Angebotspolitik. Das heißt, wir wollen den Menschen nicht das Auto madig machen, sondern den ÖPNV so attraktiv, dass sie freiwillig ihr Mobilitätsverhalten ändern“, so Ralph Sterck.
Christoph Lixenfeld arbeitet als Journalist, Autor und
Ghostwriter in Berlin. Seine Themen sind vor allem Demografie, Sozialpolitik, Wirtschaft und IT.
Maximilian Münster ist freier Journalist in Berlin und schreibt
vor allem über Innovationen und Mittelstand.
Christoph Lixenfeld arbeitet als Journalist, Autor und Ghostwriter in Berlin. Seine Themen sind vor allem Demografie, Sozialpolitik, Wirtschaft und IT.
Maximilian Münster ist freier Journalist in Berlin und schreibt vor allem über Innovationen und Mittelstand.
Wenn es um die Freiheit geht, wird es grundsätzlich. In dieser Welt sind Menschen liberal, wenn sie sich einsetzen für Freiheit, für Stärke, für ein Miteinander und für Respekt anderen gegenüber. Zum Glück für Europa sitzen hier fünf solcher Frauen an entscheidenden Schalthebeln der Macht.
Liberale Stärke zeigt sich vor Ort – in den Städten und Gemeinden. Vier Beispiele dafür, wie sich Menschen für andere einsetzen.
Christian Dürr ist der neue Bundesvorsitzende der FDP. In einem seiner ersten Interviews nach der Wahl erklärt er, wie er die Partei erneuern will. Liberale Positionen und Ansätze sind für ihn unabdingbar, um das Land wieder voranzubringen.